18

2.7K 184 16
                                    

TIMÉO

Meine Augen ruhen auf der Blondine, während sie sich einen Happen Gemüse in den Mund schiebt. Die ganze Zeit über, war sie zickig drauf, seit wir den Juwelier verlassen haben. Eineinhalb Millionen hat sie mir für diesen lausigen Ring angeknüpft. Es nicht so, als würde es meinem Konto schaden, aber die Schadenfreude in ihrem Gesicht darüber, gefällt mir nicht. Sie wird aufmüpfig. Vielleicht sollte ich ihr endlich mal zeigen, wer die Zügel in der Hand hält. Ich.
Amelia ext ihr Weinglas leer und schüttelt sich.
»Was? Dachte er schmeckt dir.«
Die schöne Flasche spanischer Wein, hat einen vollmundigen Geschmack und lass vorzüglich zu dem Steak, dass sich bis vor wenige Minuten noch auf meinem Teller befand.
»Ich wollte Wasser«, brummt sie angekratzt.
»Und?«, Gegenfrage ich.
Sie zieht ihre Augenbrauen zusammen. »Hör auf damit«, fordere ich sie auf. »Da gibt Falten.«
»Garantiert nicht so viele, wie du bekommen wirst, Napoleon.«
Mein Zucken schießt durch meine Mundwinkel. Tough ist sie, das muss man ihr lassen. Immer den richtigen Spruch auf den Lippen. Was sie wohl noch mit ihrem Mund anstellen kann?
Ich hebe die Weinflasche, um mir nachzuschenken und die unanständigen Gedanken mit einem Schluck Wein fortzuspülen. Bevor es zu spät ist, versteht sich. Ich würde sie am liebsten auf den Tisch legen, und-
»Wieso siehst du mich so an? Hab ich was im Gesicht?«, unterbricht sie meinen Gedankengang und wischt sich über die Wangen. Ich atme aus und stelle die fast leere Flasche beiseite. »Ja, sieht aus wie ein fieser Ausschlag«, antworte ich.
Beleidigt lässt sie ihre Arme sinken. »Haha«, brummt sie bissig, »wirklich witzig.«
»Sagt man mir öfters.«
»Ach ja?«
Ich nippe stumm an meinem Wein, bevor ich sie sehr lange anschaue. Eine Antwort gebe ich ihr nicht mehr. Stattdessen beginnt sie, meinen Blicken auszuweichen. Ihre braunen Iriden senken sich zurück auf ihren Teller. Im Schein der Pariser Lichter ähneln sie der Farbe von flüssigem Karamell. Ihre Brauen sind voll und in Form gebracht, dabei muss sie schon einige Zeit gefangen gewesen sein. Sie hat mir nicht viel darüber erzählt, aber die Blessuren auf ihrer hellen Haut, machen mir klar, dass da noch mehr ist. Sie war bei Sergio Karakov, einem Hurendealer. Was der mit Frauen anstellt, muss ich mir nicht nochmal ins Gedächtnis rufen. Männer wie er, sind grausam.
Ich bin auch kein Mann von guten Eltern, aber habe Regeln und Grenzen, die meine Männer befolgen. Aber für Tiere wie ihn, ist der Tod sein einziger Henker. Männer wie er, besitzen weder Ehre noch Verstand. Beides, was ich sehr schätze.

»Vorhin als du telefoniert hast...«, murmelt die blonde Britin nachdenklich. Sie schiebt sich ein Stück Steak zwischen ihre vollen Lippen. Während sie isst und spricht, starrt sie ohne Ausnahme auf ihren Teller. Vorhin als ich telefoniert habe, sprach ich Französisch. Sie kann mich unmöglich verstanden haben. Oder doch?
»Du hast einen Namen erwähnt. Quen. Wer ist das?«, fragt sie mich neugierig. Vermutlich ist es die Polizistin in ihr, die immer alles wissen muss, bis ihre Neugierde gestillt ist.
»Quentin ist mein bester Freund«, erzähle ich mein Glas schwenkend. Für einige Sekunden kreuzen sich unsere Blicke, bevor sie ihr Gesicht zum Fenster wendet. »Und wieso ist er nicht hier?«
»Weil er Dinge für mich in Marseille regelt.«
»Geschäftliche?«, vermutet sie. Sie weiß, dass sie von mir auf diese Frage keine Antwort erhalten wird. Und trotzdem, hat sie gefragt.
»Was hast du für Scotland Yard getan?«
»Wieso spielt das eine Rolle?«, will sie wissen.
»Weil du immerhin auch wissen willst, was ich genau tue.«
Sie kaut auf ihrer Lippe herum und legt ihr Besteck beiseite. Nachdenklich greift sie die Weinflasche, um sich einen winzigen Schluck einzugießen, und ihn direkt auszutrinken. Ich sehe das Zweifeln in ihrem Gesicht. Sie hadert mit sich, und ich schaue dem Schauspiel auf ihrem Gesicht Zugern zu. Die Emotionen, die über ihre Züge laufen, wie ein Film. Es ist recht amüsierend.
»Ich habe in einer eingerichteten Kommission gearbeitet«, gibt sie zu meiner Überraschung preis. Sie lehnt sich pappsatt zurück, und schaut mich ausatmend an. »Wir waren auf eine Person angesetzt und wollten sie festnehmen.«
»Auf wen?«
»Spielt das eine Rolle? Ich habe jahrelang daran gearbeitet, Beweise gesammelt, bin Fährten nachgegangen. Alles für nichts. Jetzt sitze ich hier in Frankreich und werde nie zu Ende bringen können, was ich begonnen habe«, zischt sie und schüttelt ihren Kopf. Ihre blonden Haare rutschen hinter ihren Ohren hervor und Rahmen ihr Gesicht ein. Würde ich nicht wissen, dass sie mich hasst, würde ich sie tatsächlich als hübsch bezeichnen. Abgesehen von den Flecken und Malen, die ihre Haut schmücken und noch immer nicht vollständig verschwunden sind.
»Du könntest dein Wissen in etwas viel Besseres verwandeln, Amelia«, lasse ich sie kryptisch wissen, ohne zu viel preis zu geben. Jemand wie sie, mit solch einer Kompetenz, könnte einen enormen Beitrag zu unserem Geschäft leisten. Und noch dazu würde sie unglaublich gut bezahlt werden. Aber sie will es nicht. Ich kann in ihren karamellfarbenen Augen deutlich erkennen, wie sie an ihrem alten Leben festhängt. Sie will zurück nach London, auch wenn sie weiß, dass sie es nicht kann und nie mehr können wird. Sie ist keine Polizistin mehr. Schon nicht mehr seit dem Augenblick, in dem sie in London irgendwie in diese verzwickte Situation mit den Karakovs gerutscht ist. Amelia ist mein, und das wird sich nie mehr ändern.

»Ich möchte gern ins Hotel zurück«, bittet sie mich nach einer Weile des Schweigens. Sie betrachtet den atemberaubenden Ausblick ein letztes Mal, bevor sie sich die Lippen abtupft und die Stoffserviette auf ihren leeren Teller legt.
»Ich glaube ich will jetzt ins Hotel«, ignoriere ich ihre Worte und werfe einen Blick auf meine Uhr. »Ja, es wird definitiv Zeit. Ich habe noch einiges zu tun.«
Amelia verdreht ihre Augen genervt und erhebt sich nach mir. Sie denkt sich vermutlich, was für ein mieser Kotzbrocken Ich bin. Der Gedanke lässt mich heimlich schmunzeln, als ich mich von ihr abwende und in Richtung Tür laufe.

Wenn ich in Paris bin, komme ich öfters ins Golden Wing, weshalb mich niemand aufhält, als ich mit gestrafften Schultern das Restaurant verlasse. Nachdem ich ein paar Worte mit unserem Kellner gewechselt habe, hole ich zurück zu Amelia auf, die mit den Bodyguards bereits am Aufzug wartet. Das Golden Wing wird mir das Abendessen in Rechnung stellen, meine Bank sie begleichen. So einfach ist es.
»Es regnet noch, Monsieur«, informiert mich einer der Bodyguards, als ich neben Amelia im Aufzug zum Stehen komme. Sie kann uns nicht verstehen, da er Französisch mit mir spricht. »Wir werden ohne Umwege zurück ins Hotel fahren. Lassen sie den Butler wissen, dass er Desserts aufs Zimmer kommen lassen soll«, weise ich ihn streng an. Er nickt, wendet sich ab als wir zum Auto laufen, und nuschelt in seinen Kragen, in dem sich ein Mikro befindet. Ein anderer öffnet uns die Tür, zuerst steigt Amelia ein, ich nehme auf der anderen Seite neben ihm Platz und rutsche auf den warmen Ledersitz.

»Morgen vor der Gala kommt der Juwelier«, erinnere ich die Britin auf der Fahrt. Sie hat ihre Stirn gegen die kalte Scheibe gelehnt und schaut den Regentropfen beim Rinnen zu. Ich betrachte sie heimlich. Ihr Profil, ihre Züge, die so friedlich aussehen, jetzt wo sie hier sitzt. Dabei verbirgt sich ein kleiner Teufel in ihr. Sie ist plötzlich ganz ruhig, und wirkt in sich gekehrt. Was hat sie?
»Ich spreche mit dir«, fahre ich fort.
»Amelia.« Meine Stimme klingt forscher als beabsichtigt, und löst tatsächlich ein kleines Zucken aus ihr. »Ich bin müde«, nuschelt sie angetrunken. Ich beschließe es, vorerst dabei zu belassen. Zumindest bis zum Hotel. Tragen werde ich sie sicher nicht.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt