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TIMÉO

»Dein Onkel hat mir erzählt, wieso du mich heiraten wolltest«, sagt sie und mich treffen ihre Worte ohne Vorbereitung. Hart. Ich wusste das der Mistkerl versuchen wird, sie gegen mich auszuspielen. Anscheinend hat er mit allen Mitteln versucht, sein Ziel zu erreichen. Ich kann nur hoffen, dass er es nicht geschafft hat.
»Und was genau hat er dir erzählt?«
Ich will nicht den Anschein machen das ich es leugnen würde, aber dafür müsste ich zuerst wissen was genau so glaubt zu wissen. Mathieu kann ihr jedes Märchen aufgetischt haben.
»Das du heiraten musst, um zu erben.«
In diesem Punkt hat sie schonmal recht.
»Mhm, das war eine Auflage.«
»Und dass du ein Kind brauchst.«
Meine Zähne knirschen übereinander. Ich will darauf nicht antworten, weil ich weiß, dass es sie verletzen wird. Aber ehrlich sollte ich zumindest heute sein. Immerhin erhoffe ich später die gleiche Ehrlichkeit von ihr.
»Ich hab dir ganz am Anfang erzählt, was ich will und dir gesagt, dass du gehen könntest, wenn es so weit ist«, erinnere ich sie.
Amelia rührt sich nicht. »Das will ich überhaupt nicht«, wispert sie stattdessen in meinen Pullover. »Ich würde mein Baby nie im Stich lassen...«
Meine Hand rutscht in ihre Haare. »Ich weiß, chérie. Ich weiß das.«
»Wieso hast du-«
»Ich musste es versuchen. Vielleicht verstehst du das nicht, aber das Erbe meiner Familie ist mehr als nur der Stolz mich gegenüber meines Onkels zu behaupten. Ich habe weitaus mehr als genug davon.« Ein Schnauben entweicht mir. Sie soll nicht denken, dass ich das nur wegen des Geldes getan habe. Das spielt kaum eine Rolle. Viel mehr die Rache gegenüber meiner Familie.
»Mein Großvater hat dazu beigetragen, dass die Stadt sich spaltet. Mein Vater konnte seine Finger nicht vom Drogengeschäft lassen, noch weniger mein Onkel. Ich versuche schon seit ich Teenager war, geradezubiegen was sie verbockt haben. Dafür war das Geld. Ich brauche nicht alles aber einen Teil davon, weil ich etwas Gutes tun will. Den Rest ... der ... der ist für meinen Sohn.«

Amelias Gesicht wendet sich zu mir hinauf. In ihren Augen spiegeln sich so viele Gefühle gleichzeitig wider. Verzweiflung, Überraschung und Sorge. Allen voran das glitzernde funkeln in ihren rehbraunen Iriden, was puren Stolz versprüht.
»Du ... Du wolltest damit etwas Gutes tun?« Ihre Stimme klingt ungläubig. Ja fast schon entsetzt. Auf gute Weise versteht sich.
»Ja. Ich habe die meiste Zeit in den armen Vierteln der Stadt gelebt. Quentins Familie hat mich immer aufgenommen, wenn ich von zuhause abgehauen war und manchmal habe ich wochenlang auf seiner Couch gepennt. Die Menschen dort sind die herzlichsten, die ich je getroffen habe Amelia. Wenn ich ihnen so etwas zurückgeben kann, dann tue ich es.«
Und das ist der wahre Grund, wieso ich das Erbe unbedingt haben wollte. »Klar, ich hatte vorher auch viel auf dem Konto aber-«
Amelias Lippen prallen unangekündigt auf meine und Arten in einer Knutscherei aus. Ich drücke sie von mir, begegne ihrem kopflosen Blick. »Was sollte das?« Ihr Atem geht hektisch in kleinen Abständen und ich glaube fast, sie hyperventiliert gleich. Gott.
»Du bist einer von den guten Timéo. Ich weiß zwar das es äußerst illegal sein muss, mit dem du dein Geld verdienst aber das, was du Gutes tun willst, ist bemerkenswert.«
Ihre Augen glitzern vor lauter Stolz. Mir ist nicht klar, wieso sie so empfindet, aber ich hinterfrage es auch nicht.

Amelia rutscht ein Stück im Bett höher, dann sieht sie zu mir auf und beißt sich auf die Unterlippe. »Also ich ... Ich habe Undercover für Scotland Yard gearbeitet.« So viel weiß ich auch schon. Dennoch kräuselt sich meine Stirn. »James und Sawyer haben mir erzählt, dass du von Karakov geschnappt wurdest.«
»Das wurde ich auch aber ich hab's eben drauf angelegt.« Ihre Stimme gleicht einem murmeln, und ihre Augen huschen nervös zu den Fenstern. Sie kann mich nicht ansehen.
»Es war geplant, dass ich mich einschleuse, um einen Beweis zu finden, dass die Karakovs wirklich mit Menschen handeln.«
»Und das ist aus dem Ruder gelaufen«, nehme ich an. Ihr Nicken bestätigt meine Vermutung.
»Ja du kennst den Rest. Bevor meine Kollegen mich da rausholen konnten, haben James und Sawyer diese Frau gerettet, die bei mir war... Sie haben ihn umgebracht und mich mitgenommen. So bin ich in die Kiste gekommen.«
»Verstehe, chérie. Und wie sind die auf die Idee gekommen dich von hier zu befreien?«
»Sam - mein Kollege. Er hat mir erzählt, dass es so lange gebraucht hat, um mich zu finden. Die waren nicht wegen dir hier. Ich habe ihnen kein Wort gesagt«, versichert sie mir. Stumm platziere ich meine Hand in ihrem Nacken und ziehe ihr Gesicht zu mir hinauf. »Ich weiß chérie, ich weiß. Meine Quellen haben mir das längst bestätigt.«
Ihre Stirn legt sich in tiefe Falten.
»Mit Quellen meinst du James und Sawyer?«
Ich nicke und ziehe ihr Gesicht näher vor meines. »Verzeihst du mir?«, fragt sie leise. Der Ton, der über ihre Lippen kommt, klingt so verletzlich wie noch nie. Wie könnte ich das nicht?
»Das habe ich schon längst. Und du? Was willst du jetzt tun?« Sie könnte gehen, wenn sie wollte aber der Funke der in ihren Augen aufblitzt sagt mir, dass sie das überhaupt nicht will. Oder?
»Ich will bleiben, Timéo. Bei dir. Mit ihm
Ausatmend lehne ich meine Stirn gegen ihre. Die Emotionen, die durch meinen Körper schießen sind neu für mich. Pure Erleichterung mischt sich mit ... ich weiß nicht ganz genau, wie ich das drückende Gefühl in meiner Brust beschreiben soll, was in diesem Moment in Luft verpufft. Es ist warm und herzlich, so wie der Blick, der mich erwartet, als ich die Augen erneut öffne und in Amelias karamellbraune schaue. »Wenn du bleibst ... dann ist das final, chérie. Kein Entkommen mehr.«
Sie schmunzelt. »Vor dir? Das will ich doch gar nicht. Wollte ich schon lang nicht mehr. Ich will das und ich ... Ich will dich
Mich? Sie muss verrückt sein, wenn sie das will. Ich weiß nicht, ob sie sich bewusst ist, was das bedeutet für sie.
»Du willst den Rest deines Lebens schmecken und Baguette essen, kleine Britin?«, necke ich sie.
Amelia verzieht ihre vollen Lippen angewidert.
»Nur über meine Leiche, Napoleon. Croissants vielleicht, wenn du Tee dazu trinkst. Echten
Diesmal bin ich der, der die Lippen verzieht.
»Ich denk drüber nach«, nuschle ich vor ihren Mund. Meine Iriden gleiten an ihren Wangen hinunter auf die rosigen Lippen. Fuck. Ich gebe meiner inneren Stimme nach und schließe die Lücke zwischen uns. Der Kuss fühlt sich bittersüß an.

Eine Weile später klopft Quentin an der Tür. Ich nehme ihm das Baby ab und er verschwindet wieder, mit den Worten das er später wiederkommen würde, sobald Doktor Arnault zurückkehren würde.
»Hast du einen Namen?«, frage ich Amelia, der ich den kleinen Jungen auf die Brust gelegt habe. Sie streichelt ihm sanft über das Köpfchen und schüttelt gleichzeitig ihren Kopf. »Nein. Ich ... mir ist nichts eingefallen.« Ihre Augen huschen zu mir. »Und dir?«
Grübelnd sinke ich zurück aufs Bett und stütze meinen Unterarm über ihrem Kopfkissen ab. Der kleine Junge in ihren Armen schaut aus wie ich. Faszinierend.
»Matéo? Was hältst du von Matéo?«, schlage ich vor. Er schaut aus wie ein Matéo. Immerhin können wir ihn ja nicht so nennen wie mich... oder? Nein. Matéo klingt gut.
Amelia lächelt verträumt. »Ja, das ist perfekt. Matéo Moreau.« Sie schließt ihre müden Augen, die ihr fast zugefallen sind. Dann driftet sie in einen ruhigen Schlaf ab, aus dem ich sie nicht wecken werde. Leise schiebe ich meinen Körper vom Bett, Decke die beiden zu und sinke in den Sessel neben dem Nachttisch. Ich werde es nicht wagen sie zu stören. Meine Augen ruhen auf den beiden und ich kann nicht leugnen, dass mein Herz komische Sprünge macht, immer wenn ich sie ansehe. Ist das normal?

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt