Jubel kommt auf und ich merke, wie sich bei mir die erste Welle an Anspannung löst. Wir versuchen es ruhig anzugehen und beginnen so mit einem kontrollierten Spielaufbau in unserer Defensivreihe. Arsenal läuft noch nicht wirklich an und agiert selbst ähnlich, wenn sie an den Ball kommen. Kommentatoren würden es jetzt als abtasten betiteln. Doch dann entwickeln wir etwas mehr offensiv Lust. Wir spielen unsere Lieblingskombination. Kathy spielt den langen Ball vor zu Becks, die nach kurzem Dribbling zu mir spielt. Ich nehme mehr Tempo auf und gehe ins eins gegen eins mit Leah Williamson. Dann spüre ich den Kontakt an meinem Fuß und schon liege ich auf dem Rasen. Die Schiedsrichterin pfeift, zurecht. ,,Alles gut?“, fragt Becks. ,,Ja passt“, erwidere ich und stehe wieder auf. Durch das Foul haben wir jetzt einen Freistoß zwei Meter von der Strafraumkante entfernt. Das ist einer für Feli. ,,Direkt?“, frage ich sie, als ich kurz zu ihr gehe. Feli nickt. Sie nimmt ihren üblichen Anlauf, die Schiedsrichterin gibt den Ball frei und dann schießt Feli. Der Ball senkt sich wunderschön ins obere linke Ecke. Keine Chance für die Torhüterin. ,,Jaaaa!“, rufe ich und springe Feli auf den Rücken. Auch die anderen kommen zu Feli, um mit ihr gemeinsam zu jubeln. Es ist definitiv wichtig schon früh ein Tor zu erzielen. Zum einen ist es für uns einfacher weiter zu spielen, zum anderen setzt man den Gegner noch mehr unter Druck. Das spürt man jetzt auch bei Arsenal. Man merkt, dass sie angespannter sind und viele Pässe kommen nicht da an, wo sie eigentlich hin sollen.
Die Zeit plätschert so vor sich hin und so langsam geht es in Richtung Halbzeitpause. Arsenal ist in der eigenen Hälfte im Ballbesitz, doch dann kommt der Fehlpass. Svenni fängt den Ball ab und auch ich schalte blitzschnell um. Ich zeige Svenni an, wo ich den Ball haben will und starte dann meinen Lauf durch die Lücke zwischen den beiden Innenverteidigerinnen von Arsenal. Svenni spielt mir im richtigen Moment den Ball zu. Die Torhüterin kommt raus, doch ich ahne genau, was sie vorhat. Ich lupfe den Ball über sie drüber und sehe wie der Ball ins Tor fällt. Ich weiß gar nicht wohin mit mir. Ich renne in Richtung unseres Fanblocks und springe dann mit geballter Faust in die Höhe. ,,Yes!“, brülle ich. ,,Let’s Go!“, ruft Tabsi, die als erste bei mir ist. Nun kommen auch die anderen Mädels angerannt und umringen mich. ,,Youngstar!“, höre ich Kathy rufen. Wenige Minuten später ist die erste Halbzeit schon zu Ende. Wir gehen in die Kabine. ,,Das hast du ganz toll gemacht“, lobt mich Feli. ,,Danke dir. Es macht so viel Spaß hier zu spielen.“ Das meine ich wirklich so. Meine Nervosität ist schon in den ersten Minuten komplett verschwunden. Ich habe jede Sekunde da draußen bisher genossen. Die Atmosphäre ist unglaublich und auch unsere Einstellungen stimmt bei uns einfach. Auch Merle klopft mir anerkennend auf die Schulter. Ich merke selbst, dass ich voller Adrenalin bin. Trotzdem kann ich etwas runter fahren und lausche konzentriert Tommys Ansprache. Viel zu sagen hat er nicht. Es läuft ja bisher auch sehr gut.
Schnell sind die fünfzehn Minuten Pause wieder vorbei und wir gehen wieder raus auf den Rasen. Diesmal hat Arsenal den Anstoß und sofort machen sie Druck. Klar, die müssen jetzt wirklich liefern und mindestens zwei Tore aufholen. Doch erstmal sind sie weniger gefährlich. Dennoch müssen wir extrem aufpassen. Ein Tor und das Spiel kann kippen. Immerhin kommen wir noch zu eigenen Ballbesitzphasen und Offensivaktionen. Tabsi spielt einen flachen Ball an allen vorbei in den Strafraum. Eigentlich müsste ich den Ball nur einschieben, doch er geht haarscharf am Tor vorbei. Ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen. Den hätte ich machen müssen. Das hätte die Entscheidung sein müssen. Aber da das Spiel weitergehen muss, bewege ich mich wieder mehr in Richtung eigene Hälfte. Die Torhüterin von Arsenal macht einen weiten Abschlag und schon läuft der Ball. Die Spielerinnen kombinieren sich durch unsere Hälfte. Dann kommt eine Spielerin zum Abschluss. Das nächste, was ich sehe, ist wie der Ball in unserem Tor liegt. Warum zum Teufel hab ich diesen Ball vor wenigen Sekunden noch selbst am Tor vorbeigeschossen? Ich hätte für die Entscheidung sorgen können und dann macht Arsenal im Gegenzug das 2:1 und es ist wieder fast alles offen. Ein weiteres Tor von Arsenal und die Verlängerung liegt in der Luft. Es ist immer noch fast eine halbe Stunde zu spielen. Wir müssen dieses Ergebnis jetzt unbedingt über die Zeit bringen. ,,Denk nicht drüber nach, sondern spiel einfach weiter“, meint Svenni. Ich nicke. Immerhin können wir Arsenal einigermaßen von unserem Strafraum fernhalten. Doch sie drücken immer mehr auf den Ausgleich. Es darf einfach nicht passieren. Wir müssen jetzt eigentlich selbst für die Entscheidung sorgen. Die Zeit vergeht zum Glück schnell.
Wir kommen unserem Ziel immer näher. Und dann ist es soweit. Da Arsenal fast komplett in unserer Hälfte steht, um alles für den Ausgleich zu tun, ergeben sich Kontersituationen für uns. Ich bekomme nach einem Fehlpass den Ball und sprinte los. Neben mir sehe ich schon, dass Tabsi auch mitrennt. Da sie viel besser steht als ich, passe ich ihr den Ball zu. Diesmal kommt die Torhüterin nicht raus, doch Tabsi schießt den Ball ganz präzise ins rechte Eck. ,,Das ist es“, brülle ich. Tabsi rennt sofort zu unserer Bank zum Jubeln. Ich folge ihr natürlich auch und so können wir alle zusammen mit der ganzen Mannschaft jubeln. Das kann man uns jetzt nicht mehr nehmen. Es sind nur noch fünf Minuten und Arsenal braucht wieder zwei Tore für die Verlängerung. Drei Minuten Nachspielzeit. Das geht. Die Schiedsrichterin hätte bestimmt auch mehr geben können. Arsenal startet nochmal einen Angriff, aber Kathy blockt den Schuss. Arsenal startet einen weiteren Angriff, doch diesmal ist Merle zur Stelle und fängt den Ball. Ich werfe einen Blick auf die Leinwand im Stadion. Noch 30 Sekunden. Wir halten den Ball in unseren eigenen Reihen. Arsenal startet keinen Versuch mehr uns anzulaufen. Und dann pfeift die Schiedsrichterin ab. Es ist aus. Ich schreie auf, renne dann zu Feli und umarme sie. Wir haben es geschafft. Wir haben die verdammte Champions League gewonnen! Wir haben das Triple geholt! Wir sind die beste Mannschaft Europas!
Die Emotionen prasseln über mich hinein und ich weiß gar nicht wohin mit mir. Wir feiern mit dem Team, Tommy sagt noch kurz etwas zu uns, wir feiern weiter auf dem Rasen. Die ein oder andere gibt ein Interview, von mir wird das zum Glück nicht verlangt. Tränen fließen, Menschen umarmen sich, Trainer sind stolz. All das spielt sich gleichzeitig hier auf diesem Rasen ab. Und ich bin mittendrin. ,,Lou, das hast du großartig gemacht“, werde ich bin Eva angesprochen. ,,Dankeschön. Ich kann das gerade überhaupt nicht realisieren“, erwidere ich. ,,Das glaube ich dir. Mir geht es schließlich kaum anders. Was du geleistet hast, ist wirklich krass.“ ,,Danke!“ ,,Wirklich. Du bist hier im Verein als sechzehnjährige gestartet, bist dann aus Gründen der mentalen Gesundheit für anderthalb Jahre weggewesen. Hast dich zurück gekämpft, um dich dann in deinem bis dato wohl wichtigsten Spiel zu verletzten. Aber wieder hast du dich nicht unterkriegen lassen, bist zurückgekommen und trägst jetzt einen riesengroßen Teil dazu bei, dass wir das Triple gewonnen haben. Das nenne ich ganz große Klasse“, meint Eva. ,,Ja, es ist schon krass wie das alles so verlaufen ist. Ich hätte nach meiner Verletzung nie damit gerechnet, dass ich so viel Spielzeit bekomme“, sage ich. ,,Wir wussten das von Anfang an. Du bist so ein großes Talent und hast so viele richtig gute Qualitäten. Wir konnten dich nicht einfach auf der Bank sitzen lassen. Du verdienst es so viel zu spielen. Aber jetzt, geh und feier weiter mit den Mädels anstatt hier mit mir zu stehen.“
Und das tun wir wirklich. Wir bekommen den Pokal, machen wieder etliche Bilder in den verschiedensten Formen damit. Dann geht es in die Kabine, so während dem Duschen fleißig weiter gefeiert wird und von dort ins Hotel, wo dann die richtiger Feier erst so wirklich losgeht.
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Flowers need time to bloom
FanfictionEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...