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AMELIA

»Sie haben nicht die richtige Blutgruppe, um ihr Blut zu spenden Monsieur Moreau.«
»Dann finden Sie jemanden, der es kann!«
»Es tut mir leid, aber das geht nicht so einfach. Die Blutbank in der Stadt ist sehr limitiert was Spenden angeht. Da ihre Frau A negativ hat, müssen wir einen anderen Weg finden. Es gibt kaum Universalblut im Krankenhaus, dass rechtzeitig hier wäre.«
Es kracht. Es kracht so laut, dass mein Herz beklemmt in meiner Brust aufspringt. Gott ... alles fühlt sich so träge und schwer an.
»Testen Sie jede verdammte Person in diesem Haus, damit Sie Blut bekommt!«
»Monsieur Moreau, dass wird dauern. So viel Zeit haben wir nicht. Durch die Eisen Infusion haben wir etwas Zeit gewonnen, aber die wird uns schneller wieder ausgegangen sein, als das wir Blut auftreiben können.«
»Sie müssen nicht weitersuchen. Ich habe A negativ. Das geht doch, oder? Wenn ich ihr meins gebe?«
Die Stimmen, die sich so weit entfernt anhören und von dem Rauschen in meinen Ohren gedämpft werden, sind das gar nicht. Sie sind näher als ich denke. Die Hand, die sich in diesem Moment auf meinen Unterarm legt und ihn säubert, macht mir das deutlich. »Quentin, du-«
»Schon gut Timéo, du würdest es auch für mich tun, wenn du könntest, dass weiß ich.«
»Setzen Sie sich auf diesen Stuhl und strecken Sie ihren Arm aus.«
»Danke Quen...«
Ich höre seine Antwort nicht mehr. Die Nadel, die in mein Fleisch eindringt, bringt das schwarze nichts, das vor meinen Augen schwebt wieder näher. Ich spüre noch, wie warmes Blut in meine Adern fließt, bevor das schreckliche Gefühl der Ohnmacht mich erneut einholt und ich abdrifte.

Das nächste Mal, als ich Geräusche vernehme, ist es weniger hektisch als zuvor. Irgendwo klappert Metall aufeinander, ein anders Geräusch hört sich seufzend an. Dann schließt sich eine Tür.
»Glaubst du, Sie wird bald wieder wach? Wie viel Blut musst du ihr noch geben?«
»Keine Ahnung. Fuck Ich hab keine Ahnung. Der Doc nimmt mich schon von der Leitung, wenn's brenzlich wird.« Quentins scherzende Stimme ist unverkennbar. Wieso tut er das für mich?
»Ich weiß nicht, wie ich dir das je danken soll.«
»Hör endlich auf damit, Timéo. Ich schulde dir mein Leben. Zugegeben war ich anfangs kein großer Fan von ihr aber sie ... sie ist zäher und loyaler als ich angenommen habe. Sie verdient es hier zu sein. Ich will ihr eine Chance geben, so wie du damals mir eine gegeben hast.«
»Das ist ewig her...«
»Ich werde es nie vergessen, Méo
»Jetzt werd nicht sentimental.«
Eine warme Hand berührt meine Stirn, gefolgt von einem schweren Seufzer. »Sie ist schon viel wärmer als vorhin.«
Timéos Stimme ist wie Balsam für meine Seele. Sie kommt mir so vertraut vor. Wenn ich ihn höre, weiß das er bei mir ist, weiß ich auch, dass ich in Sicherheit bin.
Ich kann selbst meinen Herzschlag hören, der in gleichen Abständen piepend auf einem Gerät erklingt. Langsam und ruhig, als würde ich nur friedlich schlafen.

Laken gleiten über meine nackte Haut, auf der sich eine Gänsehaut breitgemacht hat. »Die wird schon wieder, Méo.«
»Ich weiß. Man kriegt sie nicht so schnell klein. Warst du es eigentlich, die sie gefunden hat?«
Daran erinnere ich mich überhaupt nicht. Das letzte Bild, was ich vor meinen Augen habe, ist das Baby. Fuck. Das Baby! Ich höre, wie mein Herzschlag sich verdoppelt, und sich in mir alles zusammenzieht. Die Geräusche um mich werden hektischer, dann öffnet sich eine Tür und schnelle Schritte kommen auf mich zu.
»Was hat sie?«
Ich will meine Augen öffnen, ihnen sagen, dass sie nach dem Baby schauen müssen.
Sie müssen ... sie ... müssen...
Meine Gedanken verschwimmen zu einem einzigen Klumpen Wirrwarr.
»Ihr Körper lässt sie nicht aufwachen, egal wie sehr sie es versucht. Ich hab ihr ein starkes Schmerzmittel gespritzt, dass sollte sie einige Zeit lang zur Ruhe kommen lassen«, erklärt ein fremder, der neben mir steht.
»Wie lang wird es dauern, bis sie wach wird?«
»Das kann ich nicht sagen. Ihre Werte müssen sich bessern und dann kann ich anfangen, die Medikamente zu reduzieren. Am besten wäre es, wenn sie ins städtische Krankenhaus ko-«
»Sie wissen, dass das nicht geht. Sobald man Mathieus Leiche finden wird, werden Fragen aufgeworfen werden. Ich kann sie nicht in Gefahr bringen. Ihr Blut ist da überall.«
»Natürlich Monsieur. Wir haben ein exzellentes Team hier. Entschuldigung.«
»Mhm, schon gut. Lass uns allein.«
Wieder erklingen Schritte und diesmal entfernen sie sich. Jemand berührt meine Hand, streicht mir durch die Haare, dann senkt sich die linke Bettkante. »Hast du sie gefunden?«
»Es war einer der anderen, aber ich war dabei. Das sah aus, wie beim Fleischer. Ich hab noch nie so viel Blut gesehen, und einen Menschen darin, dessen Herz noch geschlagen hat. Ich will nicht lügen, Méo. Ich hab gedacht sie ist tot.«
»War sie die ganzen Monate da unten?«
»Es sah so aus.«
»Fuck. Das ... das ist genau das, was sie in London mit ihr getan haben.«
»Ich verstehe nicht-«
»Nichts. Bleibst du hier? Ich will kurz nach dem jemandem sehen.«
»Klar, geh nur.«
Mein träges Herz macht einen erneuten Sprung. Timéo muss über das Baby sprechen. Erleichterung flutet meinen Körper, da es in Sicherheit ist. Es ist hier, und es geht ihm gut, nehme ich an. Diesmal wehre ich mich nicht gegen die Schwärze, die in mir aufkommt. Ich lasse mich von ihr einholen, wohlwissend das alles okay ist. Die Hand von meinem Arm verschwindet und mit ihr auch die Wärme. Doch stattdessen flutet ein Gefühl meine Adern, was ich nicht kannte.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt