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TIMÉO

Wütend schlage ich immer wieder auf die Wand neben der langen Treppe ein. Blut spritzt, verteilt sich an den weiß gestrichenen Wänden wie ein Kunstwerk. Meine Knochen knacken, Finger brechen. Erst der Schmerz, der durch meinen Arm bis in mein Gehirn schießt, lässt mich lebendig fühlen. Er ballt sich mit dem Hass in mir zu einer Flut aus Zorn und Schmerz. So kräftig, dass ich glaube mich reist es fast um. Doch es ist Quentins Hand, die bestimmt nach meiner Schulter greift um mich herumwirbelt. Im Eifer des Gefechts, knallt meine Faust statt in die Wand, voll in sein Gesicht. Ein ekliges Knacken erfüllt den Raum, dann schießt Blut aus seiner Nase. »Fuck! Bist du völlig behindert?«, fährt er mich stöhnend an und krümmt sich vor Schmerzen. Scheiße.
»Stell dich nicht so an«, fauche ich, auch wenn es mir gewissermaßen leidtut. Er weiß so gut wie ich, dass die Situation beschissen ist. Mehr als verfickt beschissen. Sie hat mich hintergangen. Diese Schlampe hat sich in mein Herz geschlichen, nur um es mir dann aus der Brust zu reißen wie eine Irre. Wohlwissend, was hier die ganze Zeit lief. Was sie geplant hatte. Ich hätte ihr niemals vertrauen dürfen. Sie niemals als Geschenk annehmen dürfen, nachdem James und Sawyer sie mir aus London geschickt hatten. Ich hätte den Braten riechen müssen, als ich erfuhr das sie eine Polizistin ist. Stattdessen habe ich die kleine Hure geheiratet und ihr zugehört wie ein kleiner Schoßhund, als sie mir von ihrem Trauma erzählte. War das gelogen? So wie der Rest ihres Lebens? Alles nur Lügen und Intrigen?
Sie sollte froh sein, gerade nicht in meiner Nähe sein zu müssen. Ich werde es nicht dulden, dass man mich so hintergeht.

»Was willst du jetzt machen?«, fragt Quentin und wischt sich die blutige Nase an seinem Shirt ab. »Keine Ahnung«, zische ich und überblicke das Chaos, das sich mir zeigt. Die verdammte Granate hat die Haustür unbrauchbar gemacht und ein Loch in die Betonwand gesprengt. Überall liegen Bruchstücke von Glas und eine Menge Schutt, der sich binnen Sekunden auf dem Boden breitgemacht hat und das hübsche Schachbrettmuster verdeckt.
Große Scheiße. Meine Villa ist schrottreif.
»Mir war sie schon immer Suspekt. Die verdient ne Abreibung«, brummt Quen und fummelt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an der Nase herum. Erst jetzt merke auch ich, wie der Schmerz in mir, fast meinen Körper lähmt. Ich sehe an mir hinab. Blut tränkt meine Arme und tropft mir von den Fingern auf den staubigen Boden. Meine Fingerknöchel sind aufgeplatzt und einige Finger vermutlich gebrochen. Stöhnend versuche ich sie zu bewegen, doch mehr als ein kleines Zucken macht sich in ihnen nicht breit. Fuck. »Komm mit.«
Kopflos steige ich über den Betonschutt hinweg an den Arbeitern vorbei, die am Aufräumen sind. Quen war so lieb und hat heute Morgen eine Firma beauftragt, die sich um alles kümmern wird. In ein paar Tagen wird von dem Schlamassel nichts mehr zu sehen sein. Fuck. Noch immer kann ich nicht glauben, dass dies geschehen ist. Es kommt mir vor wie ein Albtraum. Noch wenige Stunden bevor es passierte, habe ich sie gefickt. Das nicht an irgendeinem Ort, sondern auf meinem Bett. Jeder der mich kennt weiß, dass mein Schlafzimmer eine verbotene Zone ist. Tabu. Amelia - stöhnend reibe ich mir die Stirn. Allein mir ihren Namen zu denken, lässt einen stechenden Schmerz durch mein Gehirn schießen. Wie ein Tornado könnte ich über die Stadt hinwegfegen, so viel Zorn und Wut hat sich in mir aufgestaut. Bald werde ich platzen, wie eine Bombe und Gnade ihr Gott, wenn ich ihr gerade dann über den Weg laufe. Ich will die kleine Polizistenhure tot sehen. Koste es, was es wolle.

Im kleinen Arztzimmer der Villa zerre ich einen x-beliebigen Schrank auf und wühle darin nach Verbandsmaterial. Mullbinden, Kleber und Tupfer fallen mir sofort in die Hände. Quentin treibt Desinfektionsmittel, eine Schere und etwas Faden auf. Ich lasse alles auf ein silbernes Tablett knallen und falle selbst auf den Hocker, der gleich neben dem kleinen rollbarem Tisch steht. Quentin lehnt sich gegen die Untersuchungsliege und bedient sich am Material. Wir beide wissen zugut, wie man Wunden behandelt. Schon so oft mussten wir uns gegenseitig helfen, weil niemand da war. Ich bin auf keinen Arzt angewiesen und es ist besser, das nicht zu sein. Man muss sich selbst zu helfen wissen.
»Was planst du jetzt? Was willst du mit ihr machen?« Quen klebt sich ein paar weiße Strips über die Nase. Schließlich entweicht ihm ein erleuchtetes seufzen und er legt den Kopf in den Nacken. »Fuck.«
»Ich will sie tot sehen«, knurre ich und zerre fuchsteufelswild den Verband um meine Hand. Meine zwei Finger habe ich geschient, die Wunden gereinigt und gut verpackt. Das sollte in einigen Wochen wieder vorüber sein. Ich habe mir selbst schon schlimmeres zugefügt.
»Ich weiß nicht Mann, die kleine arbeitet bei Scotland Yard. Die werden Sie nicht einfach in ihre Wohnung zurückschicken.«
»Ach ne, Sherlock. Glaubst du nicht, darüber habe ich nicht auch schon nachgedacht? Die werden sie im Revier behalten und dann in ein Safehouse bringen. Hundertprozentig«, spekuliere ich und rupfe mit meinen Zähnen ein Stück Klebeband von der Rolle, um den weißen Verband zu befestigen.
»Woher willst du wissen, wo das ist?«
»Mann Quentin, denk doch mal nach. James und Sawyer haben mir dieses Problem eingebrockt also werde ich sie damit beauftragen. Immerhin haben sie anscheinend auch Interesse daran zu haben, dass ihre kleine schmutzigen Geheimnisse nicht von einer kleinen Schlampe geleakt werden. Sie war dabei, als sie Karakov ermordet haben.«
Zumindest ist es das, was mir am schlüssigsten erscheint, jetzt, da ich eine Weile darüber nachgedacht habe. Die beiden wollen auch nicht, dass sie redet. Keiner will das. Sie muss zum Schweigen gebracht werden, koste es was es wolle. Für Verräter ist kein Platz in unseren Reihen. Ich hatte großes mit ihr vor. Sie wäre perfekt für unsere Sache gewesen, aber sie war die ganze Zeit über eine hinterhältige Bitch. Und ich ... Ich bin derjenige, der es hätte kommen sehen müssen. Nichts davon war echt, oder? Nicht das Funkeln in ihren Augen, wenn sie mich angesehen hat. Nicht das Stöhnen, das über ihre Lippen gekommen ist, als ich sie gefickt habe. Nicht die Art, mit der sie sich an mich geschmiegt hat.
Sie war eine billige rückgratlose Schlampe.

»Wo warst du eigentlich gestern?«, lenke ich auf das Thema zurück, was mich seit dem Unfall gestern beschäftigt. Quentin war voll gekleidet, als wäre er irgendwo gewesen.
Der blinde Franzose Fummelt das letzte Mal an seiner Nase, bevor er sich auf die Liege fläzt und die Hände auf die Oberschenkel stemmt. »Ich war gerade in den Gewölben. Einer der Männer hat mich angerufen und meinte, es würde etwas in den Kisten fehlen. Ich hab das überprüft. Rico hat mich dann in den Kontrollraum gerufen und da habe ich die Einbrecher gesehen«, erklärt er mir ernst. Grübelnd schmeiße ich den Abfall in den Eimer neben dem Tisch und starre an meinem besten Freund vorbei hinaus ins Grüne. »Lass alle Geschäfte auf Eis legen. Die letzten Bestellungen gehen raus, dann ist vorerst Schicht im Schacht. Ich will wissen, wer die wahren. Ich werde es herausfinden ... Ich werde Amelia finden. Und dann werde ich derjenige sein, der sie umbringen wird.«

Hast du gehört, chérie? Ich werde zu dir kommen und dich quälend langsam ersticken lassen. Den Verrat, den du begangen hast, werde ich dir nie verzeihen können. Du wirst leiden und büßen. Betteln und winseln. Aber ich bin nicht dein Retter. Das war ich nie. Vielleicht hättest du das erkennen müssen, bevor du dich an mich verloren hast. Denn ich werde dich finden, und deine schlimmsten Albträume Realität werden lassen, ma chérie.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt