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TIMÉO

Ein strategischer Schachzug für die Familiendynastie der Moreaus – so würde mein Vater diese Ehe bezeichnen. Wäre mein alter Herr noch unter den Lebenden, und würde nicht gerade in der Hölle schmoren, würde er klatschen. Ja, er würde mich so stolz wie nie zuvor anschauen, weil er weiß, was diese Hochzeit für uns bedeutet. Für ihn. Für mich. Für unsere Familie. Vielleicht würde er sogar über die Lippen bringen, wie gern er mich hatte. Auch wenn ich glaube, dass er das nie zugeben würde. Er war ein kaltblütiger Mensch, der nichts auf Gefühlsduselei setze. Ja, er hat mir mehr als genug klargemacht, dass Memmen in dieser Welt nicht weit kommen. Er mochte zwar nicht so kaltherzig wie mein Großvater gewesen sein, aber dennoch niemand, der gut mit Kindern klarkam. Geschweige denn eins großziehen sollte. Zum einen, weiß ich selbst, was diese Hochzeit für mich bedeutet. Sie ist mein Fuß in der Tür, und mein nächster Schritt, wird sie mir ganz öffnen. Es ist unumgänglich und Amelia, weiß über ihr Schicksal Bescheid. Ich habe ihr die Bedingungen für ihre Freiheit bei ihrer Ankunft erklärt. Das ich sie nicht gehenlassen will allerdings, habe ich verschwiegen. Trotzdem fühlt es sich mehr als eine platonisch berechnete Hochzeit an. Amelia in diesem bodenlangen, ausladenden Kleid zu sehen, hat mein winziges Herz für einen Moment stehenbleiben lassen. Ihr Gesicht hat mir unter dem Schleier schwach entgegengeschimmert und der Moment, als sich unsere Augen das erste Mal trafen, werde ich so schnell nicht vergessen. Sie sah so fucking gut aus. Würde man den Fakt außer Acht lassen, dass diese Ehe gewissermaßen arrangiert ist, könnte man denken, ihr würde es tatsächlich gefallen. Sie ist eine erstaunlich gute Schauspielerin. Seit wir die Kirche verlassen haben, ist sie nicht einmal ausfällig geworden und hat so getan, als wären wir tatsächlich verliebt. Als wäre dies nicht nur eine Fassade, um es so wirken zu lassen.
Ob dass das Training in der Polizeischule gewesen ist?
Den ganzen Weg zurück schweigt sie. Sie sitzt neben mir in der Limousine, der Brautstrauß auf ihrem mit Tüll bedecktem Schoß. Ihr Gesicht aus dem Fenster von mir weg gerichtet. Sie meidet mich, glaube ich. Erst als wir an der Villa sind und wir auf den Wegen am Haus entlang in den Garten geführt werden, beginnt sie sich wieder anzunähern. Ich bin mir sicher, dass sie die Blumen in ihrer Hand hält, um ihre nervösen Finger zu beschäftigen und zu vermeiden, meine Hand halten zu müssen.

Auf der grünen Wiese des großen Gartens, haben die Weddingplanner ein großes Gewächshaus ähnliches Zelt errichtet, mit Glasplatten an den Wänden und auf dem Dach und imposanten Kornleuchtern, die vom Giebel hängen.
»Glückwunsch.«
Meine Tante Helene und ihre zwei Kinder halten vor uns inne, als wir beim Empfang im Zelt stehen. Ich habe sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Die Halbschwester meines Vaters, lässt sich äußerst selten in der Stadt blicken und noch seltener bei mir. Vor einer Weile hat sie in Griechenland residiert. Ob sie da immer noch wohnt, weiß ich nicht. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich mit ihr spreche. Ob sie, was von meinem Onkel gehört hat? Das Thema ist das letzte, über das ich sprechen will. Deshalb versuche ich, Mathieu nicht zu erwähnen und stattdessen etwas Smalltalk zu führen.
»Tante Helene,  es muss eine Ewigkeit her sein. Schön, dass ihr gekommen seid«, begrüße ich sie freundlich. Meine Familie ist recht ... gewöhnungsbedürftig und seit dem Tod meines Vaters, ja vielleicht auch seitdem meiner Großeltern, sind wir uns fremder geworden. Ihre Kinder, kenne ich kaum. Die zwei Mädchen, dessen Namen mir nicht einmal bekannt sind, schauen aus wie griechische Göttinnen. Zwillinge, wie ich vermute.
»Wir haben uns gefreut, nicht wahr?« Sie wirft ihren Töchtern einen Blick zu und diese nicken wie auf Kommando. Wer ihr Vater ist, weiß ich nicht. Hat meine Tante überhaupt einen Mann?
»Amelia, darf ich vorstellen, meine Tante und Cousinen«, wende ich mich an meine Braut. Tante Helene geht sofort ein paar Schritte auf sie zu, um ihr links und rechts ein Küsschen auf die Wange zu hauchen. »Das Kleid ist wirklich umwerfend. Von welchem Designer stammt es? Gucci?«
Überfordert atmet Amelia neben mir ein. Da mein linker Arm um ihren Rücken liegt, spüre ich wie angespannt sie ist, egal wie sehr sie versucht es zu überspielen. Nur scheint das hier niemand außer mir zu entlarven. »Vielen Dank, Timéo hat es ausgesucht, es war eine Überraschung«, versucht sie sich herauszureden. Tante Helene wirft mir einen überraschten Blick zu und wendet sich zu ihren Töchtern, um sie fortzuschicken. »Welch eine ungewöhnlich Geste«, spricht sie zu uns, nachdem wir allein sind. »Nun ja, sie durfte sich ihren Ring dafür selbst aussuchen«, erkläre ich. Das es nur der Verlobungsring war, erzähle ich nicht. Sie muss immerhin nicht alles wissen, sonst wird sie misstrauisch. Ich zweifle, dass sie sich meiner Situation bewusst ist und der Position, die ich in der Familie erfüllen muss. Wir sind nur halb miteinander verwand und das bedeutet auch, dass sie diejenige von den Geschwistern meines Vaters ist, die am wenigsten weiß. Mathieu schon eher. Die beiden sind direkt miteinander verwand gewesen. Ich halte ihr Amelias Hand unter die Nase, damit sie die zwei Ringe an ihrem Finger selbst betrachten kann. Ihre Augen weiten sich. »Ein besonders exquisites Exemplar, in der Tat. Ihr scheint einen so hervorragenden Geschmack wie mein Neffe zu haben.«
Amelias Wangen nehmen bei Helenes Worten eine zartrosa Farbe an, die sie unmöglich spielen kann. Sie fühlt sich tatsächlich von ihr geschmeichelt. »Vielen Dank, schön, dass Sie hier sind. Ich – wir«, korrigiert sie sich, »hoffen, dass der Abend ihnen gefällt.«
Und nun bin ich derjenige, der kein Wort herausbekommt. Meine Tante verabschiedet sich höflich fürs erste von uns und mischt sich wieder unter die Menge. Zwei Butler reichen und jeweils ein Glas Alkohol. Whisky für mich, Champagner für Amelia. Ich bin überrascht, dass sie meine Tante so gut abspeisen konnte. Mir ist das in der Vergangenheit alles andere als leichtgefallen.

»Du weißt gar nicht, was du uns gerade erspart hast«, raune ich in ihr Ohr und setze mich langsam mit ihr in Bewegung. »Ach ja?«, sie erstickt ihre Worte im Champagner. Nickend schiebe ich sie an einer Gruppe Gäste vorbei. Begleitet von sanften Klängen klassischer Musik, schlendern wir durchs gläserne Zelt. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut und den Weddingplannerinnen ein großzügiges Budget gegeben. Aber jetzt, sehe ich ihr Werk selbst das erste Mal mit eigenen Augen. Seit wir aus Paris zurückgekommen sind, habe ich wenig Zeit gehabt und noch weniger für sowas banales wie Hochzeitsplanung. Die ersteigerten Gemälde mussten entpackt, überprüft, verpackt und geschifft werden. Da ich stets ein pingeliges Auge auf meine Männer geworfen habe, hat das ein wenig länger gedauert. Ich will, dass stets alles perfekt ist.
»Mhm, meine Tante ist eine Labertasche und hättest du sie nicht so schnell abgewürgt, hätte sie begonnen dir ihre Taschensammlung von Anfang bis Ende aufzuzählen.«
Amelias Mundwinkel zucken minimal nach oben. Hätte ich sie nicht durch Zufall genau in diesem Moment angesehen, wäre es mir nicht aufgefallen.

»Wer sind die ganzen Menschen?«, fragt sie mich neugierig und nickt auf die Gäste. »Das da vorn«, murmle ich dicht an ihrem Ohr, nicke auf den rundlichen Mann mit grauem Bart und Glatze. »Ist der Cousin meines Großvaters. Er besitzt eine Schnapsbrennerei in der Toskana.«
»Der schaut aus wie hundert«, gibt meine Frau an ihrem Glas nippend zu. Diesmal zucken meine Mundwinkel und entwickelt sich langsam zu einem Schmunzeln. »Viel älter. Das da vorn ist ein hohes Tier im Stadtrat«, fahre ich fort und deute mit dem Glas in meiner Hand auf einen braunhaarigen Anzugträger mit roter Krawatte. Er schmeißt gerade den Kopf in den Nacken, um herzhaft zu lachen. »Stadtrat?«, vergewissert Amelia sich neugierig und ext ihr Glas aus. Das ist bereits ihr zweites. Wenn sie so weitermacht, beendet sie den Abend noch betrunken. »Du unterschätzt mich, ma chérie. Ich bin kein kleiner Juwelendieb der versucht im Haifischbecken zu schwimmen. Ich bin der Hai im Becken, und vielleicht solltest du dich nicht so an meine Seite schmiegen, als würde ich dich nicht zum Frühstück verspeisen können«, rate ich ihr geheimnisvoll und bewirke etwas in ihr. Sie weicht minimal von mir, und die Kälte, die sich zwischen unsere Seiten drängt, lässt mich durchatmen. Meine Hand gleitet sanft über den Stoff, der meine Fingerkuppen von ihrer Haut trennt. Ich kann kaum abwarten, bis dieser Tag vorbei ist und ich sie für mich allein habe, weil es das ist, was ich bereits die ganze Zeit machen wollte. Ihr die Kleidung vom Leib zu reißen und sie zu ficken. Hemmungslos und bis die Sonne wieder aufgeht. Doch zuerst müssen wir das Abendessen und das Event überleben, was Quentin geplant hat. Gott Gnade ihm, wenn er meine Yacht in eine Sex Party verwandelt hat. Fuck. Wir werden es bereits nach dem Dinner herausfinden.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt