Flowers need time to bloom

62 | Geburtstag

,,Happy Birthday to you, Happy Birthday to you, Happy Birthday Liebe Lou, Happy Birthday to you!“, werde ich am nächsten Morgen singend geweckt. Verschlafen öffne ich die Augen. Da stehen Jule, Merle und Sara vor dem Bett und strahlen mich an. Ich Jules Händen erkenne ich sowas wie eine kleine Box. ,,Dankeschön“, sage ich und richte mich auf. Nacheinander werde ich von den dreien umarmt. ,,Alles Gute mein Engel! Auf ein neues Lebensjahr mit dem Erlebnis Olympia und ganz vielen weiteren tollen Momenten. Ich liebe dich“, wünscht mir Jule, als sie mich umarmt. Dann gibt sie mir die Box. Ich ziehe die Schleife auf und hebe dann den Deckel. Zum Vorschein kommen Ohrringe in der Form eines Fußballs verschmolzen mit einem Herz. ,,Wow, die sind wunderschön“, flüstere ich. ,,Gefallen sie dir?“ ,,Oh ja. Die sind einfach perfekt.“ Ich umarme Jule erneut. ,,Danke dir“, sage ich, bevor ich sie küsse. Es ist mir egal, dass Sara und Merle noch im Raum stehen. Als wir uns voneinander lösen, merke ich, dass sie das gar nicht mehr tun. Wahrscheinlich sind sie ins Bad gegangen. Trotz allem sollten wir trotzdem pünktlich beim Frühstück erscheinen. Heute stehen wieder zwei Einheiten an. Ich beantworte noch schnell ein paar Nachrichten auf meinem Handy und gehe dann mit Jule zusammen auch ins Bad.

Schon auf dem Weg zum Hauptgebäude treffen wir auf ein paar Mädels. Feli ist nicht unter ihnen. Vielleicht ist sie einfach schon da. Dies bestätigt sich, als ich die Mensa betrete. Feli steht zusammen mit Pia, Kathy, Svenni, Melly und Sjoeke an einem Tisch, an dem zwei Luftballons befestigt sind. Als ich auf die Mädels zu laufe, sehe ich noch ein Kuchenblech auf dem Tisch stehen. Wieder wird für mich gesungen. Das ist jetzt schon mit Abstand der beste Geburtstag, den ich je hatte. Mir kommen schon fast die Tränen. ,,Alles Gute!“, ruft Kathy als erste. Wieder werde ich einige Male umarmt. Diese Wertschätzung zu spüren, ist einfach unglaublich. So etwas habe ich bisher wirklich noch nicht erleben dürfen. Die letzten zwei Geburtstage waren zwar auch schon in einem ähnlichen Umfeld, allerdings war der erste geprägt von Selbstzweifeln und letztes Jahr waren eben auch sehr viele durch die WM bei ihren Nationalteams in der Vorbereitung. Und jetzt bin ich selbst bei so einer Vorbereitung dabei und darf hier meinen Geburtstag feiern. Es ist ein besonderes Gefühl. Auch wenn der Alltag natürlich weiter geht. Wir frühstücken wie immer alle zusammen. Der Kuchen wird nicht angerührt. Heute Abend dürfen wir uns als Nachtisch aber alle ein Stück nehmen. Auch vom Trainerteam kommen Glückwunsche. ,,Du bist echt süß“, bemerkt Feli irgendwann. ,,Ich bin gerade einfach nur glücklich“, sage ich. ,,Das sieht man dir an und das freut mich wirklich.“

Nach dem Frühstück haben wir noch kurz etwas Pause und dann geht es für uns in den Kraftraum. Wir wissen alle noch nicht genau, was heute auf uns zu kommt, aber dafür gibt es ja Martina, die uns das erklärt. ,,Wie ihr wisst, haben wir heute zwei Einheiten. Bei beiden werden den Fokus auf Passsicherheit haben. Das ist ein wichtiger Punkt in unserem Spiel, den wir aber noch nicht gesondert betrachtet haben. Dabei ist das so wichtig. Wir werden sowohl in der Gruppenphase als auch im weiteren Turnierverlauf auf sehr gute Gegner treffen, die uns auch sehr hoch anlaufen werden. Da ist es wichtig sich unter Druck saubere und überlegte Pässe zu spielen. Und auch vorne im Sturm werden genaue Pässe der Schlüssel zu guten Torchancen sein. Deswegen haben wir hier die Möglichkeit den Footballnauten zu nutzen. In der ersten Einheit jetzt werden wir euch zwei teilen. Die einen machen einen kleinen Kraftzirkel, die anderen Arbeiten am Footballnauten an ihrer Präzision bei Pässen. Heute Nachmittag trainieren wir dann zusammen in verschiedenen Spielformen, um das alles in die Praxis umzusetzen.“ Wir werden in Jung und Alt unterteilt. Wir jungen dürfen zuerst zum Footballnauten. Das ist ein Raum, in dem per Zufall aus verschiedenen Richtungen Bälle von einer Maschine zugespielt werden, die kam dann an bestimmte Punkte an der Wand möglichst präzise schießen muss. Dazu erscheint ein farbiger Punkt an gewollten Ort. Aufgrund dessen, dass diese ganze Anlage so riesig ist, wundert es mich nicht, dass es gleich zwei dieser Dinger gibt. So kommen wir aber schneller durch. Jede hat 5 Minuten und schon ist eine knappe halbe Stunde Training gefüllt. Danach werden wir noch in Zweiergruppen geteilt und müssen zusammen hinein. Von außen wir dann bei jedem neuen Ball ein Name gerufen. Die Spielerin muss den Ball annehmen und zur anderen zuspielen. Diese muss dann den Punkt treffen. Ich bin zusammen mit Sjoeke und es ist total lustig. Zu den sauberen Pässen wird auch die Reaktionsschnelligkeit trainiert. Doch es ist auch etwas anstrengend. Vor allem ist es viel für den Kopf. Es ist ziemlich vieles, worauf man sich gleichzeitig konzentrieren muss. Aber im Spiel ist es ja genauso. Deswegen ist es wirklich gut, dass wir das heute machen. Nur die anschließende Einheit im Kraftraum hätte nicht sein müssen. Wobei die gut ist, um den Kopf wieder etwas runterzufahren.

Nachmittags in der zweiten Einheit setzen wir dann bei dem an, was wir morgens angefangen haben. Nach dem klassischen Aufwärmen geht es mit einigen Runden Esel in der Mitte weiter. Dann gehen wir kleine Spielformen, bei denen es immer darauf ankommt möglichst viele Pässe am Stück zu spielen ohne, dass das andere Team den Ball bekommt. Es ist Mal ein etwas anderes Training, aber macht trotzdem sehr viel Spaß. Auch Martina scheint sehr zufrieden mit uns. ,,Dann habt ihr euch Lous Kuchen heute Abend jetzt wirklich verdient“, sagt sie am Ende des Trainings. Was ein passender Tag, um Geburtstag zu haben. Vor allem, weil der Kuchen total lecker ist. Da hat das Team in der Küche wirklich etwas ganz tolles gezaubert. Anschließend setzen wir uns nach draußen auf die Terrasse und schauen das Finale der EM der Männer zwischen England und Frankreich. Auch wenn das Turnier hier in Deutschland war, haben wir es aufgrund unserer eigenen Vorbereitungen nicht geschafft ein Spiel im Stadion zu schauen. Die Deutschen sind allerdings schon im Viertelfinale ausgeschieden, sonst wären wir wahrscheinlich für deren Halbfinale nach München ins Stadion gefahren. So schauen wir eben wieder ein Spiel hier am Homegrund. ,,Kommst du kurz mit?“, fragt Feli mich in der Halbzeitpause. ,,Klar“, antworte ich und stehe von meinem Sitzsack auf. Schnell gehen wir zu ihrem Häuschen. Mir fällt auf, dass ich von Feli noch gar kein Geschenk bekommen habe. Melly, Pia und auch Kathy und Sjoeke haben mir alle eine Kleinigkeit geschenkt. Feli nicht und das ist mir nicht Mal aufgefallen, so unwichtig war das für mich. Es ist schon ein Geschenk genug überhaupt zu wissen, dass sie meine Schwester ist. ,,Warte kurz draußen“, meint sie und ich bleibe auf der Terrasse stehen. Durch die Bäume erkennt man ganz leicht den rot-orange gefärbten Himmel. Mit einem kleinen Päckchen in der Hand kommt Feli wieder raus. Es sieht aus wie ein Buch. ,,Hier. Das ist noch für dich“, sagt sie leise. Ich nehme das Päckchen entgegen und öffne vorsichtig das Geschenkpapier. Heraus kommt ein Fotobuch. Vorne ist ein Bild von uns beiden. Pia hat es im Urlaub von uns gemacht, als wir nebeneinander am Strand saßen, die Arme umeinander gelegt. Ich schlage die erste Seite auf und sehe Fotos, die ich noch nie gesehen habe. Fotos von mir als Baby. Manche von mir alleine, manche mit meinen leiblichen Eltern und ganz viele mit meiner großen Schwester, mit Feli. Jetzt weine ich wirklich. ,,Ich finde, es ist an der Zeit, dass du diese Bilder bekommst. Jetzt, wo wir zusammen so ein Turnier spielen dürfen. Ich hoffe, es gefällt dir“, sagt sie. ,,Ich…Danke. Einfach nur Danke. Das ist unglaublich“, erwidere ich und umarme Feli. Es ist mehr als der beste Geburtstag aller Zeiten.