TIMÉO
Ein Herbststurm fegt über die Stadt weg und spiegelt die Emotionen wider, die in mir wüten. Seit meinem letzten Besuch bei Mathieu, sind wieder viel zu viele Wochen ins Land gegangen. Vor allem, weil ich mir überlegen musste, wie genau wir die Sache angehen. Sein Haus liegt in einer taktisch schwer einnehmbaren Ecke der Stadt. Umzingelt von Clubs und Cafés, und es ist nie ganz ruhig. Nur mitten in der Nacht, kurz nach fünf für eine Stunde, bevor das Leben um sechs Uhr wieder los geht. Das ist das einzige Zeitfenster, was uns bleibt. Ich habe Stunden auf der Lauer verbracht um zusammen mit Quentin, Mathieus Haus auszuspionieren. Wir haben uns Strukturen notiert, Ein und Ausgänge überwacht und uns Pläne im Stadtarchiv besorgt, die den Grundriss zeigen. Das Haus ist recht alt und nachdem er es gekauft hat, wurde es aufwendig renoviert. Der Mann im Stadtarchiv konnte mir allerdings nur einen Plan von 1920 aushändigen, denn neuere hatte er nicht. Nach unserer Auskundschaftung allerdings kann ich sagen, dass die Ausgänge alle gleichgeblieben sind. Alles andere werden wir sehen, sobald wir reingekommen sind.
Da meine Männer Meisterdiebe sind, fällt es uns nicht schwer ungesehen im Gebäude zu gelangen. Allerdings hat mein Onkel Wachen an jedem Tor und an jeder Tür. Vermutlich schützt sein Haus ein ähnliches Alarmsystem, wie meine Villa. Das macht es komplizierter. Genau deshalb habe ich auf eine andere Art der Auskundschaftung wert gelegt. Quen war nicht sehr angetan von der Idee, weil er Mathieu genau so verabscheut, wie ich es tue. Wir kennen uns schon lang genug, und er hat alles, was Mathieu Schlechtes getan hat, mitbekommen. Quentin kennt mich besser als meine eigene Familie und dass er sich trotz seines Hass auf meinen Onkel, auf die Idee eingelassen hat, zeigt mir, dass ich ihm wirklich etwas bedeute. Er ist die einzige Familie, die ich je hatte und die einzige Person, an der mir was lag, bevor ich die kleine sture Britin traf. Auch wenn unser Start holprig war, muss ich mir eingestehen, dass sie seit langer Zeit die erste war, die mich nicht nur emotional herausgefordert hat mit ihren kessen Sprüchen, sondern auch jemand, der mich verstanden hat. Besser als ich mich selbst verstehen konnte in diesen Momenten. Ich hoffe so sehr, dass Quentin gute Nachrichten mitbringt.
Im Schutz der Nacht, haben wir den Wagen unter einem Baum ein paar Straßen von Mathies Villa entfernt geparkt. Mein Herz macht einen nervösen Satz, als ich ihn mit einer Kapuze über dem Kopf, um die Ecke kommen sehe. Er wirft paranoid einen Blick über die Schulter, und eilt über die Straße auf mich zu. Während er auf den Beifahrersitz sinkt, streift er sich die Kapuze ab und verriegelt die Tür. Ein Seufzer entweicht ihm, und der Blick, mit dem er sein Gesicht zu mir wendet, spricht Bände.
»Sie ist tatsächlich da. Er versteckt sie im Keller, vermute ich. Und er... er schlägt sie. Ich habe ihr deine Nachricht überbracht, keine Ahnung, ob sie's gecheckt hat. Mathieu denkt, dass ich mich auf seine Seite geschlagen habe und gegen dich agiere.«Ausatmend sinkt mein Kopf gegen meine Hände. Ich grabe meine Finger tief in das Leder des Lenkrads, während die wirrsten Gedanken durch mein Gehirn fliegen, die ich je hatte. Vor allem aber ist die Erleichterung, die meine Knochen füllt, und die Verzweiflung der letzten Monate in Luft auflöst. »Ich wusste es«, murmle ich gegen meine Haut. Der umgeworfene Stuhl, verschüttete Wein und das Blut auf dem Boden, haben mich auf Mathieus Fährte gebracht. Aber ich mache mir schreckliche Vorwürfe, so lang gebraucht zu haben, bis ich endlich in der Lage war, sie zu befreien. Gott, ich hasse mich jeden Tag ein bisschen mehr dafür. Der Hass auf sie ist schon längst vergangen. Aber ich muss sie zur rede stellen, wenn ich sie endlich wiedersehen kann. Ich muss einfach wissen, wieso sie nie etwas gesagt hat. Vielleicht hätte ich sie dann verstanden, und nicht all die Wochen damit verbracht, meine Rache zu planen. Diese Frau hat mir den Kopf total verdreht. Für jemanden wie mich, ist das etwas, was nur einmal im Leben geschieht. Normalerweise bin ich nachtragend und hätte diesen Verrat bei einer anderen Person längst bestraft. Sie hätte gelitten, gefleht und schließlich wäre die Farbe aus ihren wunderschönen Augen gewichen, während ihr dunkelrotes Blut meine Kleidung getränkt hätte, und sie in meinen Armen langsam gestorben wäre.
Doch alles, was meinen Körper dominiert, ist der Wunsch, sie in die Arme zu schließen. Ein Gefühl, was so gegensätzlich zu dem ist, was mein Kopf will.
»Trommel die Männer zusammen«, bitte ich Quentin. »Du willst es heute durchziehen?«
Seine Frage klingt wie eine trockene Feststellung. Lippenbeißend richte ich mich im Sitz auf und starre auf die leere Straße vor uns. Von weitem hört man die Musik mehrerer Clubs. »Ich will es jetzt durchziehen. Sobald das Zeitfenster sich öffnet, brauche ich die Männer bereit. Ich werde meinen Onkel umbringen.«
Mathieu, jahrelang habe ich geduldet, wie du meine Geschäfte manipuliert hast, um an die Spitze der Familienhierarchie zu gelangen. Aber jetzt verwendest du etwas gegen mich, dass du nie hättest anrühren dürfen. Und dafür wirst du bezahlen. Das schwöre ich bei Gott. Heute Nacht wird dein Kopf dafür rollen.

DU LIEST GERADE
King of Marseille | 18+
Roman d'amour»Ma chérie, komm zu mir kleines. Abhauen kannst du ohnehin nicht.« Als Geschenk für einen Freund, wird die junge Polizistin Amelia nach Frankreich entführt, um dort den Juwelendieb Timéo zu heiraten. Aus dem anfänglichen unbändigen Hass den sie auf...