7

3.9K 195 3
                                    

TIMÉO

Meine schnellen Schritte die Treppen hinab hallen an den Wänden wider und die Lichter leuchten mir den Weg. Dabei kreisen so viele Fragen in meinem Kopf herum. Ich spiele nicht nur mit dem Gedanken, James danach zu fragen, sondern drehe das Telefon in meinen Händen, während ich meinen Weg zielstrebig fortsetze. Bereits heute Morgen vertiert er mir ihren Namen. Etwas anderes, gab er nicht preis. Ich weiß nicht, woher sie sich kennen, oder was zwischen ihnen vorgefallen ist. Alles, was ich weiß, ist was ich gesehen habe. Sie war nackt in der Kiste, wieso auch immer. Ich könnte James fragen. Er würde mir aber sicher nur das sagen, was ich auch wissen muss. So schätze ich ihn zumindest ein.
Während ich um eine Ecke biege und dem Geschehen näherkomme, leiten mich meine Gedanken erneut zu der Kratzbürste in meinem Gästezimmer zurück. Mir brennt es förmlich unter den Fingern, herauszufinden, was mit ihr geschehen ist. Leider muss ich dies nur auf später verschieben, denn das Chaos, dass sich mir offenbar, als ich den Raum betrete, lässt mich innehalten.

»Was ist denn hier los, Quen?«, frage ich an meinen besten Freund gewandt und schiebe das rechteckige Telefon in meine rechte Hosentasche. Ich sehe den Franzosen hinter einer der hohen Kisten auftauchen, die hier rumstehen. Einige sind geöffnet, der Rest verschlossen. Überall fliegt Verpackungsmüll herum und diese schrecklichen kleinen Schaumstoffdinger, die ausschauen wie Erdnussflips. »Eine der Kisten ist auseinandergebrochen«, erklärt er mir und wirft die Verpackungschips in seiner Hand achtlos in die Gegend. Skeptisch mustere ich die kaputte Holzkiste zu seinen Füßen und trete einige Schritte auf sie zu. »Und wieso passiert sowas? Wer hat die nicht richtig verschlossen?«, fordere ich zu wissen, zücke ein paar Handschuhe aus meiner linken Hosentasche und knie mich auf den Boden hinunter. Zwischen all den weißen Chips glänzt mir etwas Silbernes entgegen. Vorsichtig, und nur mit behandschuhten Fingern, lange ich danach und hebe das Armband an. »Das versuchen wir bereits herauszufinden, Timéo.«
»Dann beeilt euch gefälligst. Wir können uns einen Fehler dieser Art nicht leisten. Was hättet ihr gemacht, wenn sie mitten im Transport nachgegeben hätte, hm?«, will ich von meinem Team wissen und richte mich auf. Ich drücke Quentin das Armband in die Hände, welcher es zurück in eine Schachtel legt, und sie weitergibt. Natürlich antwortet mir keiner von ihnen, das würden sie nie, würde ich sie nicht direkt ansprechen. Im Grunde genommen, gibt es auch keine richtige Antwort auf meine Frage. Immerhin wissen sie, dass ihnen ein Fehler unterlaufen ist. Und sie wissen, dass ich Fehler nicht dulde. Durch sie, könnte alles auf dem Spiel stehen. Wir können uns das nicht erlauben.
»Meine Kunden bezahlen ein Vermögen für die Schmuckstücke. Ihr wisst, dass ihr für den Schaden aufkommen müsst, den ihr verursacht. Vermasselt ihr es, müsst ihr mit den Konsequenzen leben«, erinnere ich sie und strecke meine Hand nach rechts aus. Mein engster Vertrauter legt mir ein Brecheisen in die Hand. Ich schwinge es einmal, sodass das Licht der Deckenlampe sich im Metall reflektiert. Vor einer Holzkiste zentral im Raum komme ich zum Stehen. Von außen sieht sie unscheinbar aus, so wie der Rest ihrer Sorte. Im inneren jedoch, dass wohl schönste, auf das ich meine Augen je legen durfte. Vor einigen Tagen, bei unserem Raub im Museum, ist es mir in die Finger gefallen. Es stand nicht auf der Liste meiner Kunden, und doch konnte ich die Finger nicht davonlassen. Man sagt, es zieht einen an wie ein Magnet, und genau das tat es. Ich war so gefesselt wie noch nie von etwas so Schönem.

Der Geruch von alten Artefakten und Putzmittel liegt in der Luft. Es ist dunkel, aber durch die Nachtsichtbrille auf meiner Nase, erkenne ich jeden der Schaukästen im Museum. Es war ein Kinderspiel, einzubrechen, wenn man die richtigen Leute kennt. Aber vor allem, wenn man Geld hat. Menschen sind bestechlich, vor allem die, die es brauchen und die, die nie genug davon bekommen. Juwelen sind ein lukratives Geschäft und so mangelt es mir nicht ansatzweise am nötigen Kleingeld, damit die Männer wegschauen. Sobald die Kameras überspielt sind, geht es dann los. Bis jetzt ist noch nie etwas schiefgegangen, und ich habe auch nicht vor dies heute zu ändern.
Mein Blick gleitet hinauf zu einer der Überwachungskameras. Sie blinkt grün, was bedeutet, dass alles okay ist. Solang wir hier sind, ist sie mit einem Band überspielt wurden und niemand wird bemerken, dass wir je hier waren. Nun ja, zumindest so lang, bis das Museum öffnet und sie merken, dass die Schaukästen leer sind. Aber dann sind wir längst über alle Berge.
»Bin im Westflügel«, ertönt Quentins Stimme leise in meinem Ohr. Ich drücke den kleinen Stöpsel etwas tiefer hinein, neige meinen Kopf über die Schulter und atme ein. »Diamantensaal«, erwidere ich ebenso leise. Ein kleines Rauschen erklingt, gleich darauf erneut seine Stimme. »Sind in Stellung. Objekte gesichtet.«
»Team eins auch«, bestätige ich und lasse den drei Männern knappe Blicke zukommen. Es ist so still im Museum, dass ich jeden Atemzug höre, den sie ausstoßen. Ohne die Brille, würde ich sie nicht mal bemerken, wenn sie neben mir stehen würden. Komplett in schwarz gekleidet werden sie eins mit der Dunkelheit der Nacht.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt