,,Ich hab dich noch gar nicht gefragt, wie es jetzt eigentlich bei der Natio war“, meint Eva. Es ist Samstag und wir haben gerade unser Abschlusstraining beendet. Als wir vom Platz zurück zum Gebäude laufen, finde ich mich neben Eva wieder. ,,Es war total cool. Klar, war es anfangs etwas komisch ohne Feli dazu sein, aber ich wurde sofort ganz lieb aufgenommen und die Spiele waren einfach mega“, erzähle ich. ,,Du hast ja auch sowas von abgeliefert. Das darfst du gerne weiterhin zeigen“, grinst sie. ,,Ich werde mein bestes geben. Jetzt geht es ja dann wirklich los mit Champions League und allem.“ ,,Das stimmt. Freust du dich schon auf die Gruppenphase?“, erkundigt sich Eva. ,,Oh ja. Ich glaube, dass ist so mit ein Grund weswegen ich überhaupt wieder hier stehe. Ich hab immer dieses Spiel vor zwei Jahren gegen Manchester City im Kopf und ich wusste die ganze Zeit, dass ich genau das noch einmal erleben möchte und jetzt stehe ich eben wieder hier“, antworte ich. ,,Das hast du schön gesagt. Ich bewundere es immer noch, wie du wieder zurück gekommen bist. Und jetzt spielst du einfach in der Nationalmannschaft. Wirklich Respekt“, meint Eva. ,,Danke dir! Das bedeutet mir wirklich so viel das zu hören und auch wieder hier zu sein“, erwidere ich. Bevor es aber an die Aufgabe in der Champions League geht, steht erstmal das Pokalspiel an. Und zwischendrin ist ja auch noch ein Ligaspiel. Es ist also noch ein bisschen hin bis zu meinem Traumspiel. Ich will unbedingt wieder Champions League spielen.
Am Sonntag geht es dann nach Hannover. Hannover ist müssen wir schlagen. Sie spielen in der Regionalliga, so dass wir als amtierende Pokalsiegerinnen diese Hürde definitiv überspringen müssen. Tommy hat schon angekündigt, dass er mich gerne in der Startelf sehen möchte. Das nehme ich doch gerne. Letztendlich spiele ich wieder in der Sturmspitze, Becks zu meiner linken und Tabsi rechts von mir. Das wird wohl gut werden. Das Spiel beginnt ganz nach unserem Plan. Wir haben den Ball und Hannover scheint überfordert. Wahrscheinlich ist auch etwas Nervosität dabei, denn man spielt jetzt nicht jeden Tag gehen so einen großen Gegner. Es dauert drei Minuten, dann kann ich den Ball nach einer Flanke von Becks zum ersten Mal im Tor unterbringen. Das ging schnell. ,,Nice“, rufe ich Becks zu und umarme sie kurz. Auch die anderen kommen zum Abklatschen und dann geht’s weiter. Doch schnell zeigt sich auch hier das, was beim Spiel gegen Lettland zu sehen war. Ich vergebe zu viele Chancen. Wieder rollt der Ball neben dem Pfosten vorbei in Aus. Warum funktioniert das schon wieder nicht? Ich will doch einfach nur der Mannschaft helfen, aber ich kann es nicht. Ich schaffe es nicht, dieses verdammte Tor zu treffen.Mittlerweile führen wir zwar mit 3:0, aber es könnte viel höher stehen, wenn ich den Ball einfach im Tor unterbringen würde. Kathy ist Mal weiter nach vorne aufgerückt und spielt einen flachen Pass zu mir in die Strafraummitte. Ich nehme ihn in der Drehung an und ziehe ab. Der Ball segelt an die Latte. Ich will schon wieder aufgeben, doch er fällt mir direkt wieder vor die Füße. Ich schieße erneut und wieder geht er haarscharf am Kasten vorbei. Ich lasse mich auf den Boden sinken. Es kann doch nicht wahr sein. Warum schaffe ich das schon wieder nicht? Becks kommt und zieht mich hoch. ,,Druck?“, fragt sie. Ich zucke nur mit den Schultern. Wahrscheinlich ja. Als ich das erste Tor geschossen habe, wusste ich, dass ich wohl noch mehr erzielen muss. Ich bin Stürmerin. Bei so einem tiefstehenden Gegner erwartet man Tore von mir. Warum kann ich das einfach nicht umsetzen? Zum Glück ist kurz darauf Pause.
In der Kabine, die mehr einem Aufenthaltsraum gleicht, falle ich auf meinen Platz. ,,Lou, mach dich frei von deinen Gedanken. Du spielst nicht befreit“, meint Becks. ,,Ich kann nicht. Jeder erwartet das von mir. Jeder erwartet diese Tore.“ ,,Die Medien vielleicht, aber wir nicht. Du machst dir den Druck selbst und das will ich nicht. Du kannst das. Du kannst Tore schießen, aber wenn du so verkopft daran gehst, wird das nichts“, sagt sie. ,,Aber wie schaffe ich es mich davon zu befreien? Das kann ich wirklich nicht“, frage ich. ,,Sollen wir Positionen tauschen?“ ,,Nein. Ich will nicht aufgeben. Ich will es so schaffen, aber ich weiß nicht, ob ich das kann“, sage ich. ,,Ich verstehe was du meinst. Manchmal hilft es den Kopf einfach auszuschalten. Ich weiß, dass klingt auch leichter als gesagt, aber du kannst das. Und wir machen die überhaupt keinen Druck, ja? Vergiss das nicht“, meint Becks. ,,Ja schon, aber ich weiß wirklich nicht, ob ich das schaffen kann.“ Schließlich geht es wieder raus auf den Platz. Ich darf auch in der zweiten Hälfte noch weiter spielen. Tommy will mir anscheinend nochmal das Vertrauen geben. Ich hoffe, ich enttäusche ihn nicht. Doch es wird nicht wirklich besser. Wieder verfehle ich entweder das Tor oder schließe zu unplatziert ab, so dass die Torhüterin von Hannover überhaupt kein Problem hat den Ball zu halten. Ich weiß, dass Becks will, dass ich aufhöre mir Gedanken zu machen, aber ich kann es nicht. Je länger es geht, desto mehr Gedanken mache ich mir.
Nach gut 65 Minuten deutet Tommy an, dass ich demnächst ausgewechselt werde. Es wundert mich nicht, aber trotzdem will ich nochmal zeigen, was ich kann. Und endlich gelingt es. Svenni bringt eine Flanke in den Strafraum und ich kann den Ball per Kopf im Tor unterbringen. Ich kann es also noch. Aber Zufriedenheit geht definitiv anders. Als Tommy mich abklatscht, merke ich auch bei ihm, dass er nicht ganz glücklich mit meiner Leistung ist. Ich bekomme eine Decke gereicht und setze mich dann auf die Bank. Das war echt kein gutes Spiel von mir. ,,Du warst trotzdem mega“, meint Kathy, die neben mir sitzt. ,,Nein, war ich nicht. Es war eine Vollkatastrophe“, erwidere ich ohne sie anzuschauen. ,,So schlimm war es definitiv nicht. Das musst jetzt auch du einsehen.“ ,,Vielleicht“, sage ich schulterzuckend. ,,Jetzt hör auf. Red dich nicht selbst so schlecht. Ja, du hast Chancen liegen gelassen, aber du hast trotzdem zwei Tore gemacht. Es kann nicht jeder Schuss reingehen“, meint sie. ,,Aber nicht in diesem Ausmaß!“, rufe ich. ,,Lou, es ist okay. Es ist okay Mal ein Spiel zu haben, in dem es nicht hundertprozentig klappt. Du bist trotzdem so gut. Es geht nicht alles von jetzt auf gleich“, redet sie weiter. Ich antworte nicht darauf. Letztendlich gewinnen wir deutlich mit 8:0 und ich konnte ja zwei Tore besteuern. Trotzdem bin ich wirklich nicht glücklich mit meinem Spiel. Es war nicht das, was ich kann. Ich kann mehr, aber ich kann es nicht abrufen. Wie soll das nur weiter gehen?
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Flowers need time to bloom
FanfictionEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...