Immerhin wird es wirklich besser. Nur meine Laune ist immer noch im Keller. Warum muss bei mir immer etwas passieren? Ich merke, dass die anderen sich Sorgen um mich machen, aber das will ich nicht. Ich will nicht schon wieder wie das kleine Mädchen behandelt werden, um das sich alle kümmern müssen. Deswegen versuche ich meine schlechte Laune so gut es geht vor den anderen zu verbergen. Ich habe ja auch eigentlich keinen Grund so schlecht drauf zu sein. Es ist wirklich nichts schlimmes und noch dazu bin ich auf einem guten Weg, meinte Annette. Das muss jetzt nur so bleiben. Trotzdem merke ich, dass Feli die Sache nicht loslässt. Es vergeht kaum eine Viertelstunde ohne, dass ihr Blick auf mir ruht. ,,Was ist los?“, frage ich sie irgendwann genervt. ,,Nichts, alles gut“, weicht sie mir aus. Natürlich will sie nicht zugeben, was für Sorgen sie sich wieder um mich macht. Dabei verhalte ich mich wirklich kaum anders. Zumindest nehme ich das so wahr. Ich bin weit weg von dem Loch, dass es Mal gab. Zwar nervt mich meine Situation sehr, aber ich weiß tief in mir drin, dass es wirklich hätte schlimmer kommen können. Und eine gewisse Grundfreude über das Erreichen des Halbfinals ist sowieso da. Und schon steht dieses vor der Tür. Die Mädels spielen erst um 18 Uhr, so dass ich davor auch noch schön meine zwei Behandlungen machen kann. Zusätzlich soll ich meine kleine Einheit im Kraftraum machen, um wieder nach meinen zwei Tagen Pause langsam in Schwung zu kommen. Auch wenn ich nicht mitspiele, gehe ich trotzdem mit zum Spaziergang durch Lyon. Die letzten Tage habe wir hier verbracht, da ja unser Viertelfinale auch schon hier war. Das hat uns eine Menge Reisestress erspart. Nachmittags bevor wir zum Stadion fahren, bin ich nochmal bei Annette zur Behandlung. Allgemein fühlt sich auch mein Oberschenkel schon viel besser an. ,,Das entwickelt sich wirklich richtig gut“, meint Annette. ,,Das klingt doch sehr gut.“ ,,Definitiv. Ich würde behaupten, egal ob Finale oder Spiel um Platz drei, wir kriegen das hin, dass du da wieder spielen kannst. Ich tape dir morgen deinen Oberschenkel, dann kannst du zwei Tage individuell trainieren und kommst trotzdem noch zu mir zur Behandlung und dann wird das schon funktionieren“, erläutert sie den Plan. ,,Wirklich? Das wär echt perfekt, Danke“, erwidere ich.
Aber davor gilt es, das Team ins Finale zu brüllen. Die quasi Zusage, dass ich beim nächsten Spiel dabei sein kann, hebt meine Laune nochmal bedächtig. Natürlich würde ich auch heute lieber mitspielen, aber damit habe ich mich abgefunden. Ich sitze im Family und Friends Bereich, so dass ich auch nicht ganz alleine bin. Von einigen Spielerinnen sind Freunde und Familienangehörige da, von denen ich die ein oder anderen auch kenne. Wie dieses Spiel einzuschätzen ist, weiß niemand so richtig. Kanada hat zwar bei den letzten Olympischen Spielen im Elfmeterschießen triumphiert, aber seit dem nicht die besten Leistungen gezeigt, auch bei diesem Turnier nicht. Und trotzdem wird es unangenehm werden. Wieder einmal merke ich, wie anstrengend es ist, nur zuzuschauen. Wenn man auf der Bank sitzt, weiß man, dass man die Chance hat später noch mitzuhelfen, aber auf der Tribüne ist man einfach machtlos. Doch die Mädels spielen irgendwann wirklich phantastisch. Anfangs war es noch sehr chaotisch, aber nach einer halben Stunde erzielt Lea endlich das Führungstor. Und so geht es zum Glück auch munter weiter. Noch vor der Pause erhöht Melly auf 2:0. Es liegt absolut alles in unser Hand. Trotzdem wird meine Nervosität nicht geringer. Und so langsam gesellt sich die Aufregung auch noch dazu. Wenn wir jetzt gewinnen, sind wir im Finale. Im Olympischen Finale. Doch es kann immer noch genauso schnell vorbei sein.Aber dazu kommt es nicht. Pia, die zur Pause eingewechselt worden ist, macht das 3:0 und damit ist alles klar. Die letzten Minuten verfliegen einfach nur. Dann ist das Spiel aus. Sie haben es geschafft. Wir stehen wirklich im Finale! Ich springe auf, freue mich zusammen mit den anderen und gehe dann runter zur Brüstung. Ich als Teammitglied darf dann auch runter auf den Platz. Sofort gehe ich zu Jule und umarme sie. Zu gerne würde ich sie küssen, aber noch mehr Schlagzeilen brauchen wir dann auch nicht. Das müssen wir uns eben für später aufheben. ,,We did it!“, brüllt Jule. Die Freude ist wirklich grenzenlos. Nachdem Melly ihre Player of the match Auszeichnung bekommen hat, rennen wir alle zu ihr und crashen damit quasi das Bild. Merle und Giuli singen jetzt schon Ballermann-Lieder, Sjoeke und Soffe hüpfen durch die Gegend und Feli hebt mich hoch und wirbelt mich durch die Luft. ,,Ich bin so stolz auf dich“, rufe ich. ,,Ich auch auf dich.“
Am nächsten Morgen fahren wir dann zurück nach Paris. Während die Mädels ihre Regenerationseinheit haben, trainiere ich auf Platz individuell mit unserer Co-Trainerin Britta. Es läuft gut. Natürlich spüre ich die Zerrung noch, denn innerhalb von vier Tagen heilt die natürlich nicht aus, aber es ist machbar. Zwar mache ich außer ein paar Läufen, Stabilisationsübungen und der ein oder anderen Passübungen nicht viel, aber es geht in die richtige Richtung. Am späten Nachmittag macht sich eine Gruppe von uns dann auf den Weg ins Olympische Dorf. In den ersten Tagen, als wir in Paris waren, waren wir auch schon Mal dort und jetzt haben wir die Erlaubnis bekommen nochmal zu gehen. Wir sind noch nicht Mal ganz da, da zieht mich Feli mit sich. ,,Ich habe mit den anderen abgesprochen, dass wir zwei einen großen Teil des Abends für uns haben. Seit wir hier sind, haben wir so wenig Zeit miteinander verbringen können“, verkündet sie und sie hat Recht. Zwar waren wir immer zusammen am gleichen Ort, aber wirklich viel Zeit miteinander hatten wir nicht. ,,Klingt gut. Jetzt können wir wirklich das machen, worüber alle reden. Zwei Schwestern beim Abenteuer Olympia zusammen im Olympischen Dorf“, lache ich und hake mich bei ihr ein.Zusammen betreten wir die Anlage. Es ist wirklich gigantisch. Überall laufen Sportler durch die Gegend und an jeder Ecke entdeckt man etwas neues. Keine von uns beiden hat einen wirklichen Plan, so dass wir einfach durch die Gegend laufen. Auch wir haben diese begehrten Pins bekommen, die hier bei Olympia immer fleißig getauscht werden. ,,Ist da nicht Rafael Nadal?“, frage ich Feli und deute in die Richtung, in der ich ihn vermute. Er ist erst vorhin ins Finale eingezogen. Feli nickt. Und schon stehe ich mit Feli zusammen vor einem der besten Tennisspieler der Geschichte und tausche einen meiner Pins mit ihm. Und er ist nicht der einzige große Sportler, den wir treffen. Wir haben sogar die Ehre Simone Biles über den Weg zu laufen. Auch dem deutschen Haus statten wir einen Besuch ab und essen dort eine Kleinigkeit. Auch hier treffen wir auf einige großartige Sportler und Medaillengewinner. Irgendwann finden wir einen etwas abgelegeneren Platz und setzen uns dort auf eine kleine Wiese. ,,Das war echt schön heute“, sage ich und breche damit die kurz entstandene Stille. ,,Oh ja. Genauso habe ich mir Olympia mit dir vorgestellt.“ ,,Hätte ich das getan, hätte ich es auch so gemacht. Aber eigentlich hatte ich keine Vorstellungen, weil ich nie damit gerechnet hätte, dabei zu sein“, gebe ich zu. ,,Irgendwie verständlich. Aber du hast wirklich so eine krasse Entwicklung hingelegt. Drei Tore und drei Assists, das kann sich echt sehen lassen“, meint Feli. ,,Und es ist ja noch nicht vorbei.“ ,,Du darfst im Finale spielen?“ Ich hatte Feli, beziehungsweise allen außer Jule, bisher noch nichts erzählt aus Angst, dass es doch nicht klappen könnte. ,,Ja, Annette hat wirklich Mal wieder ganze Arbeit geleistet. Klar ist es noch nicht perfekt, aber es wird reichen“, sage ich. Auf Felis Gesicht breitet sich ein Lächeln aus. ,,Ich habe mir wirklich Sorgen um dich gemacht. Aber du bist so stark. Ich freu mich so, dass wir dieses Finale zusammen spielen dürfen.“ ,,Ich mich auch.“
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Flowers need time to bloom
FanficEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...