Flowers need time to bloom

65 | Elfmeter

Direkt nach dem Spiel fahren wir wieder in unser Quartier nach Paris. Es ist schon recht spät als wir da ankommen und dennoch können wir uns noch das Ende der Eröffnungsfeier anschauen. ,,Irgendwie wäre es schon schön gewesen da dabei zu sein“, bemerke ich. ,,Das stimmt. Aber Fußball spielen ist besser.“ ,,Das definitiv. Da hast du voll und ganz Recht.“ ,,Du hast wirklich gut gespielt heute“, meint Jule. ,,Danke. Du aber auch. Wie du da auf dem Flügel Alarm gemacht hast, war echt überragend. Vor allem am Anfang haben sie dich überhaupt nicht in den Griff bekommen“, erwidere ich und stehe So langsam sollte ich Mal duschen gehen. ,,Ich finde, einem selbst fällt das oft gar nicht auf, aber Danke, dass du das sagst.“ ,,Ja, von außen sieht was sowas immer etwas eher. Vor allem weil ich dich ganz besonders beobachte“, grinse ich, setze mich neben sie und lege meinen Arm um ihre Schulter. ,,Du wolltest duschen gehen“, erinnert mich Jule. ,,Willst mit sagen, dass ich stinke?“, kontere ich. ,,Ein bisschen verschwitzt riechst du schon, aber nicht, dass es mich stören würde.“ Es dauert dann doch noch einen kurzen Moment bis ich wirklich duschen gehen. Irgendwann finden wir dann aber doch den Weg ins Bett. Der Tag war anstrengend und vor allem waren das viel zu viele Emotionen auf einmal. Aber es war ein guter Tag. Es war ein guter Tag in ein Turnier. Es gab schon etwas Kritik, warum wir direkt vor dem Turnier keine Testspiele bestritten haben und auch wir hatten etwas Schiss, wie gut wir nun wirklich sind. Aber es bisher hat es uns bestätigt. Gut, das war nur ein Spiel, doch es war ein aussagekräftiges Spiel. Wir haben die USA geschlagen. Und jetzt wartet Australien.

Am nächsten Tag haben wir Regenerationstraining und Spieler Ersatz Training. Zudem analysieren wir unser Spiel und bekommen auch direkt die wichtigen Infos zu Australien. Das wird wirklich nochmal eine andere Nummer. Als amtierende Weltmeisterinnen zählen sie definitiv zu den Topfavoriten. Außerdem haben sie uns bei der WM auch geschlagen. Viele Teile beider Kader sind dabei gleich. So können wir die Gegnerinnen gut analysieren. Ich bin eine von wenigen Ausnahmen, die letztes Jahr eben nicht dabei war. Vielleicht kann das noch zu einem Vorteil für uns werden, wer weiß. Erstmal steht einem Tag später eine richtige Trainingseinheit an. ,,So, nachdem wir gestern unsere Analyse hatten, wollen wir diese Dinge jetzt im Training nochmal in der Praxis vertiefen. Wir machen wieder ähnliche Spielformen wie in der Vorbereitung als wir die Passsicherheit in Pressing Situationen geübt haben. Das werden wir brauchen. Dazu kommen Torabschlüsse und Flanken, um bei den Feldspielerinnen mehr Effizienz zu bekommen und bei den Torhüterinnen die Übung zum Bälle halten. Klingt banal, wird aber gegen Australien hilfreich sein. Am Ende ging es dann noch etwas, was wir bisher noch nicht gemacht haben. Aber jetzt erstmal Aufwärmen! Drei Runden um den Platz!“, erklärt Martina. Während des Aufwärmens unterhalten wir uns noch etwas, aber danach liegt der volle Fokus auf dem Training. Wieder machen wir die Übung, dass ein Team dem anderen den Ball Rausspielen muss und man selbst möglichst genaue Pässe spielt, um das zu verhindern. Es macht wieder total viel Spaß, aber diesmal ist auch wirklich Ernst dabei. Wir wissen alle, wie stark Australien ist. Jeder Fehler im eigenen Aufbauspiel könnte ein gefährlicher Angriff von Australien bedeuten. Das gilt es zu vermeiden, denn es wird schon genug Chancen für sie geben. Deswegen trainieren wir im zweiten Teil dann auch unseren eigenen Abschlüsse an unseren Torhüterinnen. Wie Martina beschrieben hat, es ist eine Win-Win-Situation. Wir spielen verschiedene Szenarien durch. Mal rennen wir alleine aufs Tor, als spielen wir schnelle Kontakte mit einer Teamkollegin. Wir schlagen Flanken, so dass wir auch zum ein oder anderen Kopfball kommen und noch weitere. Das nennt sich Mal Abwechslung im Training.

,,Kommt zusammen!“, ruft Martina irgendwann. ,,Wir sind fast am Ende der heutigen Einheit, aber eine Sache gibt es noch. Nach dem Sieg heute ist das Viertelfinale fast sicher für uns. Da kann es auch gerne Mal zu einem Elfmeterschießen kommen, gerade bei so einem hohen Niveau wie diesem. Ich will, dass wir es einmal geübt haben. Allerdings will ich direkt vor dem K.o.-Spielen machen, denn das kann den Druck auf unsere Torhüterinnen zu stark erhöhen. Deswegen machen wir jetzt zum Abschluss noch ein kleines Elfmeterschießen zum Spaß. Teilt euch in Jung und Alt auf die zwei Tore auf und los geht’s.“ Das letzte Mal, als ich einen Elfmeter geschossen habe, ging es mir mental beschissen. Dieser Gedanke kommt als erstes in meinem Kopf auf. Doch daran darf ich jetzt nicht denken. Außerdem bin ich in einer ganz anderen Situation. Hier gibt es ganz viele erfahrene Spielerin, die das im Ernstfall übernehmen. Hier werde ich keinen Elfmeter schießen müssen. Trotzdem mag ich die Idee von Martina. Es lockert die Stimmung vor den K.O.-Spielen wahrscheinlich wirklich auf, wenn wir wissen, dass wir es schon Mal gemacht haben, aber es nicht direkt vor den Spielen war. Letztendlich hält Stina meinen Schuss. Das beweist nur noch mehr, dass ich gar nicht erst in die Auswahl der Schützinnen kommen sollte.

Nach dem Training haben wir den restlichen Nachmittag frei. Zwei von uns müssen noch zur Pressekonferenz, aber das bin zum Glück nicht ich, sondern Jule und Obi. So gehe ich zusammen mit Feli, Pia, Sara und Melly zur Beachvolleyball Anlage. Wir werden nicht allzu viele freie Nachmittage bekommen, so dass wir das heute direkt ausnutzen wollen. Zu unserem Glück spielt recht bald eines der zwei deutschen Frauenduos. Auf dem Weg sehen wir den Parc de Princes, das große Fußballstadion von Paris. ,,Wie glaubt ihr wird es, morgen darin zu spielen?“, fragt Melly. ,,Grandios. Ich glaube zwar nicht, dass so viele Leute da sein werden wir beim Champions League Finale, aber trotzdem ist es etwas besonderes da zu spielen“, erzählt Feli. Wir drei Wolfsburgerinnen haben ja erst vor kurzem dort gespielt und auch Sara kennt das Stadion von ihrer Zeit bei Paris Saint-Germain. ,,Aber wir haben vor zwei Tagen schon gemerkt, dass einige deutsche Fans mitgereist sind. Es ist wirklich praktisch, dass die Spiele so nah an Deutschland stattfinden. Das wird bestimmt übermorgen auch wieder richtig schön werden“, meint Pia. ,,Ja definitiv. Die Stimmung war wirklich gut und das wird sie denke ich wieder sein. Wir müssen einfach gut spielen“, sagt Sara. ,,Wobei das gegen Australien wirklich nicht einfach wird. Eigentlich sind sie schon der Topfavorit“, werfe ich ein. ,,Höre ich da etwa Zweifel bei dir? Klar, wissen wir alle, dass es schwer wird, aber wir schaffen das. Wir im Team bekommen das hin“, sagt Melly und irgendwie hat sie damit schon Recht.