5. Laenor Velaryon

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Nachdenklich sah Leanor dem eigenartigen Mädchen und seinem Vater nach, dieser schien ihr irgendetwas zu erzählen, denn er sah wie sie immer wieder nickte. Die mysteriöse Holzkiste in den Händen halten, hatte er beobachtet wie sie einmal beinahe liebevoll über den Deckel gestrichen war als hätte sie einen lange verlorenen Schatz zurück.

»Was denkst du, ist in dieser Kiste?«, fragte er seinen Drachen gedankenverloren.

»Es gibt wohl nur einen Weg, das herauszufinden.«

Irritiert runzelte Leanor die Stirn als er sich umdrehte und den Prinzen erblickte. »Was meint ihr?«

»Geht an Board des Schiffes. Fragt sie... oder wartet ab bis sie es unbeaufsichtigt lässt und seht einfach hinein.« Ein schmunzeln umspielte seine Mundwinkel.

»Ihr wollt es also auch wissen«, bemerkte Laenor leicht spöttisch.

»Um sie zu bekommen hat sie eine Spur auf Blut und Leichen zurückgelassen... diese Männer haben sich nicht aufgrund ihrer Gnade ergeben. Diese Männer haben sich ergeben und unsere Sache angeschlossen weil sie sie fürchten. Findet ihr das nicht eigenartig?«, meinte er nachdenklich. »Wir haben Drachen, die sie bei lebendigem Leib verschlingen können und sie fürchteten sich vor einem schönen Mädchen, so sehr, dass sie deswegen aus ihren Höhlen kommen und wisst ihr warum? Weil sie die Wahrheit gesehen haben... und sie fürchten sie mehr als unsere Drachen.«

»Meint ihr, sie ist gefährlich?«

»Gewiss«, er wiegte den Kopf, »doch als sie hatte was sie wollte, hat sie sich für diese Menschen eingesetzt... ich... ach lassen wir das«, meinte er abwinkend und fügte dann hinzu: »Möglicherweise könnte sie eine hilfreiche Verbündete sein... man sollte sie nur nicht wütend machen. Vielleicht sollten wir sie einladen zu bleiben.«

»Denkt ihr, sie will gehen?«

»Ich denke, wir sollten noch etwas über sie in Erfahrung bringen. Was ist ihr Name? Ihre Heimat? Zu welchem Haus gehört sie... denn sie ist nicht aus Westeros und sie kommt auch aus keinem mir bekannten Haus. Ansonsten wäre sie schon längst verheiratet worden und ihr Name wäre im ganzen Land bekannt.«

»Wie kommt ihr darauf?«

Der Prinz lachte. »Hast du sie dir angesehen? Diejenigen, die sie nicht gefürchtet hatten... sind ihr hoffnungslos verfallen. Käme sie aus einem der einflussreichen Häuser, hätte ihr Vater sie längst zum Vorteil seines Hauses verheiratet und ihre Schönheit wäre über die Grenzen hinaus bekannt.«

»Da könntet ihr Recht haben«, stimmte er nachdenklich zu, ehe er seinem Drachen über die Schuppen an der Wange strich, »wir sehen uns zuhause, mein Großer.«

»Was habt ihr vor?«, rief Daemon.

»Ich finde heraus, was in dieser Truhe ist«, rief er grinsend über die Schulter und eilte seinem Vater und der Fremden nach zu den Schiffen. »Wartet! Ich fahre mit euch!«, rief er und sah seinem überraschten Vater ins Gesicht. »Was ist mit Seerauch?«

»Er findet den Weg nach Hause sicher auch allein«, bemerkte Laenor grinsend, ehe er sich suchend umschaute. Lord Corlys zog verwundert eine Augenbraue hoch. »Sie ist vorne am Bug«, bemerkte er, über das scheinbare Interesse seines Sohnes. Laenor nickte dankbar und machte sich dann auf den Weg.

✶ ✶ ✶

Anders als die meisten Frauen, die er kannte, trug sie kein Kleid, sondern eine eng anliegende Hose aus braunem Leder mit passendem Mieder, welches ihre Taille betonte. Der Wind umspielte ihre Haare, welche immer noch blutverklebt an ihrem Hals und Kopf klebten. Dennoch bildete er sich ein, dass ihre Haare darunter heller waren. Aber es konnte auch eine Täuschung sein.

»Ser Laenor, was verschafft mir die Ehre?«, vernahm er ihre Stimme, ohne das sie sich zu ihm umdrehen musste, um zu wissen wer kam. Irritiert hielt er inne.

»Ihr habt gute Ohren, my Lady.«

Sie kicherte. »So hat mich schon lange niemand mehr genannt«, bemerkte sie amüsiert als er sich neben sie an die Reeling stellte und ebenfalls auf das Meer hinausblickte. Heute war das Meer ruhig und die Sonne schien als wollten die Götter das Ende des Krieges feiern.

»Wie habt ihr das gemacht?«, fragte er nach einem Moment der Stille und musterte unauffällig von der Seite. Er betrachte ihre schönen Gesichtszüge, er konnte die Soldaten verstehen und die Gedanken, die sie in ihnen ausgelöst hatte als sie auf ihrem Pferd ins Lager gekommen war. Da wandte sie ihm den Kopf zu und sah ihn fragend an. »Was genau meint ihr?«

»Wie seit ihr an den Krabbenspeiser herangekommen?«

Ihr Blick schweifte wieder hinaus auf den Ozean und nahm nachdenkliche Züge an. »Ich wurde für den Krieg ausgebildet«, fing sie an zu erzählen, »sie sind auf Truppen vorbereitet oder Drachen, aber keiner erwartet, dass nur eine einzelne Person kommt. Doch allein kann man die Schatten nutzen. Es war eigentlich ein Kinderspiel in die Höhlen zu kommen.«

Aufmerksam hatte er ihren Worten gelauscht. »Und in den Höhlen?«

»Es gab Kämpfe«, antwortete sie schulterzuckend und er merkte, dass sie nicht weiter darauf eingehen würde, »es hat gedauert Craghar zu finden... er ist ein Feigling, doch in die Enge getriebene Tiere werden gefährlich... er hat mich angegriffen und es ist etwas... eskaliert.«

»Wo habt ihr das gelernt?«

»Meine Eltern haben es mich gelehrt«, antwortete sie und auch wenn sie bisher stark klingen wollte, konnte er hören das ihre Stimme leiser geworden war.

»Was ist mit ihnen?«

»Sie sind schon lange Tod... im Feuer umgekommen.«

»Das tut mir sehr leid.«

Ein schwaches Lächeln erschien auf ihren Lippen. »Das muss es nicht, sie waren meine Eltern und ich habe sie geliebt... aber sie waren keine guten Menschen und sie haben viele Opfer gebracht.«

Ein Räuspern erklang hinter ihnen: »My Lady, der Lord würde gerne mit ihnen sprechen.« Hinter ihnen stand einer der Offiziere seines Vaters. Es war amüsant zu sehen, wie er versuchte einen neutralen Blick zu bewahren als sie ihn direkt ansah. Doch immer wieder konnte er ihn dabei ertappen, wie seine Augen über ihren Körper schweiften.

Bedauerlicherweise nahm sie die Truhe mit sich als sie verschwand. Dieses Geheimnis wurde wohl ihres bleiben.

Aus Asche zu FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt