AMELIA
Einige Tage später, geht es mir bereits ein wenig besser. Ich kann sitzen, endlich wieder denken, und die Worte, die meinen Mund verlassen sind, kein wirres Gestammel mehr. Und ja, sogar mit Timéo tausche ich ein paar verbale Schläge aus, so wie früher. Doch gerade jetzt, scheint er nicht mit sich reden zu wollen.
»Du kannst ihn nicht stillen, Amelia. Du bist ja selbst kaum bei Kräften. Das Pulver ist-«
»Du verstehst das nicht«, schniefe ich. »Das ist etwas ganz anderes. Eine Verbindung. Ich will nicht, dass er dieses chemische Zeug bekommt. Ich will das tun. Das ist immerhin von der Natur so vorgesehen! Oder produzierst du auf einmal Milch aus deinen Titten?«
»Da hast du's ihm richtig gegeben«, merkt Quentin amüsiert aus einer Ecke an. Er hat mir gerade das letzte Mal Blut gespendet.
»Halt dich da raus, Quen«, fährt Timéo ihn an.
»Es tut mir leid Amelia, aber es ist nun mal so. Du kannst ihn nicht ernähren, wenn du dich selbst nicht ernähren kannst.«Er weiß ja gar nicht, wie schmerzhaft seine Worte sind. Keine Ahnung, ob er das überhaupt je verstehen würde. Immerhin wird er die Verbindung, die zwischen dem Baby und mir besteht, nie verstehen, so wie ich nie die zwischen den beiden verstehen werde. Aber ich bin seine Mama und es bricht mir mein Herz.
»Madame Moreau, ich fürchte ihr Mann hat recht. Sie bekommen noch wenigstens acht Wochen hochdosierte Eisenpräparate. Ihr Körper muss zu Kräften kommen. Vielleicht sollten sie ihre Grenzen heute austesten«, wendet der Arzt ein und deutet auf das Badezimmer nebenan. Ich fahre mir übers Gesicht. In der Nacht sind Krankenschwestern hier, die sich um mich kümmern und mir helfen. Aber jetzt bin ich froh, dass nur Timéo hier ist, um mir zu helfen. Meine Augen huschen zu ihm und er weiß sofort, was ich eigentlich sagen will. Der Franzose nähert sich mir und streckt seine Arme aus. Müde küsse ich meinen kleinen Jungen ein letztes Mal, bevor er ihn mir abnimmt und in sein Bettchen legt. Er rollt es langsam durchs Zimmer, auf Quentin zu.
»Onkel Quentin hat sicher nichts dagegen, seinen Neffen kurz mit ins Wohnzimmer zu nehmen. Weit weg von der Schnapsbar.«
Er schaut ihn eindringlich an, während Quen nur genervt stöhnt. »Nenn mich nicht immer so, Mann. Sonst nenne ich dich Daddy Timéo.«
Ich kann mir kein kichern verkneifen und ernte einen dementsprechenden Blick vom dunkelhaarigen. »Witzig. Geh schon Quentin. Und heb ihn bloß nicht an. Lass ihn einfach schlafen.«
»Und wenn es sich bewegt?«
Amüsiert betrachte ich den Blonden Franzosen, der sichtlich überfordert ist mit dem kleinen Wesen. »Es wird dich schon nicht auffressen«, schmunzle ich. Er hat noch immer keinen Namen, aber das eilt auch nicht. Gerade genieße ich nur ihn bei mir zu haben, und ihn in Sicherheit zu wissen. Ihn Quentin für eine halbe Stunde anzuvertrauen, macht mich zwar nervös, aber ich weiß, dass er ihn sofort wiederbringen wird, sobald er auch nur einen mucks von sich gibt. Außerdem schaut er das Baby an, als wäre es ein Alien. Er wird es sicher nicht mal berühren.
»Geh schon Quentin«, fordert Timéo ihn schließlich auf. Grummelnd rollt er das weiße Bettchen aus dem Zimmer und ihm folgt der Arzt, der uns allein lässt. Als es nur noch wir zwei sind, kommt er auf mich zu.Ich wurde längst von den ganzen Kabeln und Infusionen abgestöpselt und so lasse ich mich von meinem Mann auf die Beine ziehen. Ein komisches Gefühl, wenn ich daran denke das wir verheiratet sind.
Meine Knie schlottern schrecklich. Ich muss mich so fest ich kann in seine Hände Krallen. Als ich den ersten Schritt mache, Knicken mir glatt die Beine weg. Mir wird schummrig vor Augen. Die Welt beginnt sich zu drehen und einstig Timéos Brust stoppt sie. Wir waren uns seit Monaten nicht mehr so nah, wie jetzt. Mein Herz macht Saltos in meiner Brust, weil das Gefühl, dass er in mir auslöst, so vertraut ist.
»Zurück zum Bett?«
»Nein, zur Dusche«, wispere ich gegen sein Shirt. Kurzerhand hebt er mich an wie eine Feder und trägt mich bis auf die gemauerte Sitzbank, die sich in der Dusche befindet. Dass die Villa über ein voll ausgestattetes Krankenzimmer verfügt, überrascht mich weniger als es sollte. Mir war klar, dass ich in der Zeit, die ich hier verbracht habe längst nicht alle Zimmer gesehen habe. Was sich wohl noch hinter den vielen Türen verbirgt?
Noch weniger überrascht es mich, dass das Badezimmer ebenso luxuriös ausgestattet, wie der Rest der Villa ist. Timéo hilft mir wortlos meine Kleidung abzustreifen. Das sexy Netzhöschen, was ich die letzten Tage tragen musste, geschuldet des Blutes was noch immer aus mir kommt, weicht zuerst. Dann das Shirt, dass man mir wohl im Schlaf übergezogen haben muss, denn ich bin so aufgewacht. Nun sitze ich komplett nackt vor ihm. Als er Anstalten macht, mir die Brause in die Hand zu drücken und zu gehen, schnappe ich schwach nach seiner Hand. »Warte, geh nicht. Bleib. Dusch mit mir.«
In seinen waldgrünen Augen macht sich Verwunderung breit. »Wirklich? Du willst das ich hierbleibe?«
Nickend untermauere ich meine Worte. Er soll bleiben. Das ist das Einzige, was ich will. Obwohl noch so viel ungesagtes zwischen uns ist, will ich das er bei mir bleibt. »Vielleicht brauche ich das jetzt«, gebe ich zu. Mein Herz sehnt sich schmerzlich nach seinen Berührungen. So sehr, dass ich sehnsüchtig seine Hand umklammere und ihn so lang ansehe, bis er nachgibt.
»Okay.«Erleichtert sinke ich mit meinem Rücken gegen die warme Duschwand. Wird die etwa beheizt? Verwundert drücke ich mich mehr gegen die Fliesen und schaue zu, wie Timéo seine Kleidung loswird. Erst seinen Pullover, dann die Hose und seine Unterwäsche. Als er, wie Gott ihn schuf, vor mir steht, stockt mir der Atem. Sein definierter Oberkörper ist übersäht von schwarzen Tätowierungen. Egal wie oft ich ihn schon gesehen habe, es ist wie jedes Mal ein Spiel aus Emotionen, dass sich in mir mischt, wenn ich ihn so sehe. Vor allem jetzt, zum ersten Mal nach all den Monaten. Ohne den Blick von mir zu nehmen, stellt er die Regenwalddusche an. Ein Schwall Wasser fließt über ihn und er zieht mich an den Armen, zu ihm unter den Regen aus warmen Wasser. Keuchend schließe ich meine Augen. Es lässt mich schrecklich lebendig fühlen. Mein Puls schießt in die Höhe, gleichzeitig tasten meine Hände nach etwas halt. »Geht das, chérie?«, erkundigt er sich. Seine Arme schlingen sich um meinen Rücken, während das Wasser langsam den Dreck der letzten Monate von mir spült. Und es fühlt sich so gut wie nie zuvor an, duschen zu können. Man weiß sowas nicht wertschätzen, bis man keine Gelegenheit mehr findet, es zu tun. Oder besser gesagt, es einem nicht erlaubt wird.
Seufzend sinke ich gegen seine Brust und presse meine Wange gegen seine Haut. Ich kann sein Herz schlagen hören. Gott. Ich kann nicht mit Worten ausdrücken, wie sehr ich das genieße. Die Welt verstummt, als ich seine Wärme spüre. Seine Arme mich umschlingen und halten, egal ob meine Beine nachgeben oder nicht. Er ist mein Fels in der Brandung.
»Chérie«, stößt auch er mit einer gewissen Schwere aus. Kein Blatt passt mehr zwischen uns und doch zieht er mich enger, wenn das überhaupt noch möglich ist.
Mit gläsernen Augen neige ich meinen Kopf zu ihm hinauf. Wasser perlt über seine Tattoos, an denen meine Augen entlang gleiten. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Und der Ausdruck, der in seinen Dschungelgrünen Augen liegt, lässt mich stocken. Er ist so leidend und froh zugleich. Ich verstehe ihn nicht, egal wie sehr ich mich anstrenge es zu tun. Timéos Blick kann ich nicht entziffern.
Ohne Vorwarnung legt er seine Hand in meinen Nacken und presst seine Lippen hungrig auf meine. Ich keuche, schrecke im ersten Moment überrumpelt zurück, bevor ich ihn erwidere und mich ihm entgegen beuge. Das kostet mich all meine Kraft, aber es ist mir wert. Alles hiervon ist mir das, so unglaublich wert.
Mir wird schwindelig. In meinem Gehirn hat sich ein schwammiges Gefühl breitgemacht, was jeden noch so kleinen Gedanken in sich aufsaugt. Ich genieße seine Berührungen, das intensive Feuer aus Gefühlen in mir, weil er viel zu schnell von mir ablässt und mich zurück auf die Sitzbank befördert. Schweigend geht er vor mir in die Knie, streicht mir meine nassen blonden Haare über die Schulter. Noch immer Schweratmend von unserem verschlingenden Kuss, schaue ich auf ihn hinab. Gott, was macht er nur mit mir?
»Ich will nicht reden«, flüstere ich als er seinen Mund öffnet und ihn gleich wieder schließt. Wie hypnotisiert von seiner Schönheit, strecke ich meine zitternde Hand in seine Haare aus und schließe meine Augen. Ein warmer Schauer nach dem anderen jagt mir über den Körper. Es fühlt sich schrecklich gut an.
»Aber das müssen wir, irgendwann.«
»Irgendwann«, murmle ich wiederholend. »Nicht jetzt. Bitte.«
»Okay. Okay chérie, einverstanden.« Sanft umschließen seine Hände mein Gesicht. Ich versinke förmlich in ihnen und schmiege mich an ihn. Die Wärme, die von ihm ausgeht, ist unglaublich. Mir ist seit Tagen bitterkalt. Der Arzt hat mir erklärt, dass das von meinem Blutverlust kommt. Selbst jetzt hat sich eine feine Gänsehaut auf meinen Armen ausgebreitet die davon zeugt, wie ich mich fühle. Timéo küsst mich erneut, anschließend erhebt er sich und langt nach einer Flasche Shampoo. Obwohl es sich schrecklich anfühlt, nicht selbständig sein zu können, bin ich dankbar über die Hilfe, die er mir in diesem Moment ist.Wieder trocken, zieht er mir ein großes Shirt über den Kopf, was vermutlich von ihm stammen muss. Dazu frische Unterwäsche und eine lange Hose und Socken. Er trocknet mir sogar die Haare. Kommentarlos lasse ich mich von ihm zurück ins Bett bringen. Ich bin so froh, als ich wieder auf der Matratze liege. Ich muss feststellen, dass in der halben Stunde jemand hier war und es frisch bezogen hat. Wow. Keuchend sinke ich in die neuen Kissen und klopfe neben mich. Zuerst zögert er, doch dann willigt der Franzose ein und schlüpft neben mir unter die Decke. Ich kuschle mich in seine Arme und zum ersten Mal überhaupt, tun wir das hier. Und es ist unglaublich entspannend. Gähnend drücke ich meine Nase in seinen Pullover. Er deckt mich bis zu den Schultern zu, und obwohl ich schrecklich erschöpft von dem kleinen Ausflug ins Bad bin, kann ich nicht schlafen. Stattdessen kreisen Gedanken in meinem Kopf herum, denen ich nicht länger ausweichen kann. Wir müssen dieses Gespräch führen. Und zwar jetzt.
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King of Marseille | 18+
Romance»Ma chérie, komm zu mir kleines. Abhauen kannst du ohnehin nicht.« Als Geschenk für einen Freund, wird die junge Polizistin Amelia nach Frankreich entführt, um dort den Juwelendieb Timéo zu heiraten. Aus dem anfänglichen unbändigen Hass den sie auf...