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AMELIA

Timéo zückt seine Kreditkarte so selbstverständlich, dass ich fast vom Glauben abfalle. Er tippt seinen Code ein, während ich wie hypnotisiert auf die sieben Ziffern der Kasse starre. Er tätigt die Zahlung, als wäre dieser Ring Pennys für ihn. Aber für mich, ist diese Summe mehr als ich in meiner gesamten Karriere in sieben Leben verdienen würde. Unglaublich, mit welch einer Sorglosigkeit, er lebt.
»Die Bank wird sicher gleich anrufen, und die Zahlung prüfen, damit-«
»Ich habe meinen Berater bereits vorab informiert, keine Sorge Mortimer. Dann sehen wir uns morgen im Hotel, nehme ich an.«
»Natürlich Monsieur Moreau. Vielen Dank für ihren Einkauf. Wir werden den Ring ihrer zukünftigen Frau sorgfältig anpassen.«
Bevor wir das Zimmer verlassen haben, hat Mortimer meinen Finger gemessen und mir erzählt, wie er den Ring anpassen wird. Da ich schmale Finger habe, muss er enger gemacht werden. Ich habe mir alles still angehört, da ich sowieso kein Mitspracherecht habe. Nun ja, Timéo stand zu seinem Wort und ließ ihn mich aussuchen, aber Ahnung habe ich von Schmuck nicht. Ihm scheint es da anders zu gehen. Er hat den Juwelier mit einer Reihe fragen gelöchert, denen ich kaum folgen konnte. Er scheint etwas von Schmuck zu verstehen, was mich wirklich verwundert, da er keinerlei trägt. Es macht ihn nur noch mysteriöser als ohnehin schon. Ich will wissen, wer die mysteriöse Person ist, die er verkörpert. Wer ist Timéo Moreau?

Wir verabschieden uns. Die Bodyguards geleiten uns zurück zum Wagen und wir sitzen kaum, da drehen die Räder sich schon wieder. Ich lausche dem Gespräch, das Timéo während der Fahrt am Telefon führt. Verstehen tue ich kein Wort, da er französisch spricht. Vermutlich, damit ich nichts hören kann. Nur ein Name fällt öfters, der mir im Gedächtnis bleibt. Quen. Wer er wohl ist?
Irgendwann hält die schwarze Limousine, vor einem unscheinbaren Haus. Es schaut aus wie jedes andere in der Straße, wenn nicht wie jedes andere in Paris. Sandstein, Fensterläden und Balkone. Im Erdgeschoss ist eine Boutique, die zu dieser Uhrzeit bereits geschlossen hat. Verwundert schaue ich an der hellen Fassade empor als ich auf dem Bordstein stehe. Ich dachte, wir wollen etwas essen? Was machen wir nur hier? Regen geht auf uns hinab, als ich zu Timéo laufe, der neben einer schwarzen Tür auf mich wartet. Ich folge ihm durch einen Nebeneingang in einen langen Flur, zu Aufzügen. Die Bodyguards immer bei uns.
Ich kann mein Atem hören, als ich neben dem Franzosen im Aufzug stehe und dieser langsam hochfährt. Die Zahlen auf dem Display werden stetig größer, und so auch die bedrückte Luft im inneren des Aufzugs. So eng neben ihm zu stehen, lässt mich komisch fühlen.

Die Türen gleiten sanft auf und offenbaren einen langen dunklen Raum. Goldene Wandlampen erhellen den Flur, und an einer kleinen Rezeption steht ein Mann im Kellnerkostüm. Hinter ihm ein gerahmtes Gemälde hängend. »Willkommen im Golden Wing Paris, Madame und Monsieur Moreau. Folgen sie mir doch bitte zu ihrem Tisch.«
Ohne, dass wir etwas sagen müssen, geleitet er uns weiter den dunkel vertäfelten Flur hinab. Die klänge klassischer Musik spielt leise, und begleitet uns auf unserem Weg durch das zuerst unscheinbare Restaurant. Wir durchqueren einen Saal mit Tischen, die allesamt gut gefüllt sind. Bis in ein privateren Raum, mit Tisch direkt vor den Fenstern. Der Kellner nimmt uns unsere Jacken ab, bevor er sich an Timéo wendet, und ich fasziniert neben dem Tisch stehenbleibe. Von hier oben kann man den Eiffelturm sehen. Er ist ganz nah und strahlt in der Nacht wie Sterne. Meine Hand krallt sich in die Rückenlehne des Stuhls neben mir, da ich fürchte, dass der Anblick, der sich mir bietet, nur ein Traum ist. Von hier oben hat man einen perfekten Ausblick auf die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten. Ich liebe es. Jede Sekunde, die ich den Eiffelturm länger anstarre, versinke ich etwas mehr in seiner Schönheit.

»Setz dich. Sei nicht unhöflich Amelia.«
Meine Augen wandern zu Timéo, der sich bereits niedergelassen hat und die dicke, in Leder gebundene Karte aufklappt. Ich tue, was er sagt, überschlage meine Beine unter dem Tisch und Blicke auf die auf Französisch verfasste Speisekarte. »Ich kann das nicht lesen, Napoleon«, erinnere ich ihn. Seine Augen tauchen hinter der Karte auf. Kleine Fältchen bilden sich zwischen seinen Brauen, dann lässt er sie sinken. »Musst du nicht. Was hältst du von Wein und Steak?«
Ich zucke mit meinen Schultern und entlocke ihm ein Zunge schnalzen. »Antworte, chérie. Sonst kannst du mir beim Essen zuschauen.«
»Fein«, raune ich gepresst, »hört sich gut an. Ich möchte aber Wasser«, stelle ich klar. Zufrieden klappt Timéo die Karte zu und wendet sich wieder an den Kellner, der immer noch bei uns steht. »Zweimal Steak und eine Flasche Vega Sicilia Único.«
»Wasser«, korrigiere ich.
»Único«, widerspricht er mir. Den Blick, den er mir über den Tisch zuwirft, lässt mich erschaudern. Ich lehne mich mit verschränkten Armen im Stuhl zurück und wende mein Gesicht zum Eiffelturm ab. Seine Blicke brennen sich in meine Wange, sie fühlen sich unwohl auf meiner Haut an. Gott wieso muss immer alles so sein, wie er will? Wieso kann ich nicht einfach mein Glas Wasser haben? Ist es so schwer? Mir ist nicht danach Wein zu trinken und doch schaue ich wenige Minuten später zu, wie der Kellner den plätschernden Rotwein eingießt, bevor er uns wieder allein lässt.

Timéo schwenkt sein Glas lässig hin und her, bevor er seine Nase hineinhängt und ich meine Stirn runzle. »Wieso keinen französischen Wein?«
»Überrascht, Queen Elizabeth?«
Ich schnaube gekünstelt und lange nach dem Glas. Jetzt nehme ich doch einen Schluck, weil meine Kehle staubtrocken wird.
»Mehr davon, dass er halb so übel ist wie erwartet.«
Timéos Mundwinkel zuckt schelmisch hinter seinem Glas. »Napoleons Entscheidung zu diesem Wein, war wohl doch nicht so mies«, murmelt er selbstlobend in der dritten Person. Dass er sich selbst Napoleon nennt, lässt mich meine Augen innerlich verdrehen. Gott, ich muss kotzen. Er macht sich über mich lustig und das finde ich alles andere als witzig.
»Ja, mal sehen ob deine Entscheidung für das Steak auch eine gute war, Napoleon«, brumme ich genervt. Ich kann es kaum erwarten, zurück ins Hotel zu kommen und mich dort ins Bett zu legen. In Ruhe, weit weg von ihm. Soll er doch auf der Couch schlafen. Ich werde garantiert nicht mit meinem Entführer in einem Bett schlafen. Nun ja, genau genommen, hat er mich nicht entführt. Geiselnehmer also? Nein. Was ist der Begriff für einen Mann, bei dem man als geschenkt abgegeben wurde?

»Das Messer bewegt sich gleich, wenn du es weiter so anstarrst«, schnaubt Timéo und nickt auf die Silberware, die ich in Grund und Boden starre. Ja, vielleicht wünschte ich mir, sie würde sich selbstständig machen und sich in seine Augäpfel rammen. Ist das zu viel verlangt?
»Vielleicht will ich das ja.«
»Wenn das so ist, sollte ich dir dringend einen Termin bei einem Psychologen vereinbaren«, murmelt er und greift über den Tisch, um das Messer an sich zu nehmen. Jetzt bin ich die, die ihn belustigt anschaut. Er denkt doch nicht etwa, dass ich ihn mit einem lausigen Messer erstechen will? Paranoid, ist dass.
»Da würde ich mir schon etwas Besseres einfallen lassen, um dich umzubringen.«
Er hebt seine Augenbrauen neugierig. »Ach ja? Fahr fort. Was wäre die Waffe deiner Wahl?«
Ich überlege. »Vielleicht die Flasche Wein, die du unbedingt haben wolltest.«
Ich blicke Timéo finster entgegen, und auf seinem Gesicht, bildet sich ein flüchtiges Schmunzeln. Seine Augen versprühen Dunkelheit. Tief erschaudernde Kälte, die meinen Körper erfasst wie einen Sturm. Seinen Blicken weiche ich nicht aus. Wir schauen uns an, quer über den Tisch, von Sekunde zu Sekunde intensiver. Niemand von uns sagt einen Ton. Je länger ich ihn anschaue, desto tiefer drohe ich in seinen Iriden zu versinken. So nachtschattenschwarz, wie sie im dunklen Kerzenlicht des Restaurants funkeln.
Wie die, des Teufels.

Der Kellner reist uns aus unserem Duell. Er durchbricht mein Sichtfeld mit zwei weißen Porzellantellern, während er Timéo etwas auf Französisch erklärt. Doch dieser nimmt seine Augen keine Sekunde lang von meinen, selbst als ich die meine Senke und auf den dampfenden Teller vor mir schaue. Mein Herz klopft wild, und ich verfluche es innerlich. Wieso hört es nicht auf?
Wie er da sitzt. Lässig im Stuhl nach hinten gelehnt, mit einem Glas Wein in der Hand und seinem Blick, nur auf mich gerichtet. Er schenkt dem Kellner keinerlei Beachtung und wünscht ihn lediglich mit einer Handbewegung fort. Als wäre er der König von Frankreich.
»Gibst du mir mein Messer wieder?«, frage ich schließlich mit dünnerer Stimme, als beabsichtigt und deute mit meinem Zeigefinger auf das silbern schimmernde Messer zu seiner linken. Kopfschüttelnd setzt er sein Weinglas auf dem Tisch ab und langt nach seinem Besteck. Ungeachtet dessen, dass ich ihn gerade etwas gefragt habe, beginnt er sein Steak zu schneiden. Ein Stück pikst er an. Es ist braun außen, rosig innen. Er dreht es im Schein der Kerze zwischen uns, und ich sehe, wie Dampf aufsteigt. Wortlos streckt er seinen Arm aus, an der Kerze vorbei, und hält es mir vor den Mund. »Mund auf, Queen Elizabeth«, fordert er schelmisch. Denkt er, er muss mich füttern? Das kann er knicken. Ich bin doch keine eins mehr.
»Nein danke«, zische ich ihn an. Ich lange nach meiner eigenen Gabel, doch bevor sie nur in die Nähe meines Tellers kommt, hat Timéo sie mir weggenommen. »Hey!«, beschwere ich mich bei ihm und hasche danach. Ohne Erfolg. »Königliche Hoheiten müssen gefüttert werden, nicht das du noch die Gabel nimmst und mich damit bewirfst«, grinst er. Ich presse meine Lippen sauer aufeinander. »Wenn du gerne meinen Diener spielen willst«, kontere ich. Er lacht, und die rauen Laute, die seine Kehle verlassen, jagen mir einen kribbelnden Schauer über den Rücken. Oh verdammt.
»Mach den Mund auf, chérie. Komm schon. Ein Bissen und du bekommst dein Besteck wieder. Sei eine brave Prinzessin.«
Ich überhöre die Belustigung in seiner Stimme nicht, obwohl seine Worte einen weiteren Schauer in mir lostreten. Ich öffne sachte meine Lippen, neige mich nach vorn und lasse mir die Gabel von ihm zwischen meine Lippen schieben. Ich beiße in das saftige Steak, während seine stechenden Augen von Zufriedenheit geflutet werden, und mein Herz von Wärme.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt