,,Morgen ist es einfach vorbei“, bemerkt Sara. Es ist schon relativ spät und wir sitzen im Wohnzimmer von unserem Häuschen. Den Abend haben wir alle zusammen mit verschiedenen Karten- und Gesellschaftsspielen verbracht. ,,Das ist schon krass. Morgen ist unsere letzte Trainingseinheit und wenn wir das nächste Mal da sind, fehlen einfach fünf Leute“, stellt Pauli fest. Ich merke, wie ich mittlerweile ziemlich angespannt ist. Auch wenn ich mir nie irgendwelche Chancen ausgerechnet habe, der Traum es zu den Olympischen Spielen zu schaffen, ist natürlich schon da. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es nicht schaffen werde, denn meine Einheiten waren über die ganzen anderthalb Wochen hinweg nicht wirklich gut. Auch wenn mir mehrfach versichert worden ist, aber dass nicht so schlecht ist, kann ich meine Leistung trotzdem nicht für gut befinden. ,,Denkt ihr, wir vier schaffen es in den Kader?“, fragt Sara. ,,Du und Jule auf jeden Fall. Bei mir kann ich es überhaupt nicht einschätzen und wenn Lou nach ihren eigenen Aussagen geht, könnte es auch eng werden, wobei ich sie eher im Kader sehen würde“, antwortet Pauli. ,,Ich bin garantiert nicht dabei“, sage ich. ,,So würde ich das jetzt aber auch nicht formulieren. Du bist nicht so schlecht wie du denkst“, widerspricht Jule sofort. ,,Du bist wirklich gut und das hast du auch hier wieder gezeigt. Du bist so weit für dein junges Alter und auch, wenn es eng werden könnte, bist du hier trotzdem über dich hinaus gewachsen. Gib den Traum nicht auf bevor du mit Martina gesprochen hast“, ergänzt Sara. Natürlich ist es irgendwo schön, diese Worte zu hören, vor allem von einer Spielerin wie Sara, aber es heitert mich nicht auf.
,,Ich glaub, ich gehe ins Bett“, sage ich und gehe ins Bad. Ich liege nicht lange im Bett, da kommt Jule auch schon nach. ,,Alles gut bei dir?“, fragt sie etwas besorgt. ,,Ja passt schon. Mich macht das gerade einfach ziemlich fertig. Ich will schon dabei sein, aber gleichzeitig ist es ziemlich vermessen das zu wollen, gerade weil ich weiß, dass ich nicht das gezeigt habe, was ich kann.“ ,,Es ist nicht vermessen, schließlich bist du hier und hast die Chance. Aber ich verstehe dich auch. Bei der WM ging es mir nicht anders und deswegen kann ich definitiv nachvollziehen wie es dir gerade geht. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Alles kommt so wie es kommen muss. Egal, wie es ausgeht, du hast dein bestes gegeben und alles passiert aus einem Grund, vergiss das nicht“, sagt Jule und breitet ihre Arme aus. Ich rutsche zu ihr rüber und kuschele mich an sie. Eigentlich hat sie ja Recht.
Am nächsten Morgen gibt es ein letztes Frühstück in der Mensa bevor es dann mit den Fahrrädern nochmal zum Trainingsplatz geht. Wir spielen heute noch eine elf gegen elf mit einer zusätzlichen Spielerin, die jederzeit für beide Teams fungieren kann. Das ist Aufgabe unserer dritten Torhüterin. Ich bin froh über diese Art von Trainingseinheit, denn so muss ich mir weniger Gedanken über irgendwelche Übungen machen. Wir spielen einfach und es ist gar nicht so schlecht bei mir. Ich spiele mit Tabsi und Klara (Bühl) in einer Offensivreihe und es klappt ziemlich gut. Ich kann sogar ein Tor erzielen. Doch das ändert nichts an meiner pessimistischen Einstellung. Nach dem Training heißt es dann Sachen packen. Irgendwie werde ich schon fast wehmütig. Ich will nicht, dass dieses Trainingslager zu Ende geht. Dann ist es aber wirklich vorbei. Nach dem Mittagessen fahren die Shuttles vor, um uns in Richtung zu Hause zu bringen. Für Pia, Feli, Merle und mich geht es nach Wolfsburg. Jule fährt zu ihren Eltern nach Hause, um die drei freien Tage dort zu verbringen. Im besten Fall sehen wir uns dann wieder, aber wahrscheinlich eher nicht. ,,Alles wird gut“, flüstert Jule, als wir uns ein letztes Mal umarmen. ,,Bekomme ich einen Abschiedskuss?“, frage ich leise, auch wenn hier alle rum stehen, brauche ich das einfach. Jule antwortet gar nicht erst, sondern legt ihre Lippen auf meine. Es ist nur ein kurzer Kuss, aber ein wichtiger. Wenige Minuten später fährt unser Shuttle ab. Während der Fahrt ist es ziemlich still. Wir sind alles recht fertig von den letzten Tagen, so dass wir alle unabhängig voneinander Musik hören. Irgendwann schlafe ich ein.
Direkt am nächsten Tag fährt Pia weiter zu ihrer Familie nach Bremen. Feli und ich bleiben in Wolfsburg. Vor allem weil ich zu überhaupt nichts zu gebrauchen bin. Ich hänge nur in der Wohnung rum und warte auf den Anruf von Martina. Ich will endlich Gewissheit. Dann endlich klingelt mein Handy. ,,Soll ich im Raum bleiben?“, fragt Feli. Ich nicke und nehme den Anruf entgegen. ,,Hallo Martina“, sage ich zittrig. ,,Hallo Lou. Wie geht’s dir?“ ,,Ich bin ziemlich nervös und auch etwas fertig von der letzten Woche, aber ansonsten ganz gut“, antworte ich. ,,Das freut mich, mir auch. Es waren wirklich intensive Tage“, meint Martina. ,,Ja definitiv.“ ,,Auch für uns als Trainerteam war es ein harter Lehrgang. Vor allem, weil wir jetzt diese schwere Entscheidung treffen müssen, wen wir zu Hause lassen. Ihr habt es uns echt nicht einfach gemacht.“ ,,Das war auch irgendwie unser Ziel“, erwidere ich. ,,Du warst eine besonders schwere Entscheidung. Lou, du hast wirklich viel Talent. In deinem jungen Alter schon auf dem Niveau zu spielen, ist echt große Klasse. Woran du noch arbeiten solltest, ist dein Mindset. Ich habe dich oft sehr nachdenklich, und still erlebt. Das hing wahrscheinlich damit zusammen, dass du selbst mit deinen Leistungen nicht ganz so zufrieden warst. Du hast ist sehr verkopft agiert und wolltest möglichst alles richtig machen. Dadurch standest du dir hin und wieder selbst im Weg. Aber das ist nicht weiter schlimm, denn du hast noch viel Zeit daran zu arbeiten. Für den Platz im Kader der Olympischen Spiele hat es aber leider nicht ganz gereicht. Es war wirklich eine knappe Entscheidung und wirklich keine Entscheidung gegen dich, sondern für wen anders“, sagt Martina. ,,Okay. Ich dachte es mir schon.“ Und trotzdem tut es verdammt weh. ,,Du hast dich viel damit beschäftigt, das hat man in den letzten Tagen gemerkt. Es hat wirklich nicht viel gefehlt, aber du hast noch eine ganz große Zukunft vor dir und dann wird auch definitiv eine Teilnahme bei einem Großereignis herausspringen. Steck den Kopf nicht in den Sand. Arbeite weiter an dir und dann wird noch etwas ganz großes kommen“, meint sie. ,,Dankeschön.“ Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Die Enttäuschung ist riesig. Auch wenn ich mich schon darauf vorbereitet hatte, es final zu hören, tut nochmal richtig weh. Zum Glück beendet Martina schnell das Gespräch. Ich lasse mein Handy sinken und blicke Feli an. ,,Alles ist gut“, sagt Feli leise und nimmt mich in den Arm. Ich merke, wie mir die Tränen kommen. Es hat nicht sein sollen. Es war absehbar. Aber trotzdem, der Traum Olympia ist geplatzt.
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Flowers need time to bloom
FanfictionEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...