Doch das Gefühl, das mich in den folgenden Tagen begleitet, ist alles andere als gut. Nach unserem Gespräch ist Jule ziemlich schnell gegangen und auch etwas früher als eigentlich geplant. Zumindest so wie ich das in Erinnerung hatte. Soweit ich weiß, wollte sie nämlich noch länger bleiben. Als ich dann ein paar Tage später beim Spiel war, haben wir uns zwar den anderen gegenüber normal verhalten, aber trotzdem war es komisch zwischen uns. So als wäre plötzlich eine kleine Barriere zwischen uns oder eine kleine Spannung. Und auch wenn wir miteinander schreiben, was wir immer noch sehr oft machen, habe ich immer ein komisches Gefühl, dass ich hätte anders entscheiden sollen. Aber jetzt kann ich es nicht mehr rückgängig machen. Jetzt muss ich erstmal damit leben. Wenn ich jetzt nochmal dankt ankomme, wird es unglaubwürdig. Ich will Jule einfach nicht verlieren.
Am Mittwoch ist es dann endlich soweit. Ich habe endlich meinen ersten Kontrolltermin, um zu schauen, ob ich mit der Reha anfangen darf. Die Woche hat sich einfach nur dahingezogen. Ich habe viel für die Uni gemacht, aber ewig kann man das ja auch nicht tun. Und dann war ich ja eben die ganze Zeit alleine und habe kaum irgendwen gesehen. Nur unsere Nachbarin, die Cinni freundlicherweise immer mitgenommen hat, wenn sie mit ihrem eigenen Hund spazieren war. Das war wirklich hilfreich, denn alleine kann ich noch nicht mit Cinni gehen. Das funktioniert mit den Krücken nicht. Aber wer weiß, im besten Fall bin ich die ja dann heute los und darf wieder ohne laufen. Am Vormittag kommen Feli und Pia erstmal von der Natio zurück. Endlich habe ich die beiden wieder wirklich bei mir. Und jetzt auch wieder für eine längere Zeit am Stück, hoffe ich zumindest. Nachmittags geht es dann ins Krankenhaus. Feli begleitet mich wie immer. Mal abgesehen davon, dass ich alleine gar nicht hinkommen würde, da ich ja logischerweise nicht Auto fahren darf.Im Krankenhaus müssen wir zum Glück nicht so lange warten. Der Arzt tastet mein Knie einmal ab und dann wird nochmal ein MRT gemacht. Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl. Ich will doch einfach nur wieder langsam anfangen dürfen. Ich will mein Comeback starten und dann dem Fernziel, auf dem Rasen stehen zu können, nachgehen zu können. Ich will nicht noch länger warten müssen. Nachdem ich aus der Röhre wieder rausgeholt wurde, komme ich zurück ins Behandlungszimmer. Das Bild vom MRT ist schon auf dem Computer zu sehen. Ich setze mich neben Feli und sie nimmt meine Hand. Weiß sie schon etwas, dass ich nicht weiß? ,,Hier sieht man, dass der Riss des Meniskus noch nicht vollkommen zusammen geheilt ist. Es fehlt nicht mehr viel, aber dennoch werden Sie noch nicht mit Ihrer Reha anfangen dürfen. Da werden Sie noch bis Montag warten müssen. Dann dürfen Sie nach den Plänen ihrer Physiotherapeuten beim Verein langsam anfangen. Aber ich bitte Sie in den ersten Tagen sofort zu mir zu kommen, wenn sich im Knie etwas nicht richtig anfühlen sollte“, erklärt der Arzt. Ich nicke. Das ist nicht das, was ich hören wollte. Immerhin bekomme ich jetzt eine mobilere Schiene. ,,Mit dieser können sie dann auch ohne Krücken laufen, aber Sie sollten diese in den nächsten Wochen trotzdem tragen, auch wenn Sie schon im Reha-Prozess sind. Es ist besser für Ihr Knie“, sagt er. Wieder nicke ich. Das klingt schon besser. Trotzdem muss ich nochmal fünf Tage warten bis ich loslegen darf. Das werden fünf sehr lange Tage.
In der Nach wache ich schreiend auf. Völlig nassgeschwitzt finde ich mich in meinem Bett wieder und schlage die Augen auf. Panik überkommt mich. ,,Lou, alles gut bei dir?“, höre ich Feli an der Tür. ,,Ich…“, setze ich an, doch werde durch die nun strömenden Tränen unterbrochen. ,,Ganz ruhig. Alles ist gut“, flüstert Feli und ich spüre, wie sie sich neben mich aufs Bett setzt. ,,Ich hatte einen Alptraum“, stoße ich zwischen Schluchzern hervor. ,,Beruhig dich erstmal und dann erzähl.“ Während Feli mir über den Rücken streichelt, beruhige ich mich ganz langsam. Trotzdem dauert es eine ganze Weile bis ich wieder ruhig atme und die Tränen versiegt sind. Feli weicht keinen Moment von meiner Seite. ,,Ich habe von dem Unfall geträumt“, sage ich schließlich. ,,Zum allerersten Mal.“ Noch nie habe ich davon geträumt. Weder als ich es noch nicht wusste, noch danach. Ich weiß, dass Feli hin und wieder immer noch davon träumt, aber ich habe das wirklich noch nie. Jetzt schon. ,,Wirklich jetzt?“, fragt Feli. ,,Ja, es war wie du es erzählt hattest. Wir zwei, unser Bruder und unsere Eltern im Auto. Jule im anderen“, erzähle ich. ,,Aber das hattest du ja noch nie, oder?“ ,,Nein“, antworte ich. ,,Will mir das jetzt irgendwas sagen?“, frage ich. ,,Bestimmt nicht“, meint Feli, aber wirkt selbst nicht wirklich überzeugt davon. ,,Ich habe Jule einen Korb gegeben“, flüstere ich. ,,Wie meinst du?“ ,,Naja, wir haben uns ja getroffen und dann auch darüber geredet, was da zwischen uns ist. Dann habe ich ihr eben gesagt, dass ich gerade nicht bereit für eine Beziehung bin.“ ,,Und wie hat Jule reagiert?“, fragt Feli. Sie hat erstmal versucht meine Argumente zu widerlegen und dann aber gesagt, dass es für sie okay ist. Danach ist sie relativ schnell gegangen und seitdem fühlt es sich irgendwie immer komisch an, wenn wir schreiben“, antworte ich. ,,Ach Lou, das wird schon. Jule sollte es respektieren, dass du gerade nicht bereit für eine feste Beziehung bist. Schließlich ist deine aktuelle Situation alles andere als einfach. Und sie weiß genau, wie sehr du sie magst. Das muss sich zwischen euch nicht komisch anfühlen“, meint Feli. ,,Hmm.“ ,,Jetzt komm. Das wird. Bei dir geht es jetzt dann wieder vorwärts und dann wird sich das mit Jule wieder.“ ,,Ja, aber bis es bei mir wieder vorwärts geht, dauert es noch ein paar Tage“, erwidere ich. ,,Aber du weißt, dass diese paar Tage auch wichtig sind. Wenn du jetzt noch wartest, geht es danach schneller. Ansonsten ist es andersherum“, sagt sie. ,,Ich will doch einfach nur Fußball spielen. Warum wird mir das schon mein ganzes Leben so schwer gemacht?“, rufe ich aus und bin schon wieder den Tränen nahe. ,,Das Leben ist nie einfach Lou. Aber es kommen wieder bessere Zeiten, vertrau mir. Ab Montag geht’s wieder richtig los“, meint Feli. Ich nicke, aber trotzdem laufen wieder die Tränen. Ich will doch einfach nur gesund Fußball spielen ohne den ganzen Mist drumherum. ,,Wir sollten eigentlich langsam wieder schlafen, vor allem ich“, bemerkt Feli. ,,Bleib bitte bei mir“, sage ich. ,,Ich kann gerade nicht alleine.“ ,,Wenn du das willst, bleibe ich hier“, sagt sie und legt sich endgültig neben mich.
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Flowers need time to bloom
FanfictionEineinhalb Jahre später hat sich vieles für Lou verändert. Nachdem sie sich zurückgezogen hat und in aller Ruhe ihr Abitur gemacht hat, kommt sie wieder in die erste Mannschaft des VfL Wolfsburg und versucht einen Neustart. Rasant geht es aufwärts u...