4. Laenor Velaryon

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Am Morgen des nächsten Tages brach die Flotte früh auf, zu den Stränden der Trittsteine. Nichts hatte sich verändert, überall war Zerstörung und Tod. Dennoch hatte sich etwas verändert, er konnte nur noch nicht genau einordnen, was es war.

Sein Drache Seerauch und der Drache des Prinzen überblickten die Landschaft von oben. Nirgendwo waren gegnerische Bogenschützen und Späher zu sehen. Es war beinahe als wäre die komplette Höhle ausgestorben. Da erblickte er sie plötzlich, sie stand auf einer leichten Anhöhe und schien ihrer Ankunft zu erwarten. Ihr Haar war blutverschmiert und klebte an ihrem Hals, doch eigenartigerweise schienen ihre Klamotten nahezu gespenstig sauber zu sein.

Die Drachen setzten vor ihr zur Landung an. Dabei konnte er nicht einen Hauch von Angst in ihrem Gesicht feststellen, sie war nahezu gelassen als hätte sie in ihrem Leben schon tausende von Drachen gesehen.

Sein Vater und der Prinz traten nach vorne.

»Du lebst«, stellte sein Vater Corlys Velaryon, auch bekannt als die Seeschlange, mit einem Hauch von Überraschung fest.

Ein glockenklares lachen kam aus ihrem Mund. »Natürlich, oder habt ihr etwas anderes erwartet?« Ein grinsen umspielte ihren Mund. »Ich gratuliere zu eurem Sieg, Prinz Daemon.«

Ruckartig zog sie den Arm hervor und ein schwarzer Haufen landete nur wenige Meter vor ihren Füßen. Er brauchte einen Moment um zu begreifen, dass dies weder ein Stein noch ein unwichtiger Haufen war.

Es war der Oberkörper des Krabbenspeiser, abgetrennt über den Beinen, hingen seine Gedärme heraus. Doch es war unverkennbar Craghar Drahar.

In dem Moment konnte man in den Gesichtern vieles ablesen: Überraschung, Angst, Verwunderung und Misstrauen, ein Spiel von Emotionen. Ungläubig sah Laenor zu dem Mädchen hinauf, sie hatte in einer Nacht etwas geschafft, was ein ganzes Heer nicht in zwei Jahren vollbringen konnte.

Regungslos stand sie dort oben und sah auf sie hinab als schienen sie die Blicke zu amüsieren. Sie war wunderschön, das musste er zugeben, selbst mit dem Blutverschmierten Haar, hatte sie etwas äußert Anziehendes. Was eigenartig war, denn diesen flüchtigen Gedanken, hatte bisher noch kein Mädchen und keine Frau in ihm auslösen können.

Zu ihren Füßen stand eine unscheinbare Kiste aus Holz. Sie war ziemlich groß, doch was konnte schon wertvoll genug sein, um eine Armee abzuschlachten? Es war wohl kaum eine Vase, auch kein Schwert und schon gar kein Gold, denn dann hätte sie sich nicht nur mit dieser Truhe abgegeben. Die Triarchie hatte soviel von den Schätzen seines Vaters geplündert, das dort wertvolleres gewesen wäre.

Vielleicht waren es Diamanten? Oder Saphire? Aber wären Edelsteine wertvoll genug, um das zu tun, was sie getan hatte?

»Was ist mit den Überlebenden?«

Sie sah irritiert aus. »Welchen Überlebenden?«

Ein verängstigtes Raunen ging durch die Menge, erste Menschen murmelten, sie wäre eine Hexe oder etwas Schlimmeres. Aber was konnte schlimmer sein?

Der Blick der Soldaten schien sie zu amüsieren, bevor sie in lachen ausbrach. »Ihr solltet mal eure Gesichter sehen!«

Sie drehte sich nach hinten und sah zu den Höhlen und erste Menschen trauten sich langsam aus den Höhlen hervor, in ihren Händen weiße Fahnen. »Sie wollen nicht kämpfen und werden sich ergeben, dafür erwarten sie, das sie ziehen dürfen. Ich habe ihnen mein Wort gegeben.«

»Das war nicht in unserer Abmachung«, entgegnerte Vaemond Velaryon, mein Onkel, mit einer immer zu großen Klappe.

Ihre weißen Augen wanderten zu ihm – doch als sich jetzt die Morgensonne in ihnen spiegelte, meinte er auch etwas Lila und blau in ihnen sehen zu können. »Es mussten bereits genug ihr Leben lassen, sie werden nicht mehr gegen euch in den Krieg ziehen. Weder heute noch in Zukunft.«

»Wie wollt ihr sichergehen, dass sie ihr Wort halten?«

Ein kleines Schmunzeln erschien auf ihren vollen Lippen. »Weil ich ihnen das Versprechen gegeben habe, dass ich auf eurer Seite kämpfen werde, sollte dieses Abmachung gebrochen werden«, entgegnete sie und wandte sich dann direkt an Prinz Daemon und Lord Corlys, »wenn ihr euch an die Abmachung haltet, werden sie euch dienen und in eurem Namen und nach euren Wünschen, die Trittsteine befehligen.«

Lord Corlys runzelte ungläubig die Augenbrauen. »Ihr schenkt uns... eine Flotte?«

»Nennt sie wie ihr wollt«, entgegnete sie schulterzuckend, »aber so wie ich das sehe, wäre es eine Möglichkeit die Kriege auf diesen nervtötenden Trittsteinen vielleicht ein für alle Mal zu beenden. Es wurde bereits zu viel Blut vergossen und genug Leid verursacht.«

Es war merkwürdig sie sprechen zu hören, hatte er vorher noch gedacht, sie wäre ein herzloses Monster – so setzte sie sich jetzt wahrlich für Frieden ein und wollte keine Gefangenen machen.

»Ihr habt unser Wort«, stimmte sein Vater zu.

Sie lächelte zufrieden. »Dürfte ich noch um etwas bitten?«

»Für dass, das du nur eine Holzkiste wolltest, erwartest du nun ziemlich viel«, bemerkte der Prinz mit hochgezogener Augenbraue, schien aber durch ihr lächeln sofort besänftigt.

»Ich habe was ich will«, meinte sie mit einem Blick auf die Truhe zu ihren Füßen, »allerdings schwimmt es sich mit einer Kiste in der Hand nicht sonderlich gut. Seid ihr so nett und würdet mich in einem eurer Schiffe auf die andere Seite bringen?«

Der Lord der Gezeiten lachte. »Natürlich! Ihr habt uns den Sieg gebracht! Ihr seid wahrlich ein Geschenk der Götter, ihr werdet mit mir auf die andere Seite hinüberfahren!«

Aus Asche zu FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt