TIMÉO
Mortimer, der Juwelier, kam nicht viel später, nachdem die Stylistin abgereist war. Zugegeben, hat sie einen umwerfenden Job gemacht. Amelias blonde Haare fallen ihr in langen Wellen über die Schultern. Ihr Make-up dezent und passend zu ihren Augen, und das Kleid passt ihr wie angegossen. Sie schaut verändert aus. Als hätte diese kleine Geste ihr Leben eingehaucht. Ihre Mundwinkel hängen nicht, als hätte man zu beiden Seiten Gewichte an sie gehangen. Nein, sie sind minimal nach oben geneigt. Das ist ein enormer Fortschritt. Noch dazu riecht sie nach Reichtum und Macht. Das Parfüm, welches sie trägt, könnte mich glatt auf meine Knie zwingen. Fuck, Ich will sie so sehr wie nie zuvor. Gleich hier, ungeachtet dessen, das wir Zuschauer haben würden. Aber wen Schrecken ein paar Schaulustige schon ab? Mich sicher nicht.
»Er wurde poliert und nachgearbeitet. Jetzt wird er ihnen perfekt passen«, spricht der Juwelier und hält das kleine Schmuckstück zwischen seinen behandschuhten Fingern. Amelia streckt ihm, am Tisch sitzend die Hand entgegen. Mir entgeht nicht wie sie zittert, als er ihn ihr auf den Finger schiebt. Sie zieht hörbar die Luft ein. »Perfekt«, wispert sie in sich gekehrt. »Er passt ausgezeichnet.«
»Zeigen Sie mal.« Mortimer inspiziert ihre Hand sorgfältig, prüft ob er richtig sitzt und nickt schließlich zufrieden. »Tatsächlich. Wie finden Sie ihn, Monsieur Moreau?« Wendet er sich fragend an mich. Ich trete hinter Amelias Stuhl und betrachte das funkelnde Stück über ihre Schulter hinweg. »Gute Arbeit«, lobe ich ihn. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sie mit diesem Ring am Finger zu sehen, lässt mich komisch fühlen. Flau? Gut? Ich kann es nicht beschreiben. Es verändert Sie.
»Es freut uns, dass alles zu ihrer Zufriedenheit ist.« Mortimer und seine Männer packen langsam zusammen und erheben sich. Amelia hingegen, bleibt wir hypnotisiert an Ort und Stelle sitzen und betrachtet ihren Ringfinger. Ich begleite die Herren also allein zum Aufzug und versichere ihnen, bald wieder vorbei zu schauen. Nachdem wir wieder allein sind, räuspere ich mich laut und errege so ihre Aufmerksamkeit. »Kommst du? Wir sind sonnst spät dran.«
Ein leichtes nicken überkommt sie. Ich bin recht überrascht, als ich sehe mit welch einer grazilen Gangart sie auf mich zukommt. Sie kann erstaunlich gut in den mörderischen Dingern laufen. Die roten Sohlen bieten einen interessanten Kontrast zu ihrem eintönigen Outfit. Und teuer waren die Heels auch nicht.Es ist recht schweigsam zwischen uns, auf der Fahrt zum Museum. Ich checke unterwegs öfters mein Telefon, um sicherzugehen, dass die Kisten auch rechtzeitig im Museum eintreffen werden. Quentin hat mir tausend mal versichert, das alles seinen Gang geht, aber nachfragen ist besser, als sie am Ende nicht zu erhalten. »Der Regen hört nicht auf. Wenn das so weitergeht, fühle ich mich wie zuhause«, flüstert die blonde Britin nach einiger Zeit. Ihre Augen fasziniert auf die nasse Scheibe gerichtet, als fände sie Ruhe in den glasigen Tropfen. Ich glaube nicht, das diese Worte für mich bestimmt gewesen sind. Sie waren so leise und zart, wie ein Selbstgespräch.
Aber ja, das kalte britische Wetter, hat sie bis über den Ärmelkanal verfolgt. In den nächsten Tagen, soll es aber wieder etwas schöner werden.Am Louvre angekommen, rollt die Limousine über den nassen Steinboden bis zum großen Eingang. Durch die getönten Scheiben entdecke ich mehrere Angestellte mit Schirmen auf uns zukommen. Ich sehe die Schaulustigen hinter den Scheiben und weiß, dass das, was wir jetzt tun werden, gut aussehen muss. »Spiel einfach die verliebte Verlobte«, rate ich der Blondine. Bevor die Schirmträger bei uns sind, bin ich ausgestiegen. Ich eile um den schwarzen Wagen herum, und mir wird sofort ein Schirm über den Kopf gehalten. Einer öffnet die hintere Tür, und ich strecke meine Hand nach Amelia aus. Unsicher setzt sie einen Fuß aus dem Wagen hinaus und schaut auf. Der Regen bricht über uns und trommelt laut auf die Schirme. Es geschieht fast in Zeitlupe, als sie zitternd meine Hand annimmt und elegant aussteigt. Verdammt. Das lange Abendkleid schwingt bei jeder ihrer Bewegungen. Ich lege meinen Arm um ihren Rücken, so wie ein Verlobter es tun würde. Die Tür klackt hinter uns ins Schloss und wir laufen den roten Teppich entlang, unter dem Schutz der Schirme. Im inneren des Louvre, schlägt uns nicht nur eine Wand aus Wärme und klassischer Musik entgegen, sondern auch eine bunte Mischung aus diversen Parfums. Gott, ich drohe gleich zu ersticken. Zum Glück entdecke ich den Direktor des Museums schnell unter den anderen Gästen. Er hält auf uns zu, ich ziehe Amelia in die Richtung, die sich derweil neugierig umschaut. »Ahh Monsieur Moreau und seine teuerste Verlobte, wir haben sie bereits erwartet. Würden Sie mich begleiten? Es steht bereits alles bereit für sie.«
»Monsieur Claude, es ist uns eine Freude. Nicht wahr, chérie?«
Meine Augen fallen auf Amelia, die hektisch nickt und sich vom kugelrunden Museumsdirektor, die Hand küssen lässt. »Oui«, sagt sie schnell. Meine Brauen schnellen in die Höhe. Das ist das erste französische Wort, was ich je aus ihrem Mund gehört habe und es klingt, wie Musik in meinen Ohren. Was tust du da, chérie?
»Sehr schön, sehr schön. Kommen Sie hier entlang«, fordert er uns schließlich auf. Uns begleiten zwei weitere Museumsmitarbeiter, zu einer Tür, durch die wir bereits letztens gegangen sind. Abseits von den restlichen Gästen. Bevor wir hindurch sind, wird uns noch ein Glas Champagner in die Hand gedrückt, aus dem Amelia sofort einen Schluck nimmt. Sie hat sich, vermutlich um etwas Abstand zwischen uns zu bringen, im laufen bei mir untergehakt. Mit der Hand, an der sie den Ring trägt, hat sie sich kaum merklich in den Stoff meines Jacketts gegraben, als wir das Museum betreten haben. Ihre Körpersprache verrät mir, wie nervös sie ist. Obwohl sie mich nicht ausstehen kann, klammert sie sich an mich wie ein Klammeräffchen.
Ihre Augen werden so groß wie Untertassen, als sie die ganzen Gemälde und gestapelten Werke in den meterhohen Regalen vor uns sieht. Hier drinnen ist es kühl. Die Halle ist perfekt Klimatisiert, damit die Kunstwerke unter perfekten Bedingungen gelagert werden können. Wir befinden uns in einer der Hallen, die es hinter den Kulissen des Museums gibt. Normalerweise arbeiten hier einige Leute an Artefakten und Gemälden. Jetzt sind es lediglich fünf im Raum, uns eingeschlossen. Wir gehen einige Stufen hinab, und halten auf eine große Insel zu, auf der neben einigen Geräten, auch ein paar Objekte platziert sind.
Amelia, die neben mir steht, löst sich langsam von mir und betrachtet den Schmuck, den man vor uns, auf der großen steinernen Arbeitsplatte ausgelegt hat. Vermutlich schwirren einige Fragen, in ihrem Kopf herum. Das allerdings erstmal warten. Jetzt ist das, was vor uns liegt, viel wichtiger. Nicht jeden Tag, bekommt man so ein Angebot, vom vermutlich bekanntesten Museum der Welt.»Vor einiger Zeit, ist diese Juwelensammlung bei der Restaurierungen eines österreichischen Chalets aufgetaucht. Tief in den Gewölben war es in eine Wand eingemauert wurden. Wir vermuten, um Diebstahl zu verhindern«, beginnt der Direktor zu erzählen und lässt sich von seinen Männern weiße Samthandschuhe reichen. »Es ist in fabelhaftem Zustand und hat keinerlei Gebrauchsspuren. Diese entzückenden Exemplare, sind einst im Besitz von Marie Antoinette gewesen.«
Amelia atmet tief ein. Ich spüre wie sie die Luft anhält, als könne sie nicht fassen, was sie da hört. Ihre Augen fliegen über die Schmuckstücke. Zwei Armbänder, ein Collier und das passende Paar Ohrringe. »Sie sind die ersten, die diese äußerst selten Schmuckstücke zu sehen bekommen«, versichert Monsieur Claude uns mit einem Lächeln auf den Lippen. Natürlich sind wir das. Der dicke Franzose kann nie genug Geld haben. Wieso das Auktionshaus, mir dies überhaupt zeigt, anstatt sie ausstellen zu lassen, ist mir glasklar. Es bringt mehr Geld.
»Das wissen wir sehr zu schätzen«, versichere ich ihm. Ein bisschen Honig, muss man ihm ums Maul schmieren. Vielleicht gibt er mir Rabatt.»Was gefällt ihnen am besten, Madame?«, erkundigt der rundliche Mann sich schließlich. Amelia ist fast der Champagner im Hals steckengeblieben. Sie drückt einem der Mitarbeiter ihr leeres Glas in die Hände, bevor sie einen wackligen Schritt auf die Schmuckstücke zugeht und sie mustert. »Die Ohrringe sind wunderschön«, gesteht sie mit einem zaghaften Lächeln auf ihren Lippen, bei dem ich glatt vergesse, Luft zu holen. Alles an ihr, schreit danach, sie endlich zu heiraten. Aber ein kleiner Teil in mir, hadert damit.
»Sie würden sich sicher gut an ihren Ohren machen, meinen Sie nicht auch Monsieur?«, fragt er mich. »Sicher«, antworte ich und nippe am trockenen Champagner. Der Fusel schmeckt so Scheiße wie immer.
»Was ist mit dem Collier? Einzeln oder im Set?«
Ich meine, die drei Stücke passen zusammen. Ich glaube kaum, dass er sie einzeln hergeben wird.
Der Direktor nähert sich den Stücken und betrachtet Sie eine kurze Zeit, bevor er mir antwortet. Er scheint sich alles andere, als sicher zu sein. »Es ist ein Set. Denken sie an ihre Verlobte, die würde Sie sicher gern mal tragen.«
Er muss mich mit seinen billigen Sprüchen nicht versuchen, zu überzeugen. Ich wusste bereits, das ich sie kaufen werde, noch bevor ich angereist bin. Eine Chance wie diese, werde ich mir nicht entgehen lassen. »Zwanzig, bin ich bereit ihnen zu geben«, eröffne ich ihm. Claude beginnt zu lachen, doch als er meinen Blick sieht, schweigt er schnell wieder. »Bei aller Liebe, Monsieur Moreau, aber diese Stücke haben einen enormen Wert, de-«
»Den erstmal jemand gewillt sein muss, zu zahlen. Sie haben mir dieses Angebot als erstes unterbreitet, weil sie wissen, dass sie aus den anderen nicht viel mehr Geld rausholen werden. Sie Schwachköpfe werden das später alles bei der Auktion aufs Ohr hauen. Außerdem wissen wir beide, dass sie-« Ich trete einen Schritt auf ihn zu. »Gerne die Hand aufhalten, unterm Tisch. Das Finanzamt wäre sicher nicht erfreut davon zu hören, dass die Steuern hinterziehen, mein Lieber.«
Er schluckt heftig, hebt seine Hand zu seiner Krawatte, um diese etwas von seiner dicken Gurgel zu lösen. Lustig, wie er Panik bekommt. »Zwanzig klingt nach einem guten Angebot«, gibt er also nach. Und ich beginne erfreut zu grinsen. »Zwanzig also«, besiegle ich den Deal und klopfe ihm auf die Schultern. Das ich diese Stücke für mindestens sechzig Millionen weiterverkaufen könnte, sage ich ihm nicht. Zwanzig sind billig. Ich hätte dem Sack auch dreißig gegeben, hätte er danach gefragt. Jackpot. Ich hebe mein Glas und proste ihm zu, dabei spüre ich Amelias undurchschaubaren Blick auf mir ruhen.

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King of Marseille | 18+
Romantik»Ma chérie, komm zu mir kleines. Abhauen kannst du ohnehin nicht.« Als Geschenk für einen Freund, wird die junge Polizistin Amelia nach Frankreich entführt, um dort den Juwelendieb Timéo zu heiraten. Aus dem anfänglichen unbändigen Hass den sie auf...