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TIMÉO

»Und du denkst, das läuft alles?«, schallt Quentins Stimme mir durchs Arbeitszimmer entgegen. An meinem Creme brûlée löffelnd, nicke ich. Der helle Bildschirm des Laptops erhellt mein Gesicht und ist die einzige Lichtquelle im Zimmer. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, das Licht einzuschalten.
»Die Gala startet gegen acht. Nach einem kleinen Essen wird die Versteigerung stattfinden. Die Angestellten des Museums haben mir versichert, dass die Gemälde, die ich markiert habe, ziemlich weit vorne kommen«, murmle ich. Ich sehe Quen auf meinem Sofa sitzen. Hinter ihm im Hausflur laufen ein paar Männer rum, in Richtung der Kellergewölbe. Ich bin froh sie arbeiten zu sehen.
»Und die Schmuckstücke?«, hinterfragt er meinen Plan. Er hebt ein Glas ins Sichtfeld, an dem er nippt, und ich nähere mich skeptisch dem Bildschirm. »Trinkst du meinen teuren Whisky?«, fahre ich ihn ungehalten hat. Fuck. Der Typ schluckt das Zeug wie Wasser. Wenn er so weiter macht, werde ich nichts von meinem eigenen Schnaps abbekommen.
»Entspann dich, ist noch die Flasche von letztens«, versucht er mich zu beschwichtigen. Er lehnt sich lässig zurück und das Bild beginnt zu wackeln. Bevor der Laptop Bekanntschaft mit dem Teppich macht, fängt er ihn geschickt und balanciert ihn auf seinen Oberschenkeln. Trottel.
»Reiß dich zusammen Quen, es war schwer zwölf Flaschen von dem Zeug aufzutreiben«, rate ich ihm. Mein mahnender Blick lässt ihn mit den Augen rollen. »Schon klar. Ich gehe ohnehin nicht wieder an deine Vorräte, bis du hier bist. Apropos, wann kommst du wieder?«
Ich checke mein Telefon. »Nach der Versteigerung fliegen wir mit dem Jet zurück. Also gegen fünf. Wir werden abgeholt und zurück zur Villa gebracht. Hast du das schon geklärt?«
Mein bester Freund nickt zuverlässig. »Klaro. Ist alles in trockenen Sack und Töpfen, oder wie man das sagt.«
»Sack und Tüten«, korrigiere ich ihn seufzend. Vielleicht sollte er weniger von dem Zeug trinken.
»Sonntag ist die Hochzeit«, erinnert er mich dann an das Thema, was ich vermeiden wollte. Ja, Sonntag findet die Hochzeit statt. Eigentlich war sie für Samstag angekündigt aber wegen unserer Paris Reise, habe ich sie um einen Tag verschoben. Amelia weiß noch nichts davon.
»Und deine Braut?«, hakt Quen in dem Moment nach. Grübelnd stelle ich die leere Schüssel auf den Tisch und denke an den Moment im Schlafzimmer zurück. Ich weiß das sie weint, und es mir nicht zeigen will. Geschweige denn verraten, was ihr widerfahren ist. Ich kann es mir nur schwach vorstellen, aber weiß auch, wer Sergio Karakov ist, oder besser gesagt war. Ein Schwein. Ein sadistisches, kaltherziges Schwein. Er verdiente seinen Tod. Nun muss ich nur noch herausfinden, was er mit ihr angestellt hat. Irgendwie kann ich sie nicht knacken. Sie ist wie ein altes rostiges Schloss, dass man nicht mehr aufschließen kann. Aber irgendwann werde ich es schaffen. Immerhin verschwindet sie so schnell nicht.
»Was soll mit der sein?«
»Naja, will sie dir immer noch die Augen auskratzen? Oder hast du sie endlich mal gevögelt?« Quen grinst dämlich.
»Weder noch«, antworte ich und zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung, ich versteh sie nicht. Sie hasst mich, aber sie will mich nicht umbringen. Glaube ich, keine Ahnung.«
Quen lacht kehlig und befördert seinen Körper in die senkrechte. »Vielleicht wartet sie nur auf eine Gelegenheit, dir den Schwanz abzubeißen«, spekuliert er. Ich verziehe meine Lippen. »Witzig Quen. Wirklich witzig. Pass du lieber auf, dass du dir von den Nutten nichts eingefangen hast«, witzle ich. Er hebt beschwichtigend seine Hände an. »Wow wow, schon verstanden Casanova. Sag James vielleicht, dass er mir das nächste Mal eine per Post schicken soll, und nicht dir.«
Ich schmunzle kopfschüttelnd. Spinner.

»Also was ist jetzt mit den Dingen, die du für mich erledigen solltest?«, lenke ich auf den eigentlichen Grund dieser Konversation ab. Mein bester Freund streckt seine Hand aus und sucht nach etwas. Es raschelt in der Leitung, dann blättert er in einem Notizblock herum. »Erledigt und erledigt. Die Bestellungen sind raus und die Kisten müssten in einer Stunde bei euch ankommen. Du hast mir doch die richtige Anzahl gegeben, oder?«, vergewissert er sich nochmal. Ich hoffe, dass er dieses Notizbuch anschließend verbrennt. Nicht das noch jemand die Infos sieht, die darinstehen. Das wäre dumm und unvorsichtig.
»Drei große und zwei kleine«, wiederhole ich meine Worte von vor ein paar Tagen. Um die Ausbeute des morgigen Abends sicher zurück nach Marseille transportieren zu können, benötige ich die Kisten zur Absicherung der Ware. Sonst könnte ich sie unmöglich ersteigern.
»Super. Also das ist geklärt. Dem Chauffeur hab ich auch Bescheid gegeben. Mhm die bestellten Sachen sind raus und ...« Er blättert ein paar Seiten weiter. »...ach ja genau. Von den Gästen kommen alle, die eingeladen wurden. Das Essen geht klar und die Deko auch. Brauchen wir das echt?«
Ich schlage mir innerlich vor die Stirn.
»Es soll doch auch echt aussehen, oder nicht?«, frage ich ihn seufzend. Vor allem meine Familie muss mir abkaufen, dass ich sie wirklich liebe und heiraten werde. Sonst könnte ich mir den ganzen Aufwand sparen und die Britin einfach in ein X-beliebiges Standesamt schleppen. Nein, es muss alles perfekt sein. Quentin scheint das auch endlich einzuleuchten.
»Mhm okay. Also alles läuft so weit. Soll ich noch was für dich tun, solang du weg bist?«
»Dich von meinem Schnaps fernhalten«, verdeutliche ich ihm nochmal, bevor er leer ist. Und er weiß, sollte er das sein, werde ich ihm den Arsch aufreißen. Quen nickt, schaut mich entschuldigend an, aber ich weiß das er weiß, das ich es ernst meine. Todernst.
»Na dann geh mal zurück zu deinem Vögelchen, Méo.«
»Klappe. Und geh endlich ins Bett Mann, es ist mitten in der Nacht.«
»Gleichfalls mein Freund. Bis Samstag.« Es raschelt wieder, dann höre ich Glas zu Bruch gehen. Ich schlage mir die Hand vor die Stirn, als ich Quens entschuldigenden Blick sehe. »Ups.«
»Sag mir nicht, dass das meine Flasche Whisky war«, bitte ich. Quens panisches grinsen allerdings, bestätigt mir genau das. »Ich muss jetzt auflegen, ciao.«
»Quentin!« Noch bevor ich weitersprechen kann, hat er aufgelegt. Fluchend klappe ich den Laptop zusammen und erhebe mich. Mein bester Freund ist manchmal wie ein kleines Kind. Verdammt! Wenn das so weitergeht, werde ich einen Babysitter beauftragen müssen. Fuck.

Ausatmend erhebe ich mich vom unbequemen Schreibtischstuhl und lasse das Arbeitszimmer hinter mir. Es ist tatsächlich spät geworden und in der Suite ist es mucksmäuschenstill. Als ich das Schlafzimmer betrete, entdecke ich Amelia, die mir den Rücken gekehrt hat und im Bett liegt. Auch wenn sie friedlich ausschaut, weiß ich, dass sie nicht schläft. Denn sie versteift sich kaum merklich, als ich mich dem Bett nähere. Kopfschüttelnd laufe ich weiter ins Bad. Während ich mich unter den eiskalten Strahl der Dusche stelle, frage ich mich, was wirklich hinter ihrem so plötzlichen Ausbruch von vorhin steckt.
Wer ist Amelia?

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt