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AMELIA

Zwanzig Millionen ...
Erst der Ring und jetzt das. Er wirft mir Geld um sich, als wäre es nichts. Er muss wahnsinnig sein. Oder einfach ein guter Geschäftsmann.
Neugierig behalte ich ihn im Auge. Am Rande der Halle stehend, gleich neben der Treppe, sehe ich zu, wie er durch die vielen Reihen mit Kunstwerken schlendert, und sich dabei die Ohren von Monsieur Claude vollquatschen lässt. Mich überrascht noch immer, das er sich so gut mit Kunst und Schmuck auskennt, wie er es eben tut. Als ich ihn das erste mal gesehen habe, hätte ich das nie vermutet.
Es vergeht eine Weile, bis er zu mir zurückkehrt. Die Schmuckstücke sind verpackt und der Champagner geleert. Er verabschiedet sich vorerst von diesem Claude, dann führt er mich mit zwei Angestellten weiter die Flure hinab. Dabei ist seine Hand stets auf meinem Rücken präsent. Ich fühle sie, wie eine heiße Herdplatte über meinen Lenden. Sanft und kaum spürbar. Wir kehren zu den anderen Gästen zurück, die es sich inzwischen in einem großen Saal gemütlich gemacht haben. Einige Grüppchen unterhalten sich, während die Klänge klassischer Musik die hohen Wände beschallen. Ich fühle mich schrecklich fehl am Platz. Alle sprechen Französisch und scheinen sich zu amüsieren. Ich hingegen, würde mich am liebsten umdrehen und heimlich verschwinden. Das hier ist nichts für mich. Erst recht nicht, seit ich die Blicke der anderen Frauen bemerke. Sie schauen mich an, als wäre ich ihr Feind. »Sieh nicht hin«, raunt Timéo mir leise ins Ohr, als wüsste er woran ich denke. Ich richte meine Augen geradeaus, aber das hilft auch nicht. »Sie sind neidisch.«
»Das glaube ich kaum«, erwidere ich wispernd und lasse mich von ihm weiter durch den Saal führen. Wir bekommen weitere Getränke gereicht, und ein paar Häppchen. Kauend halte ich neben ihm in einer etwas leereren Ecke und lasse meinen Kopf in den Nacken fallen. Die bemalte Decke, erinnert mich an eine Kathedrale.
»Schön, nicht wahr?«, fragt meine Begleitung. Der dunkelhaarige folgt meinem Blick hinauf, und rutscht näher an mich. »Eine Nachbildung von Michelangelos Fresken, in der Sixtinischen Kapelle«, beginnt er zu erzählen.
Meine Augen legen sich auf sein Gesicht. »Echt? Woher kennst du dich so gut mit Kunst aus?«
Er zwinkert mir geheimnisvoll zu, und steckt sich ein Häppchen in den Mund, um mir nicht antworten zu müssen. Seufzend hebe ich das Sektglas an meine Lippen und gönne mir einen Schluck. Gut schmeckt der Fusel zwar nicht, aber ist besser als nichts.

»Was willst du heute ersteigern?«, möchte ich schließlich von ihm wissen. Wir sind immerhin nicht ohne Grund hier. Unsere Blicke kreuzen sich, seine Iriden halten die meine. Ich fühle mich wie in Trance, wenn ich so lang in das wilde Dschungelgrün blicke, dass in seinen Augen zum leben erweckt wurde.
»Ich will nur eins. Ein einziges.«
»Und das wäre?«
»Salvator Mundi.«
Meine Augen werden sekündlich größer, als ich höre, was genau er will. Das kenne sogar ich.
»Das von Da Vinci?«, vergewissere ich mich dennoch, da ich nun felsenfest davon überzeugt bin, das er eine Schraube locker hat.
»Weißt du wie teuer das ist, Napoleon?«, zische ich ihn leise an. Sein rechter Mundwinkel zuckt in die Höhe. »Natürlich Queen Elizabeth. Ist kein Schnäppchen. Nichtmal für mich. Aber ich will es. Das und kein anderes.«
Seine Augen sprühen vor lauter Überzeugung schwarze Funken. Ich kann die Entschlossenheit tief in seinen Pupillen erkennen. Sie wird größer, je länger ich ihn ansehe. In die Augen, eines Wahnsinnigen. So viel Geld auszugeben, für ein Gemälde, muss wahnsinnig sein.
»Wenn wir zurück sind, werde ich dir meine Sammlung zeigen. Die hält noch mehr Überraschungen für dich bereit, chérie«, zwinkert er mir zu. Und verdammt, er klingt todernst. Kopfschüttelnd stehe ich vor ihm,  fast schon fassungslos. Bis mir einfällt, das gestern noch von mehreren Gemälden die Rede war.
»Du sagtest, du willst mehrere ersteigern«, erinnere ich ihn. Hat er das etwa vergessen?
»Richtig«, stimmt Timéo mir zu. »Ein paar sehr wertgeschätzte Kunden, haben extravagante Wünsche.«
»Sie bezahlen dich also dafür, dass du diese hier ersteigerst?«
»Oui Madame«, nickt er. Hm. Das klingt plausibel. Er ist also sowas wie ein Kunsthändler, nehme ich an. Das passt erschreckend gut zu ihm. Er schaut zwar aus wie ein Mafiosi, und ich hätte nie gedacht mich mal auf einem solchen Event mit ihm wiederzufinden, aber er spielt die Rolle gut. Die des Kunstfreaks.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt