65. Alicent Hohenturm

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Die Königin saß mit ihrer Tochter Helaena auf dem Boden, während diese ein grotesk ekligen Tausendfüßler, so groß wie ihre eigene Hand über eben diese krabbeln ließ und ihn vollkommen fasziniert ansah.

Sie hatte ihn auf ihrem letzten Ausflug mit Lady Selaena entdeckt und ihn als neues Haustier adoptiert. Helaena berichtete ihr voller Fazination davon, wie viele Beine er hatte und das er trotz dem, dass er Augen hatte, wohl nichts sehen konnte.

Die Königin verstand die Faszination ihrer Tochter für diese Wesen nicht, sie seufzte: »Was denkst du, woran das liegt?«

»Das übersteigt die Vernunft«, antwortete Helaena nur schulterzuckend, ohne ihren Blick von dem Wesen abzuwenden.

»Du hast sicher Recht«, stimmte sie schließlich zu, »manches ist wie es ist.« Mit einem lächeln legte sie ihrer Tochter eine Hand auf die Schulter als die Türe geöffnet wurde. Ein Ritter der Königsgarde führte ihren Sohn hinein.

»Aemond! Was hast du angestellt?!« Das Haar ihres Sohnes war wirr und angesengt, Russ zierte Teile seiner Haut. Er war in der Drachengrube gewesen.

»Er hat es wieder getan«, vernahm sie die sanfte Stimme ihrer Tochter, nicht anklagend, sie stellte nur fest.

»So oft haben wir dich gewarnt!« Eindringlich sah sie ihn an. »Muss ich dich in deine Gemächer sperren...«

Bevor sie damit fortsetzen konnte, ihn zurecht zu weißen, wurde sie von ihrem Sohn unterbrochen: »Sie haben mich dazu getrieben!«

Alicent packte ihn an der Schulter und schüttelte ihn, ohne den Schmerz in seinen Worten zu hören. »Deine Besessenheit von diesen Wesen übersteigt jede Vernunft!«

»Sie haben mir ein Schwein geschenkt!«, sagte er voller Schmerz und seine Mutter verstummte.

Entsetzt sah sie ihn an. »Ein was?«

»Sie sagten, sie hätten einen Drachen für mich. Aber es war ein Schwein!«

Die Königin seufzte und ihr Blick wurde weicher. »Du wirst eines Tages auch einen Drachen haben... das weiß ich!«

Unterbewusst, noch immer fasziniert betrachtete Helaena ihren tierischen Freund, ehe sie wie in einem Singsang sagte: »... wenn er ein Auge schließt.«

»Sie haben alle gelacht«, sagte Aemond traurig und die Königin nahm ihn in den Arm, »sie haben nicht mehr gelacht als Selaena und Vaelah kamen«, fügte er dumpf hinzu als seine Mutter ihn an sich drückte.

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Wenig später stand die Königin noch immer aufgebracht in den Gemächern des Königs: »Sie haben ihm Flügel umgebunden und einen langen Schwanz!«

»Der Junge ist viel zu leichtgläubig!«, bemerkte König Viserys.

»Er ist ein Kind!«, nahm Alicent ihn entschlossen in Schutz.

»Er hat geglaubt dass sie einen wilden, namenlosen Drachen in die Drachengrube gebracht haben.«

»Wir wussten vom größten Drachen der Welt nicht, bis dieser mit einer merkwürdigen Fremden plötzlich vor dem roten Bergfried stand!«, begehrte Alicent. »Deine Enkel sind eine Plage!«

»Sie sind noch kindlicher als er!«

»Sie...sie... sie sind wilde! Und das ist keine Überraschung!«

Der König betrachtete die Königin. »Bist du sicher, dass nicht Aegon sie dazu angestachelt hat?«

Die Bitterkeit überzog das Herz der Königin als Visery seine Enkel den eigenen Söhnen, ihren gemeinsamen Kindern wieder einmal den Vorzug gab. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. »Ein Wunder das ihre Drachen geschlüpft sind.«

Der König zog eine Augenbraue hoch und sah die Königin kritisch an. »Was möchtest du damit sagen?«

»Das weißt du ganz genau!«

»Ich fürchte nicht.«

»Viserys«, seufzte Alicent, »ich hatte dieses Thema schonmal angesprochen. Du hattest mir den Mund verboten, also hielt ich ihn. Ein solches Kind zu bekommen, mag ein Ausrutscher sein, aber drei... sind eine Beleidigung! Für den Thron. Für dich. Für das Haus Velaryon und die Partie, die du unbedingt für sie wolltest! Ganz zu schweigen von Sitte und Anstand!«

»Ich hatte mal eine schwarze Stute, schwarz wie ein Rabe. Eines Tages floh sie von der Weide und der benachbarte Hengst zeugte ein Fohlen mit ihr. Der Hengst war so silbern, wie der Mond in einer Winternacht und das Fohlen, dass auf die Welt kam, war ein Fuchs.«

Alicent schnaufte schwer.

»Das unscheinbarste, braune Pferd, das du dir vorstellen kannst. Die Launen der Natur sind manchmal unergründlich.«

Alicent verdrehte die Augen als der König sich wieder seinem Abbild Valyrias zuneigte. Doch dieses Mal würde sie es nicht dabei belassen. »Woher hast du es gewusst? Der silberne Hengst, das er der Vater war? Hast du dem Akt selbst beigewohnt?«

Fassungslos schüttelte der König der Kopf. »Die Konsequenzen, der Anschuldigungen wie du sie hier erhebst, wären verheerend.«

Er erhob sich von seinem Platz, legte ihr eine Hand auf die Schulter und sah von oben herab in ihre Augen, ehe er mit sanfter aber strenger Stimme sprach: »Nie wieder ein Wort davon!« Er küsste ihre Wange und Alicent wusste, das dieses Gespräch vorbei war.

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»Verliere ich den Verstand, Ser Kriston? Führen meine Sinne mich in die Irre?« Die Königin schritt mit ihrem Leibwächter durch die Flure des Bergfrieds, nachdem sie den König verlassen hatte. »Oder träumen wir alle denselben verschwommen Traum?!«

»So erscheint es mir zu Weilen auch eure Gnaden.«

Die Königin redete sich in Rage: »Sie stellt das Privileg ihres Erbes schamlos zur Schau und erwartet von allen im roten Bergfried die Wahrheit zu leugnen!«

Fassungslos schüttelte sie den Kopf. »Und der König, ihr Vater...«

»... er weiß es«, meinte Ser Kriston.

»Natürlich weiß er es!«, stimmte sie fassungslos und hysterisch zu. »Er wusste es und hat es wieder verdrängt! Er sucht immer ausreden für sie!«

»Prinzessin Rhaenyra ist unverfroren und rücksichtslos«, die Worte Ser Kristons fühlten sich wunderbar an, so erfüllend und zustimmend, »eine Spinne, die zubeißt und die Opfer dann aussaugt. Eine verzogene Fotze!«

Die Königin verharrte, auch wenn seine Worte wie ein wohltuendes Bad war, das ihren Körper erfüllte – so ging er damit zu weit, wusste sie doch über ihre Geschichte Bescheid. Auch dem Ritter schien seine Verfehlung aufgefallen zu sein. Entschuldigend wandte er sich ihr zu. »Verzeiht, das war unter meine Würde euer Gnaden. Vergibt mir.«

»Ich klammere mich an die Hoffnung, dass zu guter letzte Ehre und Anstand obsiegen werden. Daran müssen wir uns festhalten«, sagte sie entschieden und blickte ihrem Ritter in die Augen, »und aneinander.«

Ihr nächster Weg führte sie nun zu ihrem Ältesten und der Anblick, der sich ihr dort bot als sie sein Zimmer betrat war nun nicht gerade das, was eine Mutter von ihrem Sohn sehen wollten. Seinen blanken Hintern, während er im Fensterrahmen stand, hinab in den Hof blickte und eindeutige Handbewegungen an der Mitte seines Körpers ausführte. 

Aus Asche zu FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt