11 | E-Mail

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Ich schlafe extrem schlecht in der Nacht. Normal würde ich dann zu Feli rüber gehen, aber das geht jetzt nicht. Letztendlich stehe ich schon in aller Herrgottsfrühe auf. Da ich Pia nicht wecken will, mache ich mich ganz leise fertig und nehme dann Cinni mit nach draußen. Früher oder später muss sie eh raus. Dann ist es heute eben früher. Dementsprechend ist es ziemlich frisch, so dass ich meinen Lieblingspulli vom Verein anziehe. Ich schlage die Runde in Richtung Allersee ein. Ich muss einfach kurz raus kommen und das geht nirgendwo besser als am Allersee. Hier kann ich auch einfach Mal anschalten. Normalerweise zumindest. Heute fällt mir das schwerer. Ich verstehe schon gar nicht mehr, warum mich das so mitnimmt. Es ist doch eigentlich alles gut. Feli darf heute nach Hause kommen und dann geht es ja auch wieder aufwärts. ,,Warum geht mir das so nahe?“, flüstere ich und knie mich hin, um Cinni zu streicheln. Die kleine Hündin blickt mich fragend an. Natürlich weiß sie nicht, was Sache ist. Das einzige, was sie mitbekommen haben muss, ist dass Feli gestern nicht wie wir nach Hause gekommen ist. Aber das passiert ja dann heute.

Als ich nach Hause komme, ist Pia immer noch nicht wach. Man sollte dazu sagen, dass es immer noch erst dreiviertel acht ist. So beginne ich das Frühstück vorzubereiten. Dann schreibe ich Feli, wann wir sie abholen sollen. ,,Guten Morgen“, ruft Pia und betritt die Küche. ,,Morgen“, erwidere ich. ,,Wow, du hast Frühstück gemacht. Seit wann bist du wach?“ ,,Schon eine Ewigkeit. Ich war auch schon mit Cinni draußen“, sage ich. ,,Dann bist du wirklich schon länger wach. Hast du nicht gut geschlafen?“, fragt sie. ,,Nicht wirklich. Mich hat das gestern irgendwie ziemlich mitgenommen“, antworte ich schulterzuckend. ,,Kann ich verstehen. Feli ist ja immer noch deine Schwester“, meint Pia. Ich nicke. ,,Lass uns frühstücken und dann holen wir Feli ab. Hat sie dir schon geschrieben?“, fügt sie noch hinzu. Ich schaue kurz auf mein Handy und sehe ihr Nachricht. ,,Ja. Ihr könnt mich um elf abholen. Ihr wisst ja wo“, lese ich ihre Nachricht vor. So ganz geht Pias Zeitplan damit nicht auf. Zum Glück haben wir erst nachmittags Training. So gibt es da keine Komplikationen. Der Vormittag vergeht kriechend langsam.

Endlich machen Pia und ich uns auf den Weg. Feli sitzt in der Eingangshalle des Krankenhauses. ,,Hey, wie geht’s dir?“, begrüßt Pia sie. ,,Besser als gestern. Ich will endlich heim. Mir ist total langweilig“, antwortet sie. Während Pia zu grinsen beginnt, reagiere ich fast gar nicht. Es tut zwar gut zu sehen, dass sie ihren Humor nicht verloren hat, aber trotzdem wirkt sie immer noch etwas blass und kraftlos. Natürlich so eine Gehirnerschütterung geht nicht spurlos an einem vorbei. Das kenne ich ja noch von mir selbst als ich in einem U-20 Freundschaftsspiel gegen die Schweiz eine erlitten hatte. ,,Wie lange bist du jetzt raus?“, fragt Pia, während wir zum Auto laufen. ,,Ich habe jetzt erstmal zweieinhalb Wochen absolutes Sportverbot und dann muss man weiter schauen. Je nachdem wie es sich entwickelt, darf ich dann wieder mit einem leichten Training anfangen oder eben noch länger warten“, erklärt Feli. ,,Das war mir damals ähnlich.“ ,,Stimmt.“

,,Warum bist du so niedergeschlagen?“, fragt Feli. Mittlerweile sind wir wieder in der WG angekommen und Pia und uns zwei Schwestern kurz allein gelassen. ,,Du tust mir so Leid. Du hast das nicht verdient. Und ich weiß nicht. Irgendwie nimmt mich das gerade total mit“, antworte ich. ,,Das muss es nicht.“ ,,Doch“, sage ich. ,,Nein Lou, wirklich nicht. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Mir geht es gut. Ich bin noch etwas angeschlagen, aber es wird immer weiter bergauf gehen“, meint Feli. ,,Ich weiß, aber trotzdem…. Es ist nicht leicht, dich so zu sehen.“ ,,Du bist süß“, lächelt Feli. ,,Ich bin ehrlich“, entgegne ich. ,,Aber auch süß. Komm her“, sagt sie und nimmt mich in den Arm. Dann vibriert mein Handy, das noch auf dem Wohnzimmertisch liegt. Dennoch löse ich mich nicht aus Feli’s Umarmung. Sie ist es schließlich, die sich aus meinem Klammergriff befreit. ,,Darf ich?“, erkundigt sie sich und deutet auf mein Handy. Ich nicke. Feli nimmt sich mein Handy und schaltet es an. ,,Ich würde Mal behaupten Kathy hat die Wette gewonnen“, grinst sie und hält mir den Bildschirm hin. ,,Was?“, frage ich. ,,Eure Wette über die Nationalmannschaft. Kathy hat sie gewonnen“, hilft Feli mir auf die Sprünge. Ich nehme ihr das Handy aus der Hand und öffne die E-Mail, die ich bekommen habe.


Liebe Louisa Rauch,

Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen in unserem nächsten Lehrgang einen Platz in unserem Kader anbieten können. Weitere Details folgen im Anhang. Wir freuen uns Sie #IMTEAM begrüßen zu dürfen.

Mit freundlichen Grüßen
Martina Voss-Tecklenburg + Team


Ich lasse mein Handy fallen und starre Feli quasi fassungslos an. ,,Ja, das ist deine erste Nominierung für die A-Nationalmannschaft“, sagt Feli. So ganz schaltet mein Kopf noch nicht, aber langsam kommt es bei mir an. ,,Ich bin beim Lehrgang dabei?“, fasse ich fragend zusammen. ,,Ja genau. Bei der Nationalmannschaft. Bei der richtigen und nicht nur bei der U-20. Herzlichen Glückwunsch“, erklärt sie. ,,Krass.“ ,,Jetzt freu dich doch endlich“, ruft Feli. ,,Ich bin noch etwas sprachlos. Warum so schnell? Warum jetzt? Warum ich?“, erwidere ich. ,,Weil du, Louisa Rauch eine fantastische Spielerin bist, die es verdient hat ihre ersten Erfahrungen bei der Nationalmannschaft zu machen und darüber darf man sich auch freuen“, grinst sie. ,,Aber du wirst nicht dabei sein“, stelle ich fest und sofort ist die Freude, die gerade endlich fast aufgekommen ist, wieder weg. ,,Das stimmt leider, aber du bist ja nicht alleine. Du kennst die ganzen Mädels von Wolfsburg und Jule und Melly sind ja auch dabei. Und der Rest ist auch total nett. Da wirst du mich wahrscheinlich kaum vermissen“, meint Feli. ,,Ich werde dich immer vermissen. Aber ja, wahrscheinlich hast du Recht“, sage ich. ,,Ich habe immer Recht“, behauptet sie.

Dann klingelt mein Handy. Es ist Jule. ,,Geh ran“, fordert Feli mich auf. Schnell gehe ich rüber in mein Zimmer und nehme dann den Abruf entgegen. ,,Herzlichen Glückwunsch zur Nominierung“, ruft Jule bevor ich etwas sagen kann. ,,Danke dir“, erwidere ich. ,,Ich bin einfach so stolz auf dich. Du hast das vor allem nach diesem Comeback verdient“, meint sie. ,,Ich habe aber wirklich nicht damit gerechnet. Ich wusste nicht Mal, dass das mit dem Kader heute passiert. Dafür war zu viel los gestern und heute.“ ,,Das glaub ich dir. Wie geht es Feli?“, erkundigt sie sich. ,,Den Umständen entsprechend ganz gut. Ich glaube, ich bin tatsächlich die, die sich da gerade mehr Gedanken hat“, antworte ich. ,,So wie ich dich kenne, bist du das definitiv. Aber jetzt hast du ja erstmal Ablenkung“, wirft Jule ein. ,,Das stimmt. Ich muss erstmal darauf klar kommen“, lache ich. ,,Aber glaub mir, es wird grandios werden und ich freu mich so, dass du endlich mit dabei bist. Dann sehen wir uns endlich Mal wieder für einen längeren Zeitraum wieder.“ ,,Oh ja, darauf freue mich echt mega. Das wird bestimmt toll werden.“

Flowers need time to bloomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt