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AMELIA

Meine anfänglichen Bemühungen, doch die gute zu spielen, wende ich an als wir da Louvre betreten. Ich habe wenig Lust mich mit ihm zu streiten, auch wenn jeder Zentimeter den wir nah bei einander stehen, Unwohlsein in mir auslöst. Ich würde mir am liebsten den Finger in den Rachen schieben und ihm auf seine blöden Lackaffen Schuhe kotzen. Gott. Er ist wie der König Frankreichs an den Touristen vorbeigelaufen. Die Security des Museums und die Männer die uns begleiten, haben uns den Weg freigemacht und uns durch eine Art Geheimgang direkt mitten hinein geführt. Ist er sowas wie eine Berühmtheit hier?
Immer wieder schaue ich nach hinten und beobachte die Bodyguards die mit ihren unheimlichen Sonnenbrillen und den Anzügen ausschauen wie der Secret Service. Sie haben den Raum und uns bestens im Auge, und halten die Menschen von uns fern. Ich bin nicht sicher ob sie hier sind, damit Timéo sich in Ruhe umsehen kann, oder um sicherzugehen, dass ich nicht abhaue. Letzteres könnte ich mir gut vorstellen. Er muss denken, ich sei dumm. Das Museum ist so gut bewacht wie der Buckingham Palace. Ich würde es nie ungesehen aus dem Gebäude schaffen. Da ich nun weiß das die Security Männer mich aufhalten würden und sowieso, wäre ich in der Menschenmasse zu langsam.

Ausatmend laufe ich neben dem Franzosen her, dem der Trubel nichts auszumachen scheint. Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und schaut sich einige Dinge an. Es vergeht eine Menge Zeit, in der ich nur schweigend neben ihm herlaufe und bete, dass das hier ein schnelles Ende nehmen wird. Ja, die Ausstellung ist schön und es war schon immer auf meiner Bucket List, einmal herzukommen, aber so kann ich es nicht genießen. Ich sinke auf eine der langen Sitzmöglichkeiten und starre an die hohen Decken. Timéo ist irgendwo weiter weg, keine Ahnung wo. Mir doch egal. Meine Füße tun weh, weil es eine Weile her ist, seit ich so viel gelaufen bin. Bei den Karakovs war ich die meiste Zeit angekettet und unter Drogen gesetzt. Welches Datum wir heute wohl haben? Grübelnd kaue ich auf meiner Unterlippe herum und merke nicht, dass sich ein großer Schatten vor mir aufrichtet.

»Denk nicht, dass wir jetzt abbrechen, ma chérie«, warnt Timéo mich, hat die Hände lässig in seine Hosentaschen geschoben. Er trägt einen Anzug, wie die Tage zuvor und schielt mit diesem undurchdringlichen Blick auf mich hinab. »Mir ist langweilig«, beschwere ich mich. Der Franzose verdreht missbilligend seine Augen und packt mich grob am Oberarm. Er zerrt mich zurück auf die Füße und schiebt mich lieblos in den nächsten Raum. »Sei kein kleines Kind und benimm dich, verdammt nochmal«, raunt er mir bedrohlich ins Ohr. Bockig verschränke ich meine Arme und drehe mich zu ihm um. Wir sind uns so nah, dass kein Blatt mehr zwischen uns passen würde. Seine plötzliche Nähe löst ein merkwürdiges Gefühl in mir aus. Ich kann es nicht beschreiben.
»Ich weiß überhaupt nicht was dieser Ausflug bringen soll«, zische ich ihn leise an. »Willst du mich vorführen? Mich in dem Glauben lassen, ich hätte noch eine Chance auf Freiheit?«
Timéos Mine verdunkelt sich und ich entdecke das Monster, was ich in ihm geweckt habe, deutlich in seinen Augen. Er macht einen Schritt nach vorn, wenn das überhaupt noch möglich ist, und neigt sich mir entgegen. Seine Finger graben sich dabei fest in meinen Oberarm. »Ich will mir die Ausstellung anschauen. Also würdest du endlich deinen verdammten Mund halten, bevor ich dich auf die nächste Toilette zerre und ihn dir mit meinem Schwanz stopfe?«, fährt er mich bissig an. Ich zucke zusammen, weil die Härte seiner Worte mich ungewollt in den Keller zurück katapultiert, in dem ich gefangen war. Lichtblitze Zucken vor meinen Augen und ich sehe mich selbst, wie ich auf dem Boden liege. Ich fühle die Kälte die meinen Körper umschlossen hat und rieche den modrigen Geruch der in der Luft lag. Einstig die Hände des Franzosen holen mich aus meinem Flashback, zurück ins hier und jetzt. Ich schnappe nach Luft und sehe auf, direkt in seine feurig goldenen Augen. Der Zorn in ihnen verschwindet, als sie die meine treffen. »Lass uns weitergehen, ja?«

Ich nicke, zu unfähig etwas zu sagen. Er legt seinen Arm um meine Schulter und ich bin zu perplex um ihn davon abzuhalten. Seine Nähe fühlt sich so falsch an und doch kribbelt es, dort wo seine Hand meinen Rücken berührt. Die nächsten Minuten nehme ich alles durch Watte wahr, lasse mich von ihm von Zimmer zu Zimmer schieben, bis wir vor einem großen Gemälde zum stehen kommen. Gelbes Spots tauchen den düsteren Raum in ein besonderes Licht. Die hypnotiserende Wirkung, zieht mich in seinen Bann und ich versinke in den Farben des Bildes.
Der Franzose neben mir zückt sein Telefon, um ein Foto davon zu machen.
»Ich wusste gar nicht, dass man Fotos von den Dingen macht, die man später klauen wird. Machst du das immer so? Fotografierst die Straftat erst, bevor du sie begehst?«
Sein raues Lachen schallt durch den Ausstellungsraum. »Oh bitte ma chérie, das ist ein Caravaggio, die stiehlt man nicht, sondern ersteigert sie«, schnaubt er und schiebt sein teures Telefon in die Hosentasche. Er...was?
»Kaufen?«, vergewissere ich mich perplex und sehe wie er seine Augen genervt verdreht.
»Warst ein bisschen zu lange in der Kiste, hm? Einige deiner Gehirnzellen scheinen abgestorben zu sein beim Transport«, mutmaßt er. Was fällt ihm ein?

Ich verschränke meine Arme wie ein bockiges Kind vor der Brust und recke das Kinn in die Höhe, um ihn anschauen zu können, bevor ich wieder spreche. Sein Arm um meinen Rücken ist längst verschwunden und das dumpfe Gefühl in meinem Kopf ebenso.
»Tut mir leid, dass man mich nicht jeden Tag in einer Kiste nach Frankreich verschleppt und mich an einen Gangster verkauft wie eines dieser Gemälde!«, zische ich ihn bissig an und schaue mich immer wieder um. Ich will nicht, dass alle Museumsbesucher das zwischen uns mitbekommen. Timéo mustert mich, kann sich ein fieses Grinsen nicht verkneifen, welches sich auf seine viel zu rosigen Lippen schleicht und legt seine Hand auf meinen Rücken, um mich zu laufen aufzufordern. »Oh bitte chérie, für mich warst du kostenlos. Die Kaufpreise dieser Gemälde liegen weit unter dem Wert, den ich dennoch gewillt wäre, für dich zu bezahlen, wenn ich das müsste.«

Mit offenem Mund starre ich ihn an, während er einfach weiterläuft als hätte er gerade nicht gesagt, was er gesagt hat. Wie bitte? Timéo hält knappe zehn Meter weiter vor einem Portrait inne und kehrt mir den Rücken zu. Inzwischen ist es im Museum fast leer und wir die einzigen, die sich, neben den Bodyguards, im Saal befinden.
Seine breiten Schultern, die im Jackett stecken, der breite Rücken und die lässige Haltung, mit der er hier steht. Ganz zu schweigen von seinen perfekt sitzenden Haaren. Er macht es mir langsam schwer, ihn zu hassen. Und das verabscheue ich noch mehr. Verdammt. Sei nett, Amelia, denke ich mir. Schlimmer als bei Sergio kann es immerhin nicht werden, oder?
Ich nähere mich ihm vorsichtig, höre dabei meine eigenen Schuhe über das dunkle Parkett laufen. Er scheint fasziniert von dem Bild zu sein.
»Ich wusste gar nicht, das Diebe etwas von Kunst verstehen«, gebe ich ehrlich zu und betrachte das uralte Gemälde vor uns. Es ist wahrhaftig ein schönes Exemplar. Timéos Grinsen wird breiter. »Tja. Ich habe von vielen Dingen Ahnung, von denen du keinen blassen Schimmer hast«, raunt er mir ins Ohr. Seine Stimme so tief, dass sich meine Haare aufstellen. »Und die währen?«, frage ich mit trockenem Mund nach und spüre seine Hand über die Innenseite meiner Oberschenkel weiter nördlich wandern. »Das wirst du früh genug erfahren, chérie.«
Schluckend trete ich einen Schritt zur Seite und seine Hand verschwindet. Mir ist ganz heiß geworden, Mist. Reiß dich zusammen. Ausatmend setze ich meine grimmige Mine wieder wie ein Schutzschild vor mein Gesicht und recke das Kinn zu ihm hoch. Keine Schwäche zulassen. Erst recht nicht vor ihm. »Können wir jetzt weiter?«, frage ich ihn in einem genervten Ton. Timéo nickt mysteriös funkelnd. »Lass uns jetzt zum Juwelier. Ich sagte doch, du musst dir noch einen Ring aussuchen.«

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt