9

3.4K 201 8
                                    

TIMÉO

Seit dem Moment im Keller sind einige Stunden vergangen. Mir ist dort unten eine Sicherung durchgebrannt. Ich wollte sie nicht küssen, und dennoch tat ich es. Und es war ... erstaunlich gut. Nicht dass es mich reizen würde sie zu küssen. Trotzdem war es eine andere Erfahrung. Sie ist keinesfalls eine schlechte Küsserin, ja sie beherrscht es ganz gut. Besser als die anderen Frauen, die dies vor ihr taten. Sie waren im Vergleich-
»Timéo?« reißt Quentins Stimme mich urplötzlich aus meinem Kopf und der letzte Gedanke platzt in meinem Kopf wie eine Blase Kaugummi. Gott, wieso vergleiche ich die Blondine mit anderen?
»Was?«, hake ich mürrischer als beabsichtigt nach. Mein bester Freund kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Was glotzt du so dämlich Quen?«
»Dein Gesicht hättest du mal sehen sollen. Hast du etwa an eine der Frauen aus dem Club gedacht? Die rothaarige, oder?«, will er mit den Brauen wackelnd wissen und kommt mir näher. So nah, dass ich ihm meinen Ellenbogen in die Seite rammen kann. »Bullshit du Primat. Ich habe an den letzten Auftrag gedacht«, lüge ich schnell. Er ist mir viel zu neugierig und ich weiß genau, worauf er eigentlich hinauswollte. Auf die Blondine im Gästezimmer. »Wieso das denn? Der war doch sehr erfolgreich« hakt er nach und lehnt sich lässig gegen das Möbelstück neben ihm. Nickend stimme ich ihm zu und verschränke die Arme vor der Brust. »Das steht außer Frage. Ich bin es nur nochmal durchgegangen. Du weißt schon, um zu reflektieren und so«, murmle ich und kehre ihm den Rücken. Mit wenigen Schritten durchquere ich das Arbeitszimmer im Erdgeschoss der Villa und falle auf den knarzenden Sessel hinter dem Schreibtisch. Die Arme lege ich auf dem alten, aber polierten Holz ab. Quen scheint meine Worte skeptisch zu sehen. Sein Blick sagt mehr als tausend Worte. Er stößt sich von der massivhölzernen Kommode neben der Tür ab und hält vor meinem Schreibtisch inne. »Reflektiert? Das hatte nicht zufällig was mit der kleinen Britin zutun, die gerade mit hochroten Wangen an mir vorbei ist? Auf welche Art, habt ihr den reflektiert
Das letzte Wort setzt er in Gänsefüßchen. Ich werde hellhörig. »Was?«
»Knallrot«, bestätigt er und schnappt sich einen Bleistift aus dem kleinen Halter. Ausatmend fällt er auf einen der zwei Sessel mir gegenüber und überschlägt die Beine. Der Stift in seiner Hand hin und her wippend.
Sie soll also knallrot gewesen sein? Ich bin mir nicht sicher, ob er vor Ärger oder Scham meint. Vermutlich ersteres. Die kleine Kratzbürste kocht sicher innerlich vor Wut. Allein der Gedanke daran reicht, um meine Mundwinkel Zucken zu lassen. Quentin entgeht dies natürlich nicht. »Bingo«, grinst er und ich presse die Lippen ertappt aufeinander. »Keine Ahnung von was du sprichst, Quen. Ich hoffe für dich das ich später in meiner Flasche Whisky noch etwas vorfinde«, warne ich ihn knurrend. Die Schnapsdrossel mir gegenüber trinkt ihn lieber als Wasser. Er kennt keine Grenzen. »Reg dich ab Méo, ist noch halb voll. Aber die kleine war echt feuerrot. Hoffe ja, das ist kein Ausschlag oder so. Hat James was zu ihr gesagt?«, hakt er nach und flippt den Bleistift derweil in seinen Fingern umher. Sein doofes Ausschlag Kommentar ignoriere ich vorerst und verneine seine Frage. »Er hat mir nur ihren Namen verraten«, sage ich, »und sie will mir auch nichts erzählen. Ich weiß nicht, was da vorgefallen ist, aber ich will es herausfinden«, gebe ich zu. Es juckt mir bereits unter den Fingern, mehr zu erfahren. Auch Quen scheint dies so zu sehen. »Kannst du sonst überhaupt sichergehen, dass sie uns keinen Ärger macht?«
»Wird sie nicht«, versichere ich ihm, obwohl ich mir selbst nicht sicher bin. Sie ist Polizistin und kennt sich aus. Ich weiß nicht, ob sie mir etwas vorspielt, oder ob dies wirklich die echte Amelia ist. Vor allem aber will ich wissen, wie ausgerechnet jemand wie sie in die Kiste gekommen ist. »Wenn James nicht mit der Sprache rausrückt, wird sie es früher oder später tun«, da bin ich mir ganz sicher. Der Franzose mit gegenüber verzieht seine Lippen. »Hoffen wir mal das du dich nicht irrst«, seufzt er und wirft den Bleistift zurück in den schwarzen Becher. Er kommt klirrend darin an und dreht sich zweimal, bevor er stehenbleibt. Derweil beginne ich über seine Worte nachzudenken. Ja, hoffen wir, dass ich dies wirklich nicht tue.

King of Marseille | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt