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TIMÉO

Mit verschränkten Armen beobachte ich, wie sie die bewusstlose Blondine vor mir aufs Bett legen und ihre Arme am Kopfteil fesseln. »Bindet sie fester«, weise ich die Männer an und starre die kleine Schlampe mit verkniffener Mine an. Das Biest hat mir die Arme zerkratzt, mich bespuckt und geschlagen. Jede andere hätte ich längst gevierteilt. Sie hingegen, lasse ich in mein Gästebett legen und stehe hier wie ein Idiot. Ich glotze sie an, als wäre ich am Boden festgewachsen. Dämlicher kann man nicht ausschauen. Mein Hemd blutbefleckt, die Knarre noch immer in meinem Hosenbund. In meinem Kiefer hat sich ein stechender Schmerz breitgemacht, der sich bis in meine Stirn zieht. Das Biest hat einen festen Schlag, dass muss man ihr lassen.
»Nein, noch fester«, seufze ich und trete neben das Bett, um das ganze selbst in die Hand zu nehmen. Ich zerre die Kabelbinder um das Kopfteil, schließe sie um ihr Handgelenk über ihrem Kopf und zerre sie ratschend zusammen, bis sie straff sitzen. Das wird ihr zu schaffen machen, wenn sie erwacht. Normalerweise läge sie jetzt schon längst tot in einer Ecke der Stadt. Da sie nun mal von James und Sawyer höchstpersönlich kommt, kann ich sie nicht einfach so loswerden. Das wäre respektlos ihnen gegenüber. Deshalb werde ich es wohl oder übel ein wenig mit ihr aushalten müssen. Vielleicht bringt sie etwas frischen Wind ins Haus. Schaden könnte es nicht. Meine Männer könnten jemanden gebrauchen, der sie auf Trapp hält. Es ist ein gutes Training für sie.

»Die Füße auch«, erkläre ich ihnen und nehme mir selbst einen Kabelbinder. Ich schnappe mir ihr linkes Bein und zurre den Knöchel am Bettpfosten fest. Die beiden Männer fesseln ihren rechten Knöchel und treten anschließend zurück. Gott, sie wird außer sich vor Wut sein, wenn sie aufwacht. Das lässt mich grinsen. Sie liegt schlafend vor uns, völlig nackt und entblößt. Ich werfe die dünne Satindecke über sie, damit sie sich nicht beschweren kann, wenn sie wach wird. »Geht jetzt. Wir sehen uns morgen«, spreche ich zu den anderen. Mit einem kleinen »oui«, verschwinden sie und lassen mich allein im Zimmer. Nachdenklich mustere ich ihr schlafendes Gesicht noch einmal. Eine Platzwunde schmückt ihre Stirn und trockenes Blut klebt ihr im Gesicht. Trotzdem entgeht mir nicht wie hübsch sie trotz allem ausschaut. James weiß, was mir gefällt, das kann ich nicht leugnen. Wäre sie nur nicht so kratzbürstig und würde ich den Fakt nicht kennen, dass sie ein Bulle ist, dann ... ich stoße alle Luft aus meinen Lungen und schnalze mit der Zunge. Eine Schande, dass sie so eine große Fresse hat. Vielleicht sollte ich die ihr bei Gelegenheit mit meinem Schwanz stopfen. Der findet die Idee recht ansprechend und richtet sich sofort auf. »Nicht jetzt«, murmle ich zu mir selbst und lege den Kopf schief. Das ist wahrlich das schrägste Geburtstagsgeschenk, welches ich je bekommen habe. Aber auch vermutlich das interessanteste. Ich kenne bis jetzt nicht mal ihren Namen, was sich bald ändern wird. Hoffentlich weiß sie wie man sich benimmt, wenn sie aus ihrer Ohnmacht wieder zu sich kommt. Ratsam wäre es. Sonst werde ich, zu ihrem Nachteil, sehr unfreundlich werden.

Ich entscheide mich dazu, sie vorerst allein zu lassen und knipse das Licht neben ihrem Bett aus. Quentin versicherte mir, dass sie keinerlei Koffer oder Habseligkeiten dabeihatte. Woher James sie also hat, ist mir ein Rätsel. Ein Rätsel, was mich verdammt reizt. Ich lehne die Tür ihres Zimmers hinter mir an, laufe den Flur der Villa entlang und biege ins Wohnzimmer ab, in dem mein bester Freund noch auf dem Sofa abhängt. »Hast du kein Zuhause?«, frage ich ihn Augenverdrehend und bediene mich an der Minibar neben den Fenstern. »Selbst wenn, deine Villa ist die krasseste Bude überhaupt.«
»Hätte ich sie sonst gekauft? Außerdem sagst du das immer, wenn du high bist.«
»Schade das James nicht zwei in die Kiste gepackt hat. Mein Schwanz könnte jetzt ne Ablenkung gebrauchen«, seufzt er. Kopfschüttelnd drehe ich mich mit zwei Gläsern zu ihm um und reiche ihm eines. »Glaub mir, die hätte ihn dir eher abgebissen«, brumme ich genervt und falle neben ihm in die Polster. Quen beginnt zu lachen und nimmt einen großen Schluck Tequila. »Hat vielleicht auch was. Weißt du was, teste sie erstmal und sag mir dann, ob es sich überhaupt lohnt. James wird dir ja keinen scheiß geschenkt haben. Und woher die Kleine ist, ist doch auch egal«, meint er Schulterzuckend. Natürlich sieht er das lockerer als ich. Immerhin wird er sie ja auch nicht heiraten. Das werde ich sein. Sie wird meine Frau, aber das geht nicht, wenn sie so unausstehlich ist. Sie muss immerhin vor dem Altar Ja sagen, ohne dass ich ihr meine Kanone an den Kopf halten muss. Nachdenklich leere ich mein Kristallglas und setze es auf dem Couchtisch ab, bevor ich mich wieder erhebe und Quentin auf die Schulter klopfe. »Hau dich aufs Ohr, wir müssen morgen ein paar Dinge klären. Die Arbeit erledigt sich nicht von selbst«, erinnere ich ihn an unseren Zeitplan und entferne mich aus dem Wohnzimmer. Er nuschelt noch etwas unverständliches, bevor er außer Hörweite ist und ich im ersten Stock in mein Zimmer verschwinde.

Ich mache mir nicht die Mühe Licht einzuschalten als ich in mein Badezimmer laufe und meine Kleidung ablege. Mit Alkohol im Blut steige ich unter die kalte Dusche. Diese senkt den Spiegel etwas und bringt den Nebel in meinem Kopf dazu, sich zu lichten. Ich kann trotz dessen keinen klaren Gedanken fassen, weil ich ständig an heute Abend denken muss. An die Blondine, die Schießerei und meinen Job. Es ist ein einziges Wirrwarr in meinem Kopf. Wie eine verknotete Schnur, dessen Anfang und Ende ich nicht finden kann. Ich lehne meine Stirn ausatmend gegen die kalte Duschwand und schließe die Augen. Das eiskalte Wasser rinnt mir übers Gesicht und tropft in den Abfluss. Ich wünschte es könnte meine Gedanken fortspülen so wie das Blut, dass sich am Boden der Dusche sammelt. Fuck, meine Hand habe ich total vergessen.
Mit einem Handtuch um den Hüften öffne ich zehn Minuten später den kleinen schwarzen Blechkasten, den ich neben dem Waschbecken platziert habe. Ich greife mir eine Mullbinde, etwas Desinfektion und eine Kompresse. Tief sind die Schnitte in meiner Handinnenfläche zum Glück nicht. Ein bisschen Wundspray, dann die Kompresse und zum Schluss der halbe Mullverband. In ein paar Tagen sollte, das erledigt sein. Ich rühre den Kasten nicht weiter an und lasse alles so stehen wie es herumkullert. Dafür habe ich heute keinen Nerv mehr. Müde schmeiße ich mich in eine kurze Hose und anschließend in mein großes Bett. Der Mond erhellt mein Gesicht und lässt mich einen Moment innehalten. Ich starre aus den Fenstern, bin allein mit meinen Gedanken, und es dauert nicht lang, bis ich auf dem Rücken liegend einschlafe, bis die Sonne wieder aufgeht.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt