Flowers need time to bloom

21 | Support

Ich spüre die Tränen in mir aufsteigen, aber ich kann sie noch zurückhalten. ,,Wie schlimm ist es genau? Und muss sie operiert werden?“, fragt Feli. ,,Nein, eine Operation muss zum Glück nicht durchgeführt werden. Wäre der Meniskus durchgerissen, wäre das zwingend notwendig gewesen, aber so geht es auch ohne. Allerdings steht dir eine lange Reha Phase bevor“, erklärt der Arzt. ,,Wie lange?“, erkundige ich mich leise. ,,Fünf Monate werden es auf jeden Fall werden. Im schlimmsten Fall sogar noch länger. Es wird jetzt aber erstmal zwei oder drei Wochen schon dauern bis du überhaupt mit ersten Übungen anfangen darfst.“ Ich nicke. Fünf Monate. Das ist extrem lange. Und es heißt ja auch noch mindestens. ,,Den genauen Reha Plan schicke ich dem Verein zu und Sie werden zu regelmäßigen Kontrollen hierher kommen müssen. Sie bekommen noch eine Schiene, die Sie in den nächsten Wochen tragen müssen“, fährt er fort. Wieder nicke ich. Die Schiene wird wohl noch meine beste Freundin in der nächsten Zeit werden. Ich hasse sie jetzt schon. Ich werde alles hassen in der nächsten Zeit. Vielleicht hatte ich noch Glück, aber trotzdem es ist einfach richtig mies. Auch wenn der Meniskus nicht komplett durchgerissen ist, ist die Saison so gut wie gelaufen, zumindest der Großteil. Ich werde wohl mindestens bis März ausfallen und dann steht nur noch die heiße Phase an, in der man bei jeglichem Titelgewinn alles geben muss und da werde ich als Rückkehrerin wohl kaum eingesetzt werden. Nochmal können mir die Trainier das Vertrauen nicht schenken. Ich habe sie jetzt schon enttäuscht. Ich habe alle enttäuscht. Und am meisten mich selbst. Ich hätte wirklich nicht spielen dürfen. Ich hätte vernünftig sein müssen, aber ich war es nicht.

Zurück in der Wohnung fange ich sofort an zu weinen. Während dem gesamten Besuch im Krankenhaus habe ich alles zurückhalten können. Ich wollte vor dem Arzt keine Schwäche zeigen. Aber jetzt brechen bei mir alle Schleusen. Feli nimmt mich sofort in den Arm. ,,Es ist okay“, flüstert sie. ,,Was ist okay?“, schluchze ich. ,,Zu weinen. Lass alles raus. Du wirst dich danach besser fühlen, aber lass uns uns bitte hinsetzen. Du sollst dein Knie nicht zu lange belasten.“ Vorsichtig gehe ich zum Sofa. Feli folgt mir. Jetzt sitzen wir wieder da wie gestern Abend. Nur, dass ich jetzt eben weiß, was ich angerichtet habe. Ich habe meine Diagnose. Ich weiß, wie lange ich ausfallen werde. Ich sollte es einfach hinnehmen, aber ich kann es nicht. Ich hinterfrage immer noch meine dumme Entscheidung zu spielen. Ich hätte es nicht tun sollen, hätte auf Feli hören sollen. Ich muss mich zusammenreißen und es hinnehmen. Das schulde ich jetzt allen. Ich darf nicht zurück in das Loch fallen, obwohl ich genau weiß, dass ich direkt am Abgrund stehe. Ich muss erwachsen handeln. Ich bin achtzehn. Ich sollte langsam mit Rückschlägen umgehen können. Ich sollte es einfach akzeptieren, dass ich ewig ausfallen werde und nicht deswegen heulen. Ich verhalte mich wie ein kleines Kind. Feli hat gesagt, es sei okay zu weinen, aber das ist es nicht. Ich will stark sein und nicht diese schwache Mädchen, um das man sich kümmern muss. Ich war das schon viel zu oft. Ich musste immer behütet werden und immer war irgendwas. Ich kann nicht schon wieder die fragile flower sein. Es kann nicht sein, dass schon wieder etwas mit mir ist. Endlich sind die Tränen versiegt. ,,Besser?“, fragt Feli. ,,Geht“, antworte ich. ,,Ich sollte Mal bei Tommy anrufen“, füge ich hinzu. ,,Mach das.“

Das Gespräch verläuft Recht kurz. Tommy wusste durch den Arzt schon Bescheid und hat mir sein Mitgefühl ausgedrückt. Der Verein werde mich unterstützen und so weiter. Was soll der Verein auch anderes machen? Ich beschließe selbst noch etwas auf Instagram zu Posten. Der Account vom VfL hat dies auch schon getan, aber ich sollte selbst auch noch etwas schreiben.

Lourauch3: Shit happens. Leider habe ich mir im gestrigen Spiel das Innenband gerissen und dazu meinen Meniskus angerissen. Die Enttäuschung ist gerade groß, aber ich werde weiter kämpfen und zurückkommen. Stolz auf unser Team! Ihr wart grandios gestern <3

@feli_rauch: Always by your side Schwesterchen <3

@jule_brand: You’ve got this <3

@kathy_hendrich: Kämpferin!

@melanie_leupolz: What doesn’t kill you makes you stronger!!

@tabea.wassmuth: #comebackstronger

@sjo_nue: Immer an deiner Seite : )

Und nicht nur in den Kommentaren erfahre ich diese Unterstützung. Ich bekomme auch so einige Nachrichten.

Jule: Heyyy, oh man Lou, das tut mir so Leid für dich. Du hast das echt nicht verdient. Aber du schaffst das und egal was ist, du kannst dich immer an mich wenden. Ruf mich einfach an, wenn du irgendetwas brauchst. Ich bin immer für dich da <3

Ich: Danke dir. Ich werde eventuell drauf zurückkommen. Love you.

Jule: Love you too! Pass auf dich auf ja?

Ich: Ich gebe mein bestes

Und auch von Sjoeke kam eine Nachricht.

Sjoeke: Oh man, das mit deinem Knie ist ja Mal richtig kacke. Wünsche dir ne gute Besserung und hoffe du kommst ganz schnell zurück. Always got your back!

Ich: Dankeschön. Hab dich lieb!

Sjoeke: Ich dich auch. Du schaffst das Lou!

Irgendwie sind diese Nachrichten genau das, was ich gerade brauche. Aber trotzdem fühlt es sich so an, als würde ich gerade Versprechen geben, die ich nicht halten kann. Kann ich wirklich weiter kämpfen? Kann ich wirklich nochmal zurückkommen? Es ist unglaublich diesen Support gerade erfahren zu dürfen, aber jetzt muss ich ihn wirklich extrem aufsaugen und mich daran festhalten. Ich darf niemanden enttäuschen. Ich muss es schaffen. Die Frage ist nur wie.