45. Selaena

341 22 1
                                    




Der heutige Tag brachte Nyra und Sela in die Straßen von Königsmund, die ärmeren Straßen. Flankiert von den Männern der Königsgarde und der Stadtwache zog die Sänfte durch die Straßen.

»Du hasst es, nicht wahr?«, stellte die Prinzessin belustigt fest und betrachtete den Gesichtsausdruck ihrer Freundin. Die sah alles andere als begeistert aus über ihre Fortbewegungsmittel. »Du reitest auf Drachen und ziehst über Schiffen über das Meer, aber in einer Sänfte wird dir schlecht?«

»Wofür habe ich meine Beine?«, entgegnete Sela, »außerdem hatte ich etwas anderes im Sinn als ich sagte, wir sollten uns unter die Leute begeben.«

»Du kannst gerne versuchen den Wachen das zu verklickern.«

Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht als der Zug plötzlich ins Stocken geriet. »Vertraust du mir?«

Rhaenyra sah sie stirnrunzelnd an. »Habe ich denn eine andere Wahl?«

»Nö!« Mit einem schelmischen grinsen griff sie nach Rhaenyras Hand und mit der anderen nach der Klinke ihrer Türe. Innerhalb von Sekunden waren die beiden aus ihrer Sänfte gesprungen und in eine der Nebengassen verschwunden. Ihr gesamter Begleittross war viel zu groß, um schnell darauf reagieren zu können und die Sänfte zu breit für die schmalen Gassen, so dass ihre Rufe schnell hinter ihnen verstummten.

Ihr Weg führte sie in ein Waisenhaus, wo das Eintreffen der Prinzessin mit großen Freuden verkündet wurde.

Nyra saß gerade mit ein paar Kindern im Kreis, spielte mit ihnen und lass ihnen vor – als mehrere Ritter der Stadtwache in der Tür erschienen. Ihre goldenen Umhänge wirkten im Angesicht des etwas heruntergekommenen Hauses fehl am Platz und waren dadurch nur noch auffälliger.

Zögernd sah Rhaenyra zu Sela als diese eine abwinkende Handbewegung machte, das Kind, welches auf ihrem Schoss saß neben sich setzte und auf die Ritter zu ging.

»Was geht hier vor sich?«, wurde sie von Ser Harwin Kraft begrüßt, der zögernd seinen Blick über die Kinder und die Umgebung wandern ließ.

»Es sind Waisen, keine Auftragsmörder«, entgegnete Sela abwinkend, »hier droht keine Gefahr.«

»Das war nicht Teil der Abmachung, welche die Prinzessin und ihr getroffen habt!«

»Wie soll sie ein Land regieren, wenn sie nicht seine Bewohner kennt?«, konterte Sela sofort und der Ritter blickte einen Augenblick nachdenklich zu der Prinzessin. Ihre Blicke kreuzte sich und Rhaenyra warf ihm ein bittendes Lächeln zu, woraufhin Ser Harwin seufzte.

Er befahl den anderen beiden Ritter, vor der Türe Wache zu schieben und dem losgeschickten Suchtrupp zu verkünden, dass die Prinzessin und die Lady gefunden und wohlauf sind.

Sela begab sich nun ebenfalls wieder zu den spielenden Kindern, während der Ritter der Stadtwache wie ein Beschützer hinter ihnen an einer der Säulen verweilte und über sie wachte.

✶ ✶ ✶

Die Kinder und auch die beiden Mädchen hatten an diesem Mittag eine Menge Spaß.

»Vielen Dank für euren Besuch, Prinzessin!« Die Hausmutter des Waisenhauses bedankte sich lächelnd.

»Ich habe zu Danken!«, erwiderte Rhaenyra sofort, »ihr leistet großen Beistand zu unserer Gemeinschaft, indem ihr den jüngsten helft, die sonst niemanden haben.«

»Leider Prinzessin, ist das oft nicht das Problem«, sagte die alte Dame mit einem Hauch von Trauer, »manche haben keinen Platz und kein Geld mehr für ihre eigenen Kindern... dann verkaufen sie sie oder setzen sie aus. Die glücklichen unter ihnen, kommen in eines unserer Häuser... die anderen.«

Kummer spiegelte sich in ihren Augen wider und tiefe Sorgenfalten durchzogen ihr ohnehin schon faltiges Gesicht.

»Was ist mit den anderen?«

Die Dame wollte gerade anfangen zu sprechen als Ser Harwin dazwischen ging: »Ich glaube nicht, dass dies eure Sorge ist, Prinzessin! Ihr solltet euch nicht mit so etwas belasten.«

»Ob ich mich mit etwas belasten will oder nicht, entscheide ich immer noch selbst!«, ermahnte Rhaenyra ihn und ergriff die Hände der alten Frau. »Bitte sprecht! Ich möchte es wissen, um helfen zu können.«

»Die Kinder verschwinden von den Straßen, in manchen Vierteln kann man sie kaum noch unbeaufsichtigt draußen spielen lassen.«

Sela runzelte die Stirn. »Sklavenfänger?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete die Frau ehrlich, »es wäre möglich, viele werden nicht mehr gesehen... die wo wieder auftauchen...«

»Was? Was ist mit ihnen?«

Mit gedämpfter Stimme sagte die Frau: »Was auch immer mit den Kindern geschieht... sie sterben.«

Rhaenyra schluckte und sah zu den Mädchen und Jungen, die im Innenhof des Hauses unbekümmert spielten. Die meisten von ihnen waren nicht einmal zehn Jahre alt. Wer konnte diesen Kindern etwas antun?

»Ich werde der Sache nachgehen lassen«, versprach Rhaenyra, mit einem Blick auf die löchrigen Klamotten und mageren Kinder, fügte sie noch hinzu, »und veranlasse, dass ihr Kleidung und Essen bekommt.«

»Oh Prinzessin! Das ist überaus großzügig von euch! Vielen, Vielen Dank! Ihr seid uns immer herzlich willkommen!«

Nyra drückte die Hand der älteren Frau aufbauend und verabschiedete sich mit einem Lächeln. Ehe sie nachdenklich hinter Ser Harwin herging. Einen Augenblick später war Sela an ihrer Seite.

»Und wie war ich?«

»Hervorragend, es hätte nicht besser sein können! Auch Götter müssen Mitgefühl haben«, stichelte Sela grinsend.

»Wären wir das, würde es wohl kaum dieses Unrecht geben«, bemerkte Nyra und sah zu Ser Harwin, »meine Herren, ich verlange, dass die Stadtwache diesbezüglich Ermittlungen einleitet und mir dazu Bericht erstattet. Findet heraus wo die Kinder verschwinden, dort verlange ich nach mehr Präsenz der Stadtwache!«

»Sehr Wohl Prinzessin.«

Die Mühen der Prinzessin trafen auf fruchtbaren Boden: Tatsächlich konnte die Stadtwache unter Ser Harwin mehrere Männer und auch Frauen überführen, welche Kinder unter falschen Versprechungen oder Androhung von Gewalt mit sich nahmen und gewinnbringend an den Höchstbietenden verkaufen wollten.

Die Spur der meistens Kinder verlor sich daher in den Häfen, wenn sie nach Übersee verschifft wurden. Ein paar wenige Kinder blieben in Königsmund, dennoch war es nicht möglich mit den vorhandenen Infos herauszufinden, was mit diesen Kindern geschehen war.

Denn je mehr der zwielichtigen Händler enttarnt wurden, desto vorsichtiger wurde der Rest und so verlor sich auch ihre Spuren nach mehreren Ecken.

Trotzdem war es ein Erfolg – denn Geld und Besitz der Händler gingen an das Königshaus über und Rhaenyra hatte verfügt, dass dieses dazu genutzt wurde, um den Ärmsten unter die Arme zu greifen.

✶ ✶ ✶

Auch wenn der König über ihren Ausflug erst nicht begeistert gewesen war und beide Mädchen für ihren Leichtsinn Ärger bekommen hatten, stellte sich Rhaenyras Handeln im Nachhinein als hilfreich heraus. Das Ansehen des Königshaus der Targaryen stieg und Rhaenyra erhielt den Beinamen Prinzessin des Volkes.

Sie erkannte das sie dadurch die Gunst des Volkes gewinnen konnte und setzte sich von da an auch für andere Bereiche ein: Sie unterstützte Musiker und Künstler, woraufhin die Prinzessin mit der Zeit auch Erwähnung in ihren Bildern und Liedern fand. Zum ersten Mal seit Rhaenys Targaryen, der Schwestergemahlin von Aegon dem Eroberer.

Das Land fing an gefallen an der Prinzessin des Volkes zu finden. 

Doch nichts blieb ohne Skandal und so sollte auch hierauf noch etwas folgen...

Aus Asche zu FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt