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Ich musste versuchen normal zu wirken, damit Julez nichts merken würde. Ich suchte ihn dann, weil er nicht im Flur gewartet hatte. Aber dann fiel mir wieder ein, ich hab ja jetzt ein Handy. Ich schrieb ihn, dass ich unten wartete, ob ich bleiben solle, oder zum Auto. Ersteres war seine Antwort. Also wartete ich. Als er nach dem einen Wort mich echt lange warten ließ, fragte ich ob alles ok sei. Aber es kam keine Antwort mehr.

"Wenn du in fünf Minuten nicht antwortest oder hier bist, werde ich einfach gehen!" Das ließ ihn dann doch schnell wieder etwas ins Handy tippen. Und das entweder viel, oder er überlegte echt lange.

"Komm zum Auto." Und dafür brauchte er Minuten? Für drei Worte? Ich war irgendwie verwirrt. Was war plötzlich los mit ihm? Ich sah ihn dann an der Fahrertür lehnen. Kopf nach unten. Wirklich Julez war das nicht mehr.

"Was ist los?" Keine Antwort. Das einzige was mir einfiel ihn einfach nähe zu schenken. Ich kuschelte mich an ihn. Wollte zeigen, dass ich für ihn da bin. Er schloss mich dann in seine Arme. Schien das wirklich zu brauchen. Der leise zeufzter klang, als wäre ihm ein Stück last vom Herzen gefallen.

"Du wirst nie gehen, oder?" Was sollte jetzt diese Frage, auf die er die Antwort schon kannte.

"Wem sollst du sonst nerven? Ohne mich bist du aufgeschmissen." Grinste ich nekisch.

"Mir wäre auch egal aus welchen Grund. Aber du gibst mir diese Ruhe, die ich ab und zu brauche. Und ich hoffe, ich kann dir dafür auch genug zurückgeben. Du hast geschafft, dass Ayden wieder lacht und das wir uns wieder annähren. Auch wenn nur langsam. Du bist ein Geschenk." Das brachte mich zum weinen und die Lüge tat mehr weh denjeh. Aber ich wusste nicht, was ihr Vater tun würde, wenn ich es verraten würde? Ob sie mitspielen? Oder doch sich verraten fühlen würden. Würden sie mir überhaupt glauben. Ich war so verzweifelt wie noch nie. Das war schmerzhafter, als der Hunger und darauf zu warten, wann man nicht mehr aufwacht.

"Hab ich was falsches gesagt?" Verwirrt durch meine Tränen hob er sanft mein Kinn.

"Nein. Ich ... ich bin nur gerührt von deinen Worten. Du kannst ganz schön schleimen."

"Eines meiner verborgenen Talente." Schmunzelte er und gab mir einen sanften Kuss. Ich war immer noch verzweifelt und versuchte das zu verbergen. Ich hätte ihm so gern gesagt, was sein Vater von mir verlangte, aber würde er es glauben? Und wenn er es täte, würde die Last mehr als auf mir sitzen. Da er sich vielleicht erst recht dazu gezwungen fühlen würde mich zu fragen.

Dann fiel mir ein, warum Nolan mich nicht gewarnt hatte? Er wusste wohl auch vom ersten. Er war ja seine rechte Hand und hatte sicher mehr wissen in vielen Dingen, als die anderen. Ich wüsste generell gern, wie tief ihre Beziehung geht. Immerhin macht er die Lüge wissend mit. Oder hatte es damit zu tun was er letztens sagte, dass er dem Vorsitzenden viel Schulden würde. Seine Familie hätte es ja schwer gehabt, da fragte ich mich, wo diese Familie von Nolan war? Was er genau meinte. Vielleicht sollte ich ihn mal zur rede stellen. Zumindest warum er diese Lügen mitmachte, wenn er die beiden doch so mochte. Aber ... durfte ich Urteilen? Ich war nicht besser. Ich schämte mich wenigstens dafür, er auch? Oder waren ihm die Jungs egal?

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Nach Hause wollte ich nicht. Das mit Nolan ging mir nicht aus dem Kopf. Irgendwie wollte ich ihm aus dem Weg gehen. Bat Julez, dass wir irgendwo hingehen, wo wir einfach entspannen können. Und später würden wir, wenn er wieder da wäre, Ayden dazu holen. Er wollte eh mit uns die Grenzen klären, da es ja sowas wie eine Dreierbeziehung geworden, womit wir alle wohl einverstanden waren.

In der Nähe vom Haus durch den Wald gab es eine Lichtung. Dort stand ein kleines Forsthaus. Das aber nicht so schäbig aussah, wie man sich solche Hütten vorstellen würde. Es war sauber und ziemlich gemütlich. Klein aber Fein.

"Hier sind nicht wirklich Ranger unterwegs? Das sieht eher nach Bumbsbude aus." Kicherte ich frech.

"Wäre dann ein guter Ort für deine sauberen Ergebnisse." Haha! Dachte ich. Er sprach auf die Befunde der Frauenärztin an.

"Hast du Ayden schon geschrieben? Ob er schon wach ist? War ja wieder unterwegs die Nacht."

"Ja, Stillsitzen kann er nicht. Mal hier, mal da. Er ist überall. Aber um ehrlich zu sein, ich weiß gar nicht wo überall. Habe nie gefragt." Ich setzte mich dann auf eine kleine Holzecke, die mit Fell bezogen war. Draußen hörte man die Vögel zwitschern und durch das Fenster strahlte die Sonne. Es war so schön idyllisch.

"Warum hast du nie gefragt? Ist man nicht neugierig wo sein kleiner Bruder ist. Oder seid wann macht er das?"

"Er war schon immer sprunghaft, besser gesagt lebhaft. Auch wenn man das nicht glauben mag. Aber seit wir den Stress hatten, noch viel mehr. Ich bin wohl kein gutes Vorbild. Vielleicht habe ich auch als großer Bruder versagt. Ich weiß es nicht." Ich zog ihn neben mich. Er setzte sich an die Kante dieser Fellbezogenen Bank und ich  kletterte auf ihn. Schmiegte mich sanft an ihn. Wollte ihm einfach nah sein.

"Du bist ein guter Mensch. Auch sicherlich Bruder. Aber ihr habt, wie du sagtest völlig verschiedene Charaktere. Ansichten. Lebenseinstellungen. Man kann trotzdem gut miteinander auskommen. Kompromisse finden. Ehrlich sein und andere akzeptieren wie sie sind. Das schafft ihr auch wieder. Immerhin hatte es doch mal geklappt." Sprach ich ihm Mut zu. Es fruchtete nicht so wie gehofft. Aber der kleine erleichterte Seufzer zeigte mir, dass er mir wohl irgendwie recht gab.

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