Auch das Spiel gegen Schweden können wir gewinnen. Wieder werde ich in der zweiten Hälfte eingewechselt und kann die Vorlage für unser zweites Tor geben. Wir gewinnen 2:0. Ich bin immer noch etwas überwältigt von den beiden Spielen. Doch auch ein etwas anderes Gefühl breitet sich in mir aus. Unbehagen. Seit der Pressekonferenz hat sich Jule von mir distanziert. Ich weiß, woran es liegt, aber sie lässt nicht mit sich reden. Immer wenn ich es versuche, hat sie plötzlich etwas anderes vor. Sie sucht auch nicht mehr den Kontakt zu mir alleine, wie in den vorherigen Tagen. Es liegt eindeutig an dieser Pressekonferenz. Diese hat in den sozialen Medien einiges ausgelöst. Es ist den Kameras nicht entgangen, dass Melly währenddessen einmal meine Hand genommen hat, auch wenn wir dachte, wir hätten es tief genug unter dem Tisch getan. Zusätzlich gibt es Video-Zusammenschnitte von unsere Blicken, die wir uns zuwerfen und wenn man will, kann man da etwas reininterpretieren. Ich nicht. Aber andere wollen es wohl gerne so haben. Gleichzeitig hat sich die Bild-Zeitung eingeschaltet und sowohl einen Bericht über Jule und mich und über Melly und mich veröffentlicht. Es nervt mich, dass sich schon wieder alle auf diese Aussagen drauf stürzen und über was weiß ich was alles spekulieren wird. Aber noch mehr nervt es mich, dass Jule nicht mit sich reden lässt. Ich weiß, dass sie von den Spekulationen beunruhigt ist. Klar, ich verbringe viel Zeit mit Melly, aber nur weil wir uns ein Zimmer teilen und eben gut befreundet sind. Mehr ist da nicht. Ganz definitiv nicht.
Doch viel Zeit um Jule das zu erklären, bleibt nicht. Es ist schon der nächste Morgen und wir packen unsere Sachen zusammen. Dann geht es zum Frühstück, wo wir die anderen, die nicht in unseren Vereinen spielen, zum letzten Mal sehen. Von Schweden aus, fliegen wir getrennt, je nach dem wo wir hin müssen. Jule und ich werden so in verschiedene Flieger steigen. Zuvor will ich es aber beim Frühstück nochmal versuchen. Erstmal hält aber Martina nochmal eine Ansprache und danach bekommen wir alle unsere Zettel mit dem individuellen Feedback des Trainerteams. Bei unseren Vereinen werden wir dann genauer darauf eingehen. Das ist immer so bei der Nationalmannschaft, dass in den Vereinen auch an den Kritikpunkten der Nationaltrainerin gearbeitet wird. Als ich vor zum Buffet gehe, will ich Jule darauf ansprechen, aber sie kommt mir zuvor. ,,Könnte ich vielleicht nachher mit zu euch kommen? Ich habe heute spontan noch einen Termin in Wolfsburg und fliege somit mit euch nach Wolfsburg und dann morgen erst nach Hoffenheim.“ ,,Ja klar. Kein Ding. Was hast du denn für einen Termin?“, erwidere ich. ,,Das darf ich noch nicht sagen.“ Damit beginnt sie sich ihr Frühstück zu nehmen und das Gespräch ist beendet. Das hat ja ganz toll funktioniert.
,,Dann sehen wir uns hoffentlich erstmal Ende Mai im Champions League Finale und dann im allerbesten Fall im Juni zur Olympia Vorbereitung“, meint Melly und nimmt mich in den Arm. Sie muss gleich los zu ihrem Flugzeug, so dass jetzt wirklich der Abschied ansteht. ,,Ich hoffe es Mal. Dann sehen wir uns ja schon relativ bald wieder“, sage ich und drücke sie an mich. ,,Bis dann!“ Zusammen mit den anderen Wolfsburgerinnen und Jule muss ich noch etwas länger am Flughafen warten. Das ist nicht wirklich fördernd für meine Flugangst, aber immerhin ist Feli bei mir. Das gibt mir immer Sicherheit.
Zurück in Wolfsburg schreibe ich Eva wegen des Gesprächs über meine Leistung bei der Natio. Das ist der grundlegende Punkt, wenn es darum geht, die Kritikpunkte von Martina umzusetzen. Auch im Oktober hatten wir das gemeinsam gemacht, so dass das auch diesmal der Fall sein wird. Jule verabschiedet sich direkt am Flughafen und meinte, dass sie, wenn ihr Termin beendet ist, zu uns kommt. Als wir in der WG ankommen, hat mir Eva schon zurückgeschrieben. ,,Ich fahre in drei Stunden nochmal zum Trainingszentrum und habe da direkt das Gespräch mit Eva“, erzähle ich Feli. Diese nickt nur. ,,Es wird ja schon jemand da sein, wenn Jule kommt. Was hat sie eigentlich für einen Termin?“ ,,Das habe ich sie auch schon gefragt. Aber sie durfte es mir nicht sagen. Sie hat sich allgemein von mir distanziert.“ ,,Das ist mir nicht entgangen und ich weiß auch, woran das liegt. Willst du ihr das nicht erklären?“ ,,Will ich doch, aber sie lässt mich nicht!“, rufe ich aus. ,,Dann ist ihre Übernachtung hier ja die perfekte Gelegenheit“, meint Feli. ,,Wenn ich nach dem Gespräch mit Eva immer noch gut drauf bin, dann ja“, entgegne ich. ,,Lou, es gibt keinen Grund für dich, danach nicht gut drauf zu sein! Du hast fantastisch gespielt! Dein ganzer Lehrgang war fantastisch! Da wird nicht so viel Schlechtes drauf stehen."
Feli behält Recht. Das Gespräch mit Eva ist tatsächlich sehr positiv. Oder besser gesagt das Feedback und die Kritikpunkte, die Martina notiert hat, sind sehr positiv. Sie schien wirklich sehr begeistert gewesen und auch Eva sieht das so. Sie hat unsere Spiele geschaut und auf ihre Schützlinge wirft sie natürlich besonders ein Auge. Gut gelaunt radele ich zurück nach Hause. Dort ist Jule auch schon da. Während sie mit Pia redet, erzähle ich Feli von dem Gespräch mit Eva, um die anderen beiden nicht zu unterbrechen. ,,Können wir reden?“, frage ich dann schließlich. Jule nickt und wir gehen in mein Zimmer. ,,Was gibt’s?“, erkundigt sich Jule. ,,Das fragst du noch?!“, rufe ich. ,,Warum distanzierst du dich bin mir?“ ,,Du bist doch die, die mehr Kontakt zu….“, setzt Jule an, doch verstummt dann. ,,Darf ich es dir erklären?“ ,,Ich hätte sehr gerne für das zwischen dir und Melly eine Erklärung“, sagt sie spitz. ,,Die bekommst du und es ist auch ganz einfach. Da ist nichts.“ ,,Ach ja? Das heißt die Blicke und das Händchen halten bei der Pressekonferenz bezeichnet ihr als nichts?“, hakt sie nach. ,,Jule, wirklich. Es ist nichts. Bei dieser Pressekonferenz. Du weißt, dass ich extrem nervös war. Die Presse und ich sind einfach keine Freunde, wie man auch jetzt wieder sieht. Melly als erfahrene Spielerin hat mir beim ersten Lehrgang schon sehr geholfen und so haben wir uns auch sehr schnell angefreundet. Diese Freundschaft ist eben ziemlich eng und so hat sie mir dann auch bei der Pressekonferenz geholfen. Ich war während der ganzen Zeit in diesem Raum total unsicher und überfordert mit allem und dazu gab es Fragen, bei denen ich wirklich Schiss hatte sie zu beantworten. Da hat Melly dann kurz meine Hand genommen, um mir Mut zu machen. Wir wussten wirklich nicht, dass man das sieht. Wir dachten echt, dass das unbemerkt unter dem Tisch war“, verteidige ich mich. ,,Und was waren das dann für Blicke? Ich bin wirklich nicht blind, dass ich das nicht sehe“, giftet Jule. ,,Das könnte ich dir mit Sara genauso vorhalten. Wenn man Fragen zum Teamzusammenhalt gestellt bekommt oder es um die Spielerinnen selbst geht, dann lacht man sich eben Mal an. Das war ein ganz normales Grinsen, das nichts zu bedeuten hatte.“ ,,In den Videos in den Sozialen Medien sah das aber andere aus.“ Jule hebt eine Augenbraue. ,,Wenn so etwas bearbeitet wird, sieht es ganz anders aus wie es wirklich war. Zeitlupen und verschiedene Zusammenschnitte verändern da einiges. Warum schaust du dir das überhaupt an?! Rede doch einfach direkt mit mir“, rufe ich. ,,Ich….keine Ahnung. Ich habe das gesehen und dann hat das eben etwas mit mir gemacht. Auf Instagram gibt es doch schon lange ganz viele Beiträge von Fanseiten über dich und Melly.“ ,,Das ist keine Entschuldigung. Rede nächstes Mal bitte einfach mit mir“, sage ich. ,,Mache ich. Ich hatte einfach Angst“, erwidert sie und senkt den Kopf. ,,Alles ist gut. Wirklich. Du bist die einzige, für die ich das empfinde, was ich für dich empfinde. Niemand kommt an dich ran. Und wichtig ist, dass wir zwei das wissen. Was die Medien sagen, ist egal. Und du weißt jetzt auch, dass es nur dich gibt und mit Melly wirklich absolut nichts läuft. Ich hoffe doch einfach, dass du mir vertraust“,,Das tue ich. Wirklich. Danke, dass wir das klären konnten. Ich hätte jetzt echt nicht streiten wollen. Nicht heute, wo ich meinen Vertrag unterschrieben habe.“ Ein kleines Lächeln erscheint auf ihren Lippen. ,,Warte was?“ ,,Ich darf es eigentlich nicht erzählen, aber ich will, dass du es jetzt schon weißt. Ich hatte vorhin einen Termin beim VfL. Du weißt ja, dass ich schon öfter hier Termine hatten. Die hingen mit einem möglichen Wechsel zusammen und jetzt ist es fix. Ich komme zu VfL. Ich komme zu dir. Wir spielen zusammen im Verein“, erklärt Jule. ,,Echt jetzt? Wie cool ist das denn?!“, rufe ich, überwinde den Abstand zwischen uns und falle ihr um den Hals. Dann berühren sich unsere Lippen. Jule kommt nach Wolfsburg. Ich habe es die ganze Zeit gehofft und jetzt ist die Bestätigung da. Zum Glück konnten wir unseren kleinen Konflikt schon klären.
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Flowers need time to bloom
FanfictionEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...