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AMELIA

Für ein paar Stunden schweigen wir uns an. Uns werden mehr Drinks gebracht, die ich, ohne zu zögern leere und zum Schluss hin ziemlich betrunken gegen Timéos Schulter lehne. Ziellos starre ich auf das weite Meer hinaus. Wann die Sonne wohl aufgeht?
Meine Gedanken sind verschwommen. Der Alkohol hat die Bilder aus London wieder zurück in eine verstaubte Schublade geschoben, worüber ich sehr dankbar bin. Denn für diesen Moment, kann ich aufatmen. Meine Glieder fühlen sich müde an und kribbeln gleichzeitig, da Timéos Daumen sanft über meinen Handrücken streift. Zum hundertsten Mal hat er den Whirlpool angeschaltet und lässt sich von den Düsen berieseln. Er hat den Kopf in den Nacken gelegt, und starrt in den Himmel. Meine Wange lehnt an seinem Schulterblatt, und ich wispere den Songtext des Liedes, was sie unter uns gerade spielen. Es kommt mir bekannt vor.
Der Franzose bewegt sich langsam, seine Augen brennen sich in meine Haut. Er schaut mich so intensiv an, das ich spüre, wo er hinschaut.
»Sieh mich an, chérie«, murmelt er angetrunken. Ich drehe mich, verliere den Halt und rutsche unglücklicherweise mit dem Kopf unter Wasser. Panisch zapple ich wie ein Fisch herum und versuche mich abzustoßen. Zwei Hände packen mich grob an den Schultern und zerren mich zurück an die Oberfläche. Atemlos reiße ich den Mund auf, um nach Luft zu schnappen. Timéos geweitete Augen ruhen auf mir, seine Griffe so fest, dass ich keine Chance habe mich zu befreien. »Nicht so eifrig, kleine Nixe. Geht's dir gut?«, versichert er sich und streicht mir meine nassen Haare aus dem Gesicht. Der Ausdruck in seinen Augen wundert mich wirklich. Er ist so sanft und wirkt besorgt. Oder hat es nur den Anschein?
»Atme, Amelia.«
Wie auf Kommando hole, ich Luft und beruhige mich langsam, aber sicher wieder etwas. Nickend gehe ich auf seine Frage von eben ein. Ja, mir geht es gut. Der kleine Ausrutscher muss ich wohl dem Alkohol verschulden. Timéos rechter Mundwinkel zuckt, als er mich näher zieht. Auf seinen Schoß. Mein Herz macht einen Satz, weil ich unglaublich nervös bin. Auch etwas anderes mischt sich dem Adrenalin bei. Mein Kopf versucht mich erneut an London zu erinnern, aber ich schaffe es, diese Gedanken beiseitezuschieben. Gerade gibt es nur mich und ihn.

Timéos Hände gleiten von meinen Schultern ins Wasser. Über meine Seiten hinweg bis zum Bund meines Slips, da stoppt er. Wir sind uns inzwischen so nah, dass ich seinen heißen Atem auf meinen Lippen spüre. Irgendwo aus der tiefsten Ecke meines Körpers, krame ich ein wenig Selbstbewusstsein hervor, welches der viele Alkohol mir wieder verliehen hat. Ich schlängle meine Arme um seinen Nacken. Folge seinen Augen hinab zu seinen Lippen. Sie wirken so anziehend auf mich wie die verbotene Frucht in der Bibel. Schweratmend präge ich mir die rosige Farbe seiner Lippen ein. Obwohl ich ihm noch vor einigen Stunden etwas so Intimes anvertraut habe, und Probleme habe, jemandem so nah zu sein, fällt es mir gerade erstaunlich leicht. Auch das, vermutlich dem Alkohol zuzuschreiben. Ich habe längst aufgehört, die Gläser zu zählen.

»Lass mich dir beweisen, dass es auch anders sein kann, chérie«, raunt er dicht vor meinen Mund. Wir sind uns so nah, dass ich schwöre, sein Herz schlagen zu hören. Mein Herz rast, weil das Gefühl, das er in mir auslöst, so benebelnd ist. Mein Körper kribbelt, überall da wo er mich anfasst. Und seine Augen, bitten um die Bestätigung, zu tun, was er tun will.
Ich nehme ihm diese Entscheidung ab, bevor ich darüber nachdenken kann, und presse meine Lippen auf seine. Gierig zieht er mich an sich und presst meinen Schoß Unterwasser auf seinen. Er gräbt seine Finger in meine Hüften, schiebt seine Zunge in meinen Mund und tastet blind nach dem Knopf, der das Wasser um uns wieder zum Brodeln bringt. Als er ihn gefunden hat und wir uns mitten zwischen den Düsen befinden, gleitet seine Hand besitzergreifend in meinen Nacken und verfängt sich in meinen nassen Haaren. »Sag es, Amelia. Sprich es aus und ich tue es«, schnauft er atemlos. Seine Finger ziepen an meiner Kopfhaut und entlocken mir ein erregtes Keuchen. In mir kribbelt es, und mein Körper ist noch heißer als das Wasser. Das warme Gefühl in mir, zieht sich in meine Mitte und braut sich dort zu einem Sturm heran, der mich bald überwältigen wird. Ich spüre, wie er sein bestes Stück an mich presst, und ich erwische mich dabei, wie ich mir wünschte, dass kein Stoff mehr zwischen uns wäre.
»Fick mich, Timéo. Ist es das, was du hören willst?«, frage ich ihn erregt. Hungrig kollidieren unsere Lippen wie zwei Welten. Die Düsen entspannen meinen Körper, und ich lasse mir von ihm den Slip von den Beinen ziehen. Meinen BH wirft er achtlos auf die Polster, der Rest schwimmt irgendwo im Wasser. Er dirigiert mich auf seinen Schoß, und packt meine Hüfte. Ohne von mir abzulassen, schiebt er uns bis an den Rand, dort wo es wieder tief wird, und läuft bis zum Ende des Pools. Kurz darauf spüre ich eine Wand in meinem Rücken und schlinge meine Beine um seine Hüften. »Vertraust du mir, chérie?«, fragt er, meine Wangenknochen liebkosen. »Ja«, gebe ich zu. Jetzt gerade vertraue ich ihm mehr als je zuvor. Mag sein, dass es a den Dingen liegt, die ich ihm gebeichtet habe, oder auch nur an der Tatsache, dass der Alkohol meine Hemmschwelle steigen lässt.

Timéo tritt vorsichtig näher. Seine eine Hand an meinem Po, die andere um meinen Rücken geschlungen. Luft holend starre ich ihn an. Seine grünen Iriden wirken warm wie nie zuvor. So herzlich und ehrlich, als würde er mir gerade eine ganz andere Seite von sich zeigen, die nur selten jemand von ihm gesehen hat. Sein Blick ist so fesselnd, dass ich ihn wie hypnotisiert anstarre. Es gibt kein Entkommen, aus dem Strudel, der mich direkt in seine Seele zieht. Er dringt in mich ein und ich kralle meine Finger verkrampft in seine Schultern. Diesmal schaffe ich es nicht, die Bilder zu verdrängen. Sie drängen sich an die Oberfläche, und verschwinden nicht. Meine Pupillen zucken hin und her, noch gefesselt von Timéos Blick. Seine Handfläche berührt meine Wange, und ich sehe in seinen Iriden, dass er aufhören will. »Nicht«, halte ich ihn mit zitternder Stimme auf und presse mich enger gegen ihn, dränge ihn damit tiefer in mich. Er kann sich kein Stöhnen verkneifen. »Tue das nicht, Amelia...«, brummt er kehlig, doch ich höre nicht auf ihn. »Hör nicht auf, mach weiter. Ich ... Ich bin okay«, versichere ich ihm. Er entlarvt meine Lüge sofort, aber kommt meiner Bitte nach und beginnt sich zu bewegen. Ich bin froh, dass er einmal nachgibt und keine Diskussion anzettelt. Vermutlich merkt er, dass es keinen Sinn hat. Ich will das. Ich will es wirklich, auch wenn die schmerzhaften Erinnerungen das warme Gefühl, das er in mir auslöst, überdecken. Die Bilder werden intensiver, und die Erinnerungen ziehen schneller an mir vorbei. »Amelia«, keucht der Franzose und umgreift mein Kinn. Mein Gehirn driftet stetig weiter ab und katapultiert mich zurück nach London. Zurück ins Bett von Sergio, zurück in meinen persönlichen Albtraum.
»Amelia!« Timéos zischende Stimme durchschlägt meine Gedankengänge. Ich blinzle, und seine Lippen treffen erneut auf die meine. Diesmal leidenschaftlicher und länger als zuvor.
Und egal wie sehr ich versuche es zu leugnen, Timéos tiefe Stöße und seine Küsse, sind das Einzige, was mich davon abhält verrückt zu werden. Ich entspanne mich sekündlich mehr und lasse mich forttragen von dem süßen Gefühl, dass er in mir auslöst. Stöhnend lasse ich meine Stirn gegen seine Schulter fallen und kneife meine Augen zusammen. Ein kalter Einzug fegt über uns hinweg. Gänsehaut benetzt meinen Körper. Ich wäre nirgends lieber als hier, mit ihm. Weil er der Einzige ist, der in mir auslöst, was er auslöst. Dabei sollte er mich nicht so berühren, wie er es tut.
Wie konntest du mir nur so den Kopf verdrehen, Timéo Moreau?

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt