36 | Silvester

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Die Reaktion ihrer Eltern hat Jule ziemlich zugesetzt, was natürlich völlig verständlich ist. Es ist einfach schrecklich das erleben zu müssen. So verbringen wir die nächsten zwei Tage weitestgehend bei ihr zu Hause. Auf Amazon Prime gibt es genügend Filme und Serien um die Zeit zu verbringen. Draußen ist es sowieso nur kalt und regnerisch. Da will man nicht Mal unbedingt raus gehen. ,,Was ziehst du denn an Silvester an?“, fragt Jule mich. Es ist bereits der 30. Dezember und morgen früh fahren wir dann nach Wolfsburg. ,,Ich weiß es noch nicht. Ich habe zu Hause ein paar Kleider, aber ich habe mich bisher noch nicht entschieden, was ich anziehe. Und du?“, antworte ich. ,,Ich habe keine Ahnung. Ich fände es aber cool, wenn wir etwas anziehen würden, dass zusammen passt.“ ,,Sollen wir shoppen gehen?“, schlage ich vor. Das wäre vor allem Ablenkung für Jule. ,,Gute Idee.“ Und so finden wir uns wenig später in der Sinsheimer Innenstadt wieder. ,,In welchen Laden wollen wir zuerst?“, fragt Jule. ,,Du kennst dich hier aus, nicht ich. Aber irgendwohin, wo es schöne Kleider hat.“ Jule zieht mich mit sich in eine Seitengasse und von dort in dem ersten Laden. Hier hängen zwar einige schöne Kleider, aber das passende ist noch nicht dabei. So gehen wir weiter. ,,Sinsheim ist echt schön“, bemerke ich, während wir durch die Straße schlendern. ,,Oh ja. Es ist eher klein, aber trotzdem gibt es alles, was man braucht.“ ,,Das ist mit Wolfsburg auch so.“ ,,Das stimmt. Wolfsburg ist echt kleiner als man denkt“, meint Jule. Wir gehen in den nächsten Laden. Das sieht auf den ersten Blick schon besser aus. Es gibt eine Ecke mit Jumpsuits und eine weitere mit schönen Kleidern. ,,Ich glaube, ich tendiere eher in die Jumpsuit Richtung“, sagt Jule. ,,Dann suchen wir erst für dich einen Jumpsuit und danach ein dazu passendes Kleid für mich“, bestimme ich. Letztendlich sucht sich Jule einen schlichten schwarzen Jumpsuit aus. Er passt perfekt zu ihr. Vor allem fällt er locker über ihre Beine und passt selbst von der Länge perfekt. Ihre Taille wird durch einen schmalen Gürtel betont. Sie sieht einfach perfekt aus. ,,Jetzt bist du dran“, grinst Jule. Es scheint so, als könne sie es gar nicht abwarten mich in den Kleidern zu sehen. Doch in so vielen Kleidern sieht sie mich dann gar nicht. Schon als wir in die Abteilung mit den Kleidern laufen, sehe ich schon das Kleid, dass ich haben möchte. Es ist ein knöchellanges, schwarzes Wollkleid mit weißen feinen Punkten. Ich liebe Wollkleider. Alle Kleider, die in meinem Schrank hängen, sind aus Wolle. Und jetzt kommt das nächste dazu.

Am frühen Silvesternachmittag kommen wir in Wolfsburg an. Wir sind erst relativ spät losgekommen, da wir gestern das Kofferpacken etwas vernachlässigt haben. Da war das Kuscheln und was dazugehört wichtiger. Letztendlich war es uns aber auch relativ egal, wann wir in Wolfsburg ankommen. Viel vorbereiten müssen wir sowieso nicht. Wir werden nicht so viele sein, so dass es relativ entspannt ist. ,,Hey“, rufe ich, als ich die Wohnungstüre aufschließe. Cinni rennt sofort auf uns zu. ,,Na Kleine?“, fragt Feli und kommt aus dem Wohnzimmer. Ich werde den Spitznamen einfach nicht los. ,,Hello Again.“ Feli nimmt erst mich und dann Jule in den Arm. ,,Cool, dass du auch da bist“, sagt sie. ,,Ich bin auch echt froh hier zu sein.“ Feli weiß von dem ganzen Bescheid, so dass sie nicht weiter nachfragt. Manchmal ist es besser nicht darüber zu reden. Und gerade heute will Jule einfach den Tag genießen ohne darüber nachdenken zu müssen. ,,Wobei sollen wir denn noch helfen?“, erkundigt sich Jule. ,,Ihr könntet Tomate-Mozzarella-Spieße machen. Einen Kuchen habe ich gerade schon gebacken und das Baguette ist auch schon vom Bäcker abgeholt. Pauli bringt Gemüse samt verschiedener Dips mit, Sara kleine salzige Gebäcke und Joelle hat nicht ganz verraten wollen, was sie mitbringt. Aber es ist für alles gesorgt“, erzählt Feli. ,,Warte Mal, Sara und Joelle kommen?“, rufe ich.  ,,Jap, die beiden kommen. Joelle kommt ja sowieso aus Wolfsburg und ist demnach hier währende der Pause und Sara wollte uns Mal wieder einen Besuch abstatten.“ ,,Aber warum wusste ich davon nichts?“ ,,Weil wir dich überraschen wollten“, meint Jule. ,,Du wusstest davon?“, frage ich. ,,Ja, schon seit ein paar Tagen. Die Überraschung ist wohl gelungen.“ Ich nicke. Das ist die definitiv. Sowohl Sara als auch Joelle habe ich ewig nicht mehr gesehen. Und wenn dann nur ganz kurz, wenn wir gegeneinander gespielt haben. Sara ist bei Eintracht Frankfurt, so dass wir wirklich noch gegeneinander spielen können, aber Joelle ist ins Ausland zu PSG nach Frankreich gegangen. Bisher haben wir noch nicht gegeneinander gespielt. Jetzt sehe ich die beiden endlich wieder. Zusammen mit Jule gehe ich in die Küche, um die Tomate-Mozzarella-Spieße vorzubereiten. Das geht recht fix.

Und schon klingelt es an der Tür. Es ist Pauli. Ich bin nicht enttäuscht, aber irgendwie hatte ich schon auf Sara oder Joelle gehofft. Wobei das eigentlich gar nicht möglich war. So überpünktlich sind die beiden nicht. Dann aber kommen sie endlich. ,,Sara!“, rufe ich. ,,Lou!“ Es ist so schön, sie wieder zu sehen. ,,Jule, mit dir hätte ich ja jetzt nicht gerechnet“, meint sie dann an Jule gewandt. ,,Tja, Lou hat mich eingeladen zu kommen und da kann ich ja dann nicht ,Nein‘ sagen“, erwidert diese. ,,Lass dich drücken.“ Joelle schiebt sich vor zu mir und nimmt mich in den Arm. ,,Wie ist es dir so ergangen? Das mit deinem Knie war ja Mal wieder richtig mies“, erkundigt sie sich. ,,Jap, aber in drei Monaten sollte ich wieder auf dem Platz stehen, von daher passt das aktuell.“ ,,Sehr gut. Und Nationalspielerin bist du ja auch noch. Und ihr zwei seid weiterhin ein perfektes Sturmduo. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ja immer noch behaupten, dass da etwas läuft“, meint Joelle. Dann geht sie mit ihrer mitgebrachten Tupperbox in die Küche und ich grinse Jule verstohlen an. ,,Mal schauen wie lange wir es noch verstecken können“, flüstert sie lächelnd. ,,Wäre es okay, wenn die Mädels es herausfinden würden?“, frage ich vorsichtig. ,,Von meiner Seite aus ja. Ich glaube, wir sind an dem Punkt, wo wir es unseren Freundinnen schon sagen können. Nur auf Instagram passen wir weiterhin auf. Die Öffentlichkeit braucht das wirklich nicht zu wissen.“ Auch wir gehen wieder in die Küche. Dort steht jetzt ein vollständiges kleines Buffet mit einigen Leckereien. Joelle hat eine französische Käseplatte und Muffins mitgebracht. So ein kaltes Buffet ist immer das Beste für Silvester. Vor allem weil man dabei ewig essen kann. Es ist nach zehn als wir langsam Mal den Tisch abräumen. ,,Und was wollen wir jetzt noch machen?“, fragt Sara. ,,Wie wäre es mit Tabu“, schlägt Joelle vor. ,,Dann spielen wir in zwei Teams. Wie wär’s mit Feli, Jule und Lou und Joelle, Sara und mir“, überlegt Pauli. ,,Find ich gut“, sage ich schnell, Ehe Proteste gegen diese Aufteilung aufkommen können. Mich mit Feli und Jule zusammen spielen zu lassen, ist für das gegnerische Team gar nicht gut. ,,Dann fangen wir aber an“, bestimmt Sara. Während sie es schafft drei Begriffe zu erklären, kommt Jule auf fünf. Damit haben wir zumindest zu Beginn Mal die Führung inne. ,,Du bist dran“, meint Joelle nachdem auch sie drei Begriffe erklären konnte. ,,Also los geht’s. Ich mag es nicht und Jule hatte es als Leistungskurs.“ ,,Mathe!“, ruft Jule. ,,Feli hat mich dort immer hingefahren.“ ,,Krankenhaus!“ ,,Das haben wir gestern noch gemacht, um das zu bekommen, worin wir jetzt hier sitzen.“ ,,Shoppen!“ ,,Felis Treffer zum WM Sieg.“ ,,Freistoß!“, errät Feli. ,,Als ob sie Treffer verwenden darf“, protestiert Sara. ,,Ja, nur Tor ging nicht. Okay weiter. Meine bevorzugter Ort auf dem Platz.“ ,,Linke Außenstürmerin!“, ruft Jule. ,,Wie kann man darauf kommen?“, fragt Joelle dazwischen. ,,Egal. Haben wir in Montpellier am Wasser gemacht“, mache ich weiter. ,,Beachvolleyball!“ ,,Zeit ist um“, schaltet sich Pauli ein. ,,Wer hat sich diese Teams ausgedacht? Das ist ja sowas von unfair hier“, beschwert sich Sara. ,,Na und? Wie viele Begriffe waren das?“ ,,Sechs. Und jetzt sind wir wieder dran“, antwortet Joelle.

Am Ende gewinnen wir ziemlich hoch. Vielleicht waren die Teams doch nicht ganz fair, schließlich kennen Feli, Jule und ich uns extrem gut. ,,Gleich ist Mitternacht. Wollen wir noch Neujahrsvorsätze benennen?“, fragt Feli. Die anderen Antworten zuerst. Dann bin ich dran. ,,Ich möchte wieder auf dem Platz stehen und von da an verletzungsfrei durch das Jahr kommen“, sage ich. ,,Es wär schon ein Traum bei Olympia dabei zu sein, aber vor allem möchte ich ein schönes Jahr mit den richtigen Menschen an meiner Seite haben“, beendet Jule die Runde und blickt dabei mich an. ,,Ich wusste es!“, ruft Joelle aus. ,,Was wusstest du?“, fragt Pauli. Ich nicke Jule kurz zu und sie erwidert das Nicken als Zeichen, dass ich es sagen darf. ,,Wir sind zusammen.“ ,,Wirklich jetzt?“, fragt Pauli. ,,Ja wirklich.“ ,,Wie? Wo? Was? Wann?“, erkundigt sich Sara. ,,Sag Mal, kommt das so überraschend für euch?“, lacht Jule. ,,Also für mich nicht. Ich denke mir schon seit zwei Jahren, dass da was zwischen euch läuft“, meint Joelle triumphierend. ,,So lange ist es aber tatsächlich noch nicht. Wir sind jetzt seit ungefähr anderthalb Monaten offiziell zusammen“, erklärt Jule. ,,Ach ihr seid schon süß und dann habt ihr auch noch ein zueinander passendes Outfit an. Aber offiziell seit anderthalb Monaten, aha. Ich frage einfach nicht weiter nach“, erwidert Joelle und hebt eine Augenbraue. ,,Kannst du auch gar nicht in zehn Sekunden beginnt das neue Jahr“, wirft Feli ein. Wir zählen von zehn runter. Dann drehe ich mich zu Jule. Ihre Lippen treffen auf meine, während die Uhr an der Wand auf 0:00 umspringt. So starte ich gerne ins neue Jahr.

Flowers need time to bloomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt