47 | DFB-Pokalfinale

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,,Das Pokalfinale ist wirklich etwas besonderes", sagt Feli. Es ist Donnerstag Abend und wir sind dabei unsere Sachen für das Wochenende zusammen zu packen. Morgen fahren wir bereits nach Köln, auch wenn das Spiel erst am Sonntag ist. Bei Wolfsburg ist das immer so, dass sie schon zwei Tage und nicht nur einen Tag vor dem Spiel hinfahren. Und jetzt werde auch ich endlich dabei sein. Ein weiterer großer Traum wird wahr werden. Das Finale wird gegen Freiburg sein. Diese konnten sich im anderen Halbfinale gegen Frankfurt durchsetzen. In der Liga haben wir zweimal mit 3:0 gewonnen, aber das muss für das Finale rein gar nichts heißen. Vor allem, weil Freiburg mit einer ganz anderen Mentalität da ran gehen wird als noch in den Ligaspielen. Für die Vereine, die nicht unbedingt immer um die Champions League mitspielen, ist das Pokalfinale der große Traum. Und wenn man dann die beiden großen Vereine Wolfsburg und Bayern umgehen kann, will man natürlich noch mehr die Chance aufs Finale nutzen. Das hat Freiburg nun getan und für uns wird es definitiv nicht einfach werden gegen sie zu spielen. Es wird hart werden, aber solange am Ende der Sieg bei rauskommt, ist das auch erstmal egal. ,,Bist du nervös?", fragt Feli. Ich nicke. ,,Ja schon irgendwie." ,,Das ist normal. Aber lass die Nervosität nicht zu groß werden", rät sie mir. ,,Denkst du ich bekomme Spielzeit?", erkundige ich mich nach ihrer Meinung dazu. ,,Was ist das für eine Frage. Natürlich. Wenn ich das vorhin richtig mitbekommen habe, ist wohl sogar die Überlegung da dich von Anfang an spielen zu lassen", meint Feli. ,,Wirklich jetzt?" ,,Ich will meine Hand jetzt nicht dafür ins Feuer legen, aber ich meine gehört zu haben, dass Tommy und Eva sich darüber unterhalten haben." ,,Das wär krass. Aber ich glaube es nicht. Ich habe noch lange nicht die Erfahrung, die ihr alle habt", werfe ich ein. ,,Das mag vielleicht sein, aber wie sollst du die Erfahrung machen, wenn du nicht spielst? Und hör auf dich immer an diesem Erfahrungswert zu messen. Was du hast, ist genauso wichtig. Du spielst oft so unbekümmert und das ist ebenso wichtig wie Erfahrung. Diese Unbekümmertheit ist für eine Defensive viel schwerer zu händeln, als eine Spielerin mit voller Erfahrung. Über letztere weiß man nämlich viel mehr und kann sich somit leichter auf sie einstellen", erklärt Feli. ,,Macht irgendwie Sinn." ,,Das ist gut, wenn du das selbst erkennst. Du bist genauso wertvoll für unsere Mannschaft wie jede andere auch."

Am Samstag Morgen komme ich kaum aus dem Bett. Der Reisetag gestern war schon anstrengend. Zwar ist die Fahrt relativ schnell vergangen, aber das ändert nichts daran, dass wir fast fünf Stunden im Bus saßen. In Köln haben wir dann direkt noch einen Spaziergang durch die Stadt gemacht. Das ist zwar an sich auch nicht das anstrengendste, aber zusammen mit den ganzen Eindrücken, die über einen hineinprasseln, ist das schon viel auf einmal. So kommt es, dass ich mir tatsächlich Mal einen Kaffee nehme. Allerdings nur mit ganz viel Milch. Eigentlich ist es mehr Milch als Kaffee. Natürlich werde ich damit auch sofort aufgezogen. ,,Dass ich das Mal noch erleben darf. Lou trinkt Kaffee", lacht Kathy. ,,Lass mich. Ich brauche Energie für den Tag", erwidere ich gespielt beleidigt. ,,Ist ja gut. Wir können ja nicht zu lassen, dass unser Youngstar vor so einem wichtigen Spiel schlapp macht." ,,Erinnre mich nicht daran. Ich bin so schon nervös genug", stöhne ich auf. ,,Ach so, nein wir haben nur ein ganz normales Ligaspiel anstehen", zieht Kathy mich weiter auf. ,,Man, es ist zu früh für solche Späße." ,,Ist ja gut." Während des restlichen Frühstücks reden wir dann zum Glück über andere Dinge. Ich weiß, dass Kathy es nicht böse gemeint hat und normal gehe ich auch gerne auf ihre Späße ein, aber heute war mir das echt zu früh. Nach dem Frühstück machen wir dann einen weiteren Spaziergang durch Köln. Dieser soll als Aktivierung für das Abschlusstraining am Nachmittag dienen. Dazu fahren wir direkt ins RheinEngergie Stadion. Es ist wirklich etwas besonderes in dieses Stadion zu laufen. Schon seit gefühlten Ewigkeiten findet das Pokalfinale in dem Stadion statt und jetzt dabei zu sein, ist schon extrem cool. Ganz realisieren kann ich es jedoch immer noch nicht. Zurück im Hotel gehe ich erstmal schnell duschen. Immerhin war das Abschlusstraining eine recht lockere Einheit.

Und viel steht heute auch nicht mehr an, nur noch die Spieltagsbesprechung. Diese haben wir vor so wichtigen Spielen immer schon am Tag vorher. Nach dem Essen treffen wir so nochmal alle im Aufenthaltsraum ein. ,,Ihr wisst, was morgen für ein Spiel ansteht. Die meisten von euch haben das Pokalfinale schon erlebt, einige sogar mehrfach. Die neuen wurden in der vergangenen Woche schon gut darauf vorbereitet. Letztendlich gehen wir das Spiel von unserer Taktik her nicht anders an. Wir wissen, dass wir die Favoriten sind. Wir wissen, dass wir im Normalfall besser als Freiburg sind, aber trotzdem werden wir sie nicht unterschätzen. Dennoch wollen wir das Spiel kontrollieren und früh das erste Tor machen. Wir sollen Freiburg unter Druck setzten und die zu Fehlern zwingen. Wir wollen stabil in der Defensive stehen und den Freibürgerinnen so wenig eigene Torchancen wie möglich geben. Das ist unser Matchplan", beginnt Tommy. ,,Wie immer bei großen Spielen gebe ich euch heute schon die Startelf bekannt. So könnt ihr euch jetzt schon auf eure Tolle im morgigen Spiel vorbereiten. Merle, du stehst im Tor. Die Verteidigung bilden Kathy, Dominique (Janssen), Marina (Hegering) und Feli. Im defensiven Mittelfeld spielen Obi (Lena Oberdorf) und Lena (Lattwein). Und in der Offensive spielen Svenni, Tabea, Becks und Lou." Ich weiß tatsächlich gar nicht wie ich reagieren soll. Ich stehe wirklich in der Startelf. ,,Mehr brauche ich euch nicht zu sagen. Ihr wisst selbst, dass ihr euch nicht zu sehr verrückt machen sollt, aber dafür habt ihr euch auf euren Zimmern gegenseitig. Treffpunkt im Speisesaal ist spätestens um 8:30 Uhr. Den restlichen Abend habt ihr zu eurer freien Verfügung. Bis morgen." Damit ist die Besprechung auch schon beendet. Tommy hält es eher kurz und von unserer Seite gibt es auch keine weiteren Fragen. Wir haben im Laufe der Woche schon quasi alles geklärt.

,,Mach dir nicht zu viele Gedanken über das Spiel, ja?", meint Feli, als wir wieder in unserem Zimmer sind. ,,Ich versuche es." Ich versuche es wirklich, aber es gelingt mir nicht. Nicht Mal mein Buch, das ich gerade lese, kann mich davon ablenken. Auch Feli entgeht das nicht. ,,Vielleicht sollten wir einfach schafen gehen", bemerkt sie. Es ist zwar noch nicht Mal 22 Uhr, aber trotzdem nicke ich. Wahrscheinlich kann ich sowieso nicht schlafen, so dass es wohl besser ist, früher im Bett zu sein. Nacheinander gehen wir ins Bad. Während ich auf Feli warte, schreibe ich Jule die freudige Nachricht. Ihre Antwort kommt prompt.

Jule: Juhu! Glückwunsch! Das hast du sowas von verdient. Ich bin jetzt schon so stolz auf dich und du wirst das morgen sowas von rocken. Love you <3

Ich kann das Lächeln nicht verbergen, dass sich auf meinen Lippen bildet. Aber wie erwartet kann ich nicht einschlafen. Zu viele Gedanken befinden sich in meinem Kopf. ,,Feli, bist du noch wach?", frage ich leise. ,,Ja. Was ist los?", erwidert sie und dreht sich zu mir um. Hier in Köln haben wir Doppelbetten. ,,Ich habe Angst vor morgen. Ich habe schon zu oft versagt. Was ist wenn das morgen wieder so kommt?", spreche ich meine Sorgen aus. ,,Das wird nicht passieren. Ich weiß, an welche Situationen du denkst. Diese liegen weit in der Vergangenheit. Du bist als Mensch gereift. Du hast etwas durchgemacht, was dich durchweg stärker gemacht hat. Mal ein nicht so gutes Spiel zu haben, ist normal und das hattest du auch schon. Aber du hast nie wirklich komplett versagt. Und das wirst du auch morgen nicht." ,,Und wenn es doch passiert?" ,,Das wird es nicht. Rede dir das nicht ein", flüstert Feli. ,,Komm her." Und so rutsche ich ein Stück zu Feli und kuschele mich zu ihr. Langsam komme ich zur Ruhe und kann dann endlich einschlafen.


,,We only see Wolves", brüllen wir uns lösen dann unseren Kreis auf. Jetzt geht es also wirklich los. Während ich zu meiner Position laufe, erreicht die Nervosität ihren Höhepunkt. Ich hoffe einfach, dass alles gut geht. Dann beginnt das Spiel. Unser Plan geht allerdings überhaupt nicht auf. Wir können zwar Druck auf die Freiburger Abwehr ausüben, aber trotzdem wissen wir im letzten Drittel fast nichts mit dem Ball anzufangen. Das liegt nicht zuletzt natürlich auch an mir. Normal ist die Nervosität weg, sobald das Spiel angepfiffen worden ist, aber heute ist das nicht so. In drei von drei eins gegen eins Situationen verliere ich den Ball. Dazu kommt, dass Freiburg sich überhaupt nicht versteckt und zu vielen eigenen Aktionen kommt. Mitte der ersten Hälfte sieht Feli nach einem Foul die gelbe Karte. Es ist so ein bisschen sinnbildlich für das, was wir zusammen spielen. Immerhin gelingt es Freiburg auch nicht den Ball im Tor unterzubringen, so dass es 0:0 zur Pause steht. ,,Lass dich von der gelben Karte nicht nerven. Fokussier dich auf die zweite Hälfte", sage ich zu Feli, als wir in die Kabine kommen. ,,Süß von dir. Und du, denk einfach nicht zu viel nach. Spiel einfach, dann funktioniert das auch. Tommy wird uns wahrscheinlich auch noch Tipps geben. Aber Gib dich nicht selbst auf, sondern versuch es immer wieder", entgegnet sie. Wie vorhergesagt, gibt uns Tommy noch einige Anweisungen und vor allem Hinweise, auf due Dinge, die wir in der Analyse erarbeitet haben. Der Plan für due zweite Halbzeit ist klar: Freiburg in die eigene Hälfte drücken und endlich das verdammte Tor machen. Wir bleiben in unserer Formation bestehen und schon geht es weiter. Wir haben den Anstoß und Svenni spielt nach hinten in unsere Abwehrreihe. Diese starten einen Spielaufbau, bei dem sie immer weiter vorrücken. Dann spielt Kathy den langen Ball zu Feli, die auf ihrer linken Seite etwas an Platz bekommen hat und sofort losgestürmt ist. Den Ball spielt Feli weiter zu Becks und schon entsteht für sie ein Raum zum Flanken. Ich bin, wie es sich als Stürmerin gehört, vor in den Strafraum gerannt. Letztendlich muss ich nur noch den Fuß hinhalten. Dann liegt der Ball im Tor. ,,Yeeees!", rufe ich und springe, die Faust geballt, in die Luft. Dann kommen die Mädels und umarmen mich stürmisch. Da ist das Tor. Und vor allem, es ist mein Tor. Ich, Louisa Rauch, habe im DFB-Pokalfinale getroffen. Das nennt sich Mal ein Auftakt nach Maß, zumindest für die zweite Hälfte.

Und damit ist der Knoten auch endlich geplatzt. Die zweite Hälfte gehört uns. Freiburg hat kaum noch etwas zu melden. Wir spielen munter weiter. Tabsi kann nach meiner Vorlage unser zweites Tor erzielen und auch Svenni legt noch einen nach. Damit ist das Spiel gegessen. Viel passiert auch nicht mehr und endlich ertönt der Schlusspfiff. Ich renne sofort zu Feli und springe ihr in die Arme. Wir haben schon wieder einen Titel geholt. Das ist doch einfach crazy! Innerhalb von zwei oder eigentlich drei Wochen hole ich zwei Titel. Was geht hier vor sich?


Flowers need time to bloomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt