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TIMÉO

Sanfter Wind weht über unsere nackten Körper. Der Mond steht noch am Himmel, und die Party unter uns noch voll im Gange. Inzwischen muss es früher morgen sein, und die Sonne bald aufgehen. Die letzten Stunden haben wir hier oben allein verbracht. Im Wasser, und später auf der großen gepolsterten Liegewiese. Wir haben so oft und intensiv miteinander gevögelt, dass Amelia einfach neben mir eingeschlafen ist. Und verdammt, es hat all meine Träume übertroffen. Die Wärme ihres Körpers, ihr Geruch und Herzschlag. Die Art, wie sie mich geküsst und mich angeschaut hat. Nichts ist mit dem zu vergleichen, selbst wenn ich wollte.
Die Dinge, die sie mir offenbart hat, haben mich völlig aus der Bahn geworfen. Ich wusste, dass etwas dahintersteckte, als sie mit Sperma beklebten Schenkeln bei mir ankam, aber das? Sergio Karakov ist ein widerwärtiges Schwein gewesen und hätte er hier in Marseille gelebt, wäre ich sein Vollstrecker gewesen. Ich hätte ihn ausgeweidet, ihm den Schwanz abgeschnitten und ihn, ihn selbst fressen lassen, bevor ich ihn auf einem öffentlichen Platz an ein Denkmal gebunden hätte, damit alle erfahren würde, was mit Menschen wie ihm geschieht. Amelia hat keine Ahnung welche Überwindung und Selbstbeherrschung es mich gekostet hat, vorhin ruhig zu bleiben, damit sie sprechen kann. Das, was sie erzählte, macht mir so einiges klar. Wieso sie so frech war, nicht darauf stand, wenn ich ihr näherkam. Es war ihre Mauer, die sie zum Schutz um sich errichtet hatte, um den Rest ihrer Seele zu schützen. Ich will keinesfalls beschönigen, was ihr passiert ist, denn sie hat die Hölle durchlebt und ist immer noch der Engel, der jetzt in dem Moment neben mir liegt und friedlich schläft. Die Unschuld in ihren Zügen ist nach wie vor da und bringt mein Herz schmerzlich zum Pochen, wenn ich an das denke, was ihr passiert ist.
Vorsichtig berührt mein Handrücken ihre glühende Wange. Sie ist rosig gefärbt und zeugt noch von dem, was wir getan haben.
Sie bewegt sich minimal im Schlaf, doch lässt sich nicht stören von mir. Behutsam streiche ich ihr eine dicke feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und ziehe die dünne Decke, die ich über ihr ausgebreitet habe, bis über ihre Schultern. Ihr entflieht ein leises Seufzen. So entspannt und friedlich wie jetzt, habe ich die kleine Kratzbürste noch nie gesehen. Fast schon, als fühle sie sich bei mir sicher.

Jetzt da ich weiß, was ihr passiert ist, weiß ich auch, was ich vermeiden muss. Amelia braucht nicht den Timéo, der ich gegenüber den anderen bin. Sie braucht den, der ich vorhin im Pool für sie war. Vielleicht nähert sie sich dann endlich an und fährt ihre Krallen ein. Irgendwann muss sie ihr Schicksal immerhin akzeptieren. Sie muss begreifen, dass ich nicht ihr Feind bin. Sie könnte ein gutes Leben an meiner Seite führen. Ich würde ihr die Welt kaufen, wenn sie das glücklich macht. Die blonde Britin wird den Rest ihres Lebens bei mir verbringen und wenn sie versteht, dass sie diese Chance nur ergreifen wird, dann wird sie merken, dass dieses Leben viel besser ist als das einer Polizistin.
Oh Amelia, wann begreifst du das endlich?

Als es kälter an Deck wird, sammle ich meine Kleidung zusammen und fische ihre Unterwäsche aus dem Pool, die zuvor auf dem Wasser getrieben ist. Mit Hose und Hemd bekleidet, hebe ich die schlafende Britin, in die Decke gewickelt an und trage sie zum überdachten Bereich des obersten Decks. Von hier oben führt ein Fahrstuhl direkt nach unten. Zum Glück hat Quentin dafür gesorgt, dass unter Deck keine Partygäste sind. Die Musik klingt leise aus dem Treppenhaus in den langen beleuchteten Flur. LEDs erleuchten mir den Weg, und schalten sich nacheinander an. Über den schwarzen Teppich gelange ich an einer Reihe Gästezimmer vorbei nach ganz vorn in das Hauptschlafzimmer und schließe die Tür mit dem Arm hinter uns. Leise laufe ich durchs Zimmer, die Stufen hinauf auf die erhobene Fläche, auf der das Bett sich befindet. Es wurde bereits aufgeschlagen und so kann ich Amelia direkt auf die Laken legen. Ich entziehe ihr die dünne Decke, lege stattdessen die dicke Bettdecke über ihren Körper und packe sie bis zu den Schultern darin ein. Sie gibt keinen Mucks von sich. Als ich sicher bin, dass sie nicht wieder aufwacht, steige ich die paar Stufen wieder hinab und schlage den Weg ins Suite eigene Badezimmer ein. Durch die großen Bullaugen erkenne ich deutlich den Wellengang des Mittelmeeres. Es hat etwas Beruhigendes. Erschöpft entledige ich mich meiner Kleidung und stopfe sie in den Wäschekorb neben dem Waschbecken. Die heiße Dusche, die ich mir gönne, fühlt sich wie Balsam für meine verspannten Muskeln an. Ich genieße es, lasse den Kopf in den Nacken fallen und schließe meine Augen. Meine Gedanken verstummen im Strahl der heißen Dusche für einige Zeit.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt