Ethan x Danny

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- Danny -

Der Motor meines alten GMC Sierra röhrt dröhnend, als ich das Gaspedal gewaltsam durchdrücke. Die Ampel ist schon gefährlich dunkelorange, aber ich beiße die Zähne zusammen und beschleunige weiter, verlange dem Pickup alles ab, was er hat.

Die Kreuzung rast an mir vorbei, ebenso unbeachtet wie die restliche Umgebung um mich herum. Alles verschwimmt in einem Strudel aus Adrenalin, Wut und Anspannung, während mein Herz so heftig schlägt, dass ich meinen Puls gegen das Leder des Lenkrads hämmern fühle.

Es ist keine fünf Minuten her, dass ich Ethan's Anruf bekommen habe. Ich kenne meinen kleinen Bruder wirklich gut, aber ich habe ihn in seinen 22 Jahren niemals so aufgelöst erlebt, wie in dem Moment, als er mir am Telefon erklärt hat, dass seine Freundesgruppe in eine Schlägerei mit der Football-Mannschaft der rivalisierenden Universität am anderen Ende der Stadt geraten ist.

Ethan ist eigentlich der Ruhigere von uns beiden, der Überlegte, und wenn ich ehrlich bin, auch der wesentlich Schlauere und Fähigere, der es später mal sehr viel weiter bringen wird als ich.

Und auch wenn wir immer wieder unsere Streitigkeiten haben und ich ihm regelmäßig am liebsten eine verpassen möchte, liebe ich ihn trotzdem abgöttisch, mehr als jeden anderen.

Ich sehe die rote Ampel vor mir gerade noch rechtzeitig und reiße das Steuer mit einem derben Fluch herum, um rechts abzubiegen, worauf der Fahrer hinter mir wütend hupend aufblendet.

Zum Glück kenne ich mich hier in der Kleinstadt am östlichen Rand von Tennessee besser aus als die meisten, denn ich lebe mein Leben lang schon hier. Deshalb kommt mein Pickup auch nach nur fünf weiteren Minuten mit quietschenden Reifen am Parkplatz des Diners zum Stehen, den Ethan mir genannt hat.

Angespannt bis in den letzten Nerv ziehe ich den Schlüssel aus der Zündung, gleite vom Fahrersitz und marschiere auf den hell erleuchteten Laden zu, während ich den Wagen abschließe.

Es ist ein lauer Sommerabend und ich friere nicht, auch wenn ich nur ein dünnes T-Shirt trage. Feiner Schotter knirscht unter der schweren Sohle meiner Stiefel, während ich auf den Eingang zusteuere.

Plötzlich höre ich ein schmerzerfülltes Stöhnen und mehrere aufgebrachte Stimmen. Mein Herz macht einen Satz und meine Gedanken wirbeln. Sorge raubt mir den Atem und lässt mich auf die Geräuschquelle zu rennen.

Etwas hinter dem Diner versteckt ist ein kleiner Hinterhof, der von einer einzigen Laterne nur spärlich beleuchtet wird. Trotzdem kann ich die zwei Gruppen deutlich erkennen, eine davon deutlich kleiner als die andere.

Sie bekommen mich nicht mit, so sehr sind sie damit beschäftigt, wüste Beschimpfungen auszutauschen.

Erleichterung durchflutet mich, als ich Ethan sehe, umringt von seinen Teamkameraden, die sich schützend aneinander gedrängt haben.

Sechs von ihnen stehen elf bulligen Schlägern der Beckensale University gegenüber und fast alle haben schon blutige Platzwunden im Gesicht und an den Händen. Wieder einmal wird die Beckensale ihrem schlechten Ruf der Gewaltbereitschaft gerecht.

Entschieden marschiere ich auf sie zu und als hätte er einen sechsten Sinn, schießt Ethan's Blick sofort zu mir und Erleichterung macht sich auf seinem Gesicht breit.

„Danny!", entweicht es ihm, worauf auch alle anderen meine Präsenz wahrnehmen. Ich will gerade beschwichtigende Worte an alle richten, Ethan packen und so schnell wie möglich und ohne weitere Zwischenfälle von hier verschwinden, als Ethan sich mir vollständig zuwendet und ich die heftig blutende Platzwunde direkt über seinem linken Auge sehe.

Eisige Kälte durchzuckt mich. Ich habe bis jetzt noch nicht viele Situationen erlebt, in denen ich das Gefühl hatte, meinen Bruder tatsächlich beschützen zu müssen, aber in diesem Moment brüllt der Instinkt ungehemmt in mir auf.

Angespannt und mit harter Miene starre ich zu den Schlägern der Beckensale herüber. Es ist mir egal, wer warum angefangen hat, für mich zählt nur eins.

„Wer hat meinen Bruder geschlagen?"

Meine Stimme ist kalt und herausfordernd. Die Typen grinsen mich nur an, einer gibt einen langgezogenen Laut von sich und äfft mich nach, die Hände in seinen Gürtel gehängt.

„Da schaut euch mal diesen Cowboy an, frisch aus dem Wilden Westen", lacht er mich hämisch an. Seine langen Zöpfe hängen ihm ins glänzende Gesicht und ich kann das Gras bis hierhin riechen.

Hinter mir höre ich Ethan meinen Namen sagen, aber ich blende ihn aus, stiere diesen Idioten an, von dem ich mir sicher bin, dass er Ethan die Wunde verpasst hat. Schwere Ringe glänzen im Laternenlicht an seinen Fingern.

„Weißt du, Big Bro, deine Beschützernummer zieht nicht, weil du nicht in irgendeiner beschissenen Fernsehserie bist! Wir sind zu elft und die State Uni-Schwuchteln da hinter dir sind ne Lachnummer. Zieh besser Leine, Hübscher."

Er grinst mich dreckig an, als hätte er einen grandiosen Witz gemacht.

Womit er nicht gerechnet hat, ist,  dass ich einfach auf ihn zu marschiere und ihm blitzschnell und mit ganzer Kraft einen Kinnhaken verpasse, der ihn ächzend zurücktaumeln lässt.

Fluchend hält er sich den Kiefer und grollt: „Das hättest du besser nicht tun sollen." Noch während er spricht, prügeln zwei seiner Truppe schon auf mich ein und ich habe alle Hände voll zu tun, die beiden von mir fernzuhalten.

Als ich einen schmerzhaften Schlag in die Nieren bekomme, höre ich Ethan wütend schimpfen und im nächsten Moment stürzt er sich auf den Kerl zu meiner rechten. Hinter ihm mischen sich nun auch seine Freunde mit in die Schlägerei ein.

Ich weiche einer Faust aus und schubse mein Gegenüber gegen die Brust, bevor ich Ethan entschieden zurückziehe.

„Halt dich hier raus! Geh zum Auto, du blutest schon genug."

Seine Augen verengen sich und er schüttelt stur den Kopf. Ich schnaube verzweifelt, dann werde ich von einem Tritt gegen mein linkes Knie abgelenkt und keuche vor Schmerz auf.

Ich kämpfe mit allem, was ich habe - Fäuste fliegen, Füße vergraben sich in Mägen und meine Ellbogen sind sicher morgen blau, so schonungslos wie ich sie einsetze.

Wobei, auch der Rest meines Körpers wird wohl nicht anders aussehen.

...

Das kleine Funzellicht im Bad meiner Wohnung flackert heimlich vor sich hin, während ich vor Ethan knie und seine Platzwunde säubere.

Er verzieht das Gesicht und zischt, als der Alkohol brennt. Grimmig presse ich die Lippen aufeinander. Wie gerne würde ich ihm die Großer-Bruder-Standpauke geben, aber er sieht so demoliert auf, dass ich sie mir verkneife.

Morgen ist auch noch ein Tag und heute bin ich einfach nur froh, dass ich meinen kleinen Bruder nicht ins Krankenhaus fahren musste.

„Danny?", murmelt er leise, während ich die Platzwunde mit Klammerpflastern versiegele.

„Hm?"

Er sucht den Augenkontakt, dann seufzt er: „Danke, dass du gekommen bist."

Ich halte inne. Noch immer ist das Adrenalin nicht ganz abgeklungen und mein Körper ist zum Zerreißen gespannt. Nur die Vorstellung, dass Ethan etwas Ernsthaftes passiert wäre, raubt mir jeden Nerv.

Langsam nicke ich, greife nach seinem Nacken und schüttle ihn sanft. 

„Ich würde immer kommen, das weißt du. Versuch mir nur bitte beim nächsten Mal die Sorge und die blauen Flecken zu ersparen, ja?"

Ethan nickt und muss grinsen.

„Kein Problem, ich habe keine weiteren Schlägereien geplant, Danny."

Wir sehen uns an, verstehen einander wie es nur Geschwister tun und können nicht anders, als zu lachen.

Was eine Nacht.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 02 ⏰

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