,,Wie geht’s dir?“, frage ich, als wir uns wieder voneinander lösen. ,,Gut. Die Anreise war etwas anstrengend, aber ich bin froh endlich hier zu sein. Wie geht’s dir?“ ,,Mit geht’s auch gut. Ich freu mich hier beim Lehrgang dabei zu sein“, erwidere ich. ,,Ja, das ist echt cool, dass MVT (Martina) dich direkt wieder nominiert hat. Aber auch völlig verdient. Du bist ja sofort wieder durchgestartet. Was waren das seit deinem Comeback? Drei Tore und vier Assists? Das kann sich echt sehen lassen“, meint Melly. ,,Danke dir.“ Ich bin selbst ziemlich überrascht davon, wie gut ich wieder zurückbekommen bin. Aber das beflügelt mich einfach nur noch mehr. Genau an diese Leistung will ich anknüpfen. Während Melly beginnt ihre Sachen auszupacken, reden wir munter weiter. Es gibt einiges aufzuholen. Melly will jegliche Details zu meinem Comeback wissen, während ich sie über ihre letzten Wochen bei Chelsea ausquetsche. Als sie fertig ist mit auspacken, gehen wir nach draußen, wo einige der anderen zusammen sitzen. Ich setze mich zu Jule, neben der noch ein Platz frei ist. ,,Na? Alles gut?“ ,,Klar und bei dir?“, entgegne ich und lege meine Hand auf ihren Oberschenkel. ,,Auch“, grinst sie mich an. Wir reden eine ganze Weile und ich merke, wie ich entspannter werde. Irgendwie war ich doch ziemlich angespannt am Anfang. Aber klar, ich bin hier die jüngste und unerfahrenste und will da auf keinen Fall etwas falsch machen. Doch langsam komme ich wieder hier im Team an. Viele kenne ich ja von Wolfsburg und auch so lernt man sich im Laufe der Zeit in der Liga und eben bei meinem ersten Lehrgang etwas kennen.
Schon geht es für uns aber ins erste Training. Während wir uns fertig machen, werde ich wieder etwas nervöser. Hoffentlich kann ich mich dieses Mal schneller an das Tempo und alles anpassen. Auch wenn ich mit ja keine konkreten Ziele gesetzt habe, will ich trotzdem gute Leistungen bringen und das auch im Training. ,,Alles wird gut“, meint Melly, als wir unser Zimmer verlassen. Zusammen mit Paulina, Jule, Feli und Svenni machen wir uns auf den Weg zum Trainingsplatz, der hier zum Glück zu Fuß erreichbar ist. Da es schon später Nachmittag ist, ist es relativ frisch. Es ist ja doch erst Ende März. In wenigen Tagen beginnt der April. Dann sollte es ja langsam wirklich wärmer werden. Wir sind mit die ersten am Platz, so dass wir noch etwas reden können. Dann geht es los. ,,Willkommen zum ersten Training. Wir beginnen, wie vorhin schon angekündigt, heute mit einer entspannten Einheit. Ihr alle habt anstrengende Wochen und teilweise lange Anreisen in den Kochen, so dass wir heute nichts herausforderndes machen wollen. Es geht lediglich darum sich wieder an das Training in der Nationalmannschaft zu gewöhnen und auch wieder mit sonstigen Vereinskolleginnen zusammen zu trainieren“, erklärt Martina. Wir nicken. Das klingt wirklich gut. ,,Dann lauft direkt Mal vier Runden um den Platz. Dann finden wir uns hier wieder ein!“ Wir setzen uns in Bewegung. Währenddessen können wir noch etwas miteinander reden. Es ist ein lockeres Warmlaufen und daher nichts besonderes anstehendes. Während wir laufen, stellen die Trainer schon Hütchen auf. Zwischen diesen dürfen wir nun mit verschiedenen Übungen hin und her laufen. Ein klassisches Aufwärmen eben. Das versichert es mir aber auch, dass es heute wirklich einfach gehalten wird. Dadurch wird auch meine Nervosität geringer und ich kann das Training schon fast genießen. Es fühlt sich toll an hier zu sein. Irgendwie ist es schon ein bisschen wie in einem Traum. Ich stehe hier zwischen den besten Fußballerinnen Deutschlands und bin ein Teil davon. Das fühlt sich immer noch sehr unwirklich an und das wird sich auch so schnell sich nicht ändern. Nach dem Aufwärmen, dass wir mit individuellem Dehnen abgeschlossen haben, geht es weiter mit einigen kleinen Passformen, die aber wirklich unkompliziert sind. Martina betont sich wieder, dass es mir darum geht, ein Gefühl für das Training zu bekommen und sich nach den langen Anreisen etwas zu bewegen. Trotzdem machen wir am Ende noch ein paar Torschüsse. Das ist natürlich mein Lieblingsteil von jedem Training. Gerade heute macht es besonders viel Spaß. Ich will mich schon zeigen und es läuft wirklich gut. ,,Tolle Abschlüsse. Mach die nächsten Tage weiter so“, lobt mich Martina am Ende des Trainings.
,,Was machst du jetzt eigentlich heute Nachmittag?“, frage ich Jule. Es ist der nächste Vormittag und wir hatten gerade unsere erste Einheit auf dem Platz. Diese war schon deutlich härter als die von gestern, aber trotzdem war es nicht schlimm und hat total viel Spaß gemacht. Mit Ausnahme von einer Einheit im Kraftraum haben wir den Nachmittag frei. ,,Ich muss nachher zusammen mit Lea zur Pressekonferenz. Da bleibt nicht mehr so viel Zeit für anderes. Aber wir können uns im Hotelgarten irgendwo hinsetzen und das schöne Wetter genießen“, antwortet Jule. ,,Gerne. Darf man mitkommen zur Pressekonferenz? Ich habe sowas noch nie erlebt.“ ,,Soweit ich weiß schon. Es waren schon öfter Spielerinnen im Nebenraum dabei.“ Und so verfolge ich zusammen mit Sjoeke die Pressekonferenz im Nebenraum. Es ist schon ziemlich interessant Mal dabei zu sein. Ich habe das noch nicht erlebt und der Gedanke, dass ich selbst irgendwann dort sitzen könnte, macht mir schon etwas Angst. Die Presse und ich sind einfach noch keine Freunde geworden. ,,Eine Frage an Jule. Du bist ja nach Louisa Rauch die nächst jüngste. Wie nimmst du sie hier wahr und kannst du ihr auch in manchen Situationen, die bei dir als Küken ähnlich waren, helfen?“, fragt ein Journalist. Irgendwie löst die Frage ein Unbehagen in mir aus. Soll das etwa eine Anspielung auf unsere ,,mögliche“ Beziehung sein? Über den Bildschirm sehe ich, dass Jule auch kurz verunsichert ist, aber dann lächelt sie. ,,Ich muss schon sagen, dass mich Lous Erfahrungen schon manchmal an meine eigenen erinnern. Wenn man in so jungen Jahren schon zur Nationalmannschaft eingeladen wird, dann ist das auf jeden Fall etwas sehr besonderes. Man steht da und sie die ganzen Spielerinnen um sich herum, zu denen man selbst vielleicht sogar aufgeschaut hat. Das beindruckt natürlich. Aber Lou schlägt sich hier wirklich gut. Sie macht das wirklich toll und schon heute im Training hat man gesehen, dass die an die Leistung anknüpfen will, die sie in den letzten Ligaspielen gezeigt hat.“ Ich muss grinsen. Das hat Jule echt schön gesagt. Ich selbst habe immer nur meine eigene Wahrnehmung. Aber dann von anderen zu hören, dass ich mich hier gut schlage, ist extrem schön. Vor allem wenn es Jule ist, die das sagt. Sie meint das wirklich so, definitiv. Und außerdem hat sie das Beziehungsding geschickt umgangen. Erleichterung macht sich in mir breit. Wahrscheinlich habe ich einfach wieder zu viel reininterpretiert.
DU LIEST GERADE
Flowers need time to bloom
FanfictionEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...