Ep 2 - Seong Hwa

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Knapp erreichten wir den Buchladen. Hätten wir den Parkplatz nicht bekommen, hätten wir uns verspätet. An der Kasse zeigten wir unsere Eintrittskarten vor und sie verwies uns in ein Hinterzimmer, in dem eine kleine Bühne und ein paar Stühle aufgestellt waren. Da der Autor und Zeichner erst in einer Viertelstunde eintrafen, ging ich zu den Manhwas. Mich interessierte, was San daran so faszinierte.
Neben dem Regal, wo sich alle bisherigen erschienen Bände sammelten, hatte die Buchhandlung ein riesigen Pappaufsteller des Protagonisten platziert. Wenn der Autor tatsächlich diesem entsprach, wollte ich ihn unbedingt näher kennenlernen. Doch ich kannte mich zu gut, dass ich mich niemals trauen würde, ihn anzusprechen.
Das Aktuellste zog ich heraus. The Pirate's Prince, zierte der Titel. Ich blätterte zur letzten Seite, wo alle Charaktere aufgelistet waren.
Jonah Laughlin, hieß der Hauptcharakter. Daneben seine Eigenschaften. Thronfolger, Weißer Magier, Captain (Destiny).
Destiny? Hieß sein Schiff so?
Meine Augen schweiften über die nächsten Personen. Allesamt waren sie schwarz gekleidet. Mit dem Übertitel Besatzung folgten 12 weitere Personen. Jay, Seth, Callum, Matty, ...
Ermüdend, dass es jetzt schon so viele Charaktere enthielt. Wild blätterte ich durch, bis ich bei einer Person hängenblieb. Seine Haare waren weißblond und er trug, verglichen zu den restlichen elf Sidecharakteren, blütenweiße Kleidung. Elo. Engel, Schutzpatron der Reisenden.
Genauer betrachtete ich seine Gesichtszüge. Irgendwie kam er mir bekannt vor, als hätte ich ihn schon mal gesehen.
Beinahe erschrak ich mich vor meinem eigenen Spiegelbild, das sich in der im oberen Regal befindenden Vitrine, in welcher ein Kompass lag, reflektierte. Genauer betrachtete ich mein Gesicht im Glas, dann nochmal blickte ich hinunter zum Manhwa. Hätte ich mich nicht in der Öffentlichkeit befunden, hätte ich vermutlich geschrieen. Der gezeichnete Typ sah mir zum Verwechseln ähnlich. Abgesehen von der Haarfarbe.
Rational betrachtet; es war ein gezeichneter Charakter. Mein Gesicht fiel in einen generischen Algorithmus rein; laut Medien entsprach dieses dem Schönheitsideal. Dass Webtoons dieses aufgriffen, war klar. Wer wollte eine Story lesen, in denen Charaktere nicht attraktiv waren?
Dennoch- Die Augen, Nase, Lippen...
Ich schob die Paranoia auf meine mehrstündige Lernsession. Den ganzen Tag war ich mit meiner Facharbeit beschäftigt gewesen, dass ich mittlerweile ein bisschen bescheuert war, konnte ich mir nicht verübeln.
Versunken in meine Gedanken bemerkte ich nicht, dass sich meine Füße selbstständig gemacht hatten. Erwachte erst, als ich einen Schmerz in meiner Schulter wahrnahm.
>> Oh, tut mir leid <<, hörte ich eine männliche Stimme neben mir.
Sofort stieg mir Hitze in die Wangen, als ich sah, wer vor mir stand. Man könnte meinen, die Fanart, welche mir San eben noch gezeigt hatte, wäre zum Leben erwacht. Er war unbeschreiblich schön. Vermutlich die schönste Person, die ich jemals - abgesehen von Yeo Sang - gesehen hatte. Seine Augen, die helle Haut und die zartrosa Lippen. Ich war wie hypnotisiert. Zwar war ich kein Fan von Mullets, aber er konnte mit diesem Aussehen alles tragen.
>> Nein <<, räumte ich ein, >> Ich hätte aufpassen müssen. <<
Mittlerweile prickelte die Hitze auf meinen Wangen. Ich war mir sicher, dass ich die Farbe einer reifen Tomate innehatte.
Mit gesenktem Kopf ging ich geradeaus und suchte San und Yun Ho. Neben ersten ließ ich mich nieder, welcher mir lediglich einen verwirrten Blick schenkte. Schützend hielt ich mir die Hände vors Gesicht. Meine Wagen waren heiß. Vermutlich könnte ich Steak auf ihnen durchbraten.
Der junge Mann, in den ich hineingelaufen war, und ein großgewachsener Rothaariger betraten unter tosendem Applaus die kleine Bühne. Statt sich zu setzen, lehnten sie sich locker gegen den Tisch. Meine alleinige Konzentration hing bei ihm.
Allein durch eine minimale Geste, den Finger vor die Lippen zu legen, brachte er die Gäste zum Schweigen. Schon ein bisschen anturnend, wie viel Macht er ausstrahlte. Innerlich starb ich. Warum musste das ausgerechnet mir passieren? Ich freute mich, wenn ich zu Hause und mit Duschen fertig war, mich dann ruhig an meine Facharbeit setzen konnte. Hoffentlich vergaß ich den Moment schnell.
Dann setzte der Rothaarige das Mikro an die Lippen. Bei seinem Aussehen überraschte es mich, dass er Koreanisch sprach. Dieses ließ ihn europäisch wirken.
>> Wer uns noch nicht kennt; das ist Kim Hong Joong- <<
>> Nennt mich Joongie <<, unterbrach dieser schnell.
Der Rothaarige grinste.
>> Dann eben Joongie << Kurz atmete er. >> Und ich bin Jay. <<
Prompt blättere ich das Buch auf. Zu den letzten Seiten. Jay, Jay, Jay... den Namen hatte ich doch vorhin gelesen...
Mit meinem Finger verharrte ich auf diesem. Genau guckte ich mir die Zeichnung an. Niemand konnte mir sagen, dass das Zufall war. Der gezeichnete Typ sah eins zu eins aus wie sein lebendiges Vorbild. Nur mit anderen Klamotten. Drehte ich durch? Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl. Vermutlich sollte ich es vergessen. Zufälle existierten. Wenn Jay der Zeichner war, warum sollte er sich nicht selbst in seinem Werk verewigen? Würde ich vermutlich auch. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Nicht verrücktmachen, sagte ich mir auf wie ein Mantra.
Joongie bat die Fans dazu, einen Stuhlkreis zu bilden, so dass man in einer kleinen Runde zusammensaß. Sie verkündeten, dass vom Anime eine dritte Staffel und vom Drama eine zweite Staffel erschien. Ich nahm mir vor, diese irgendwann anzusehen.
Eine halbe Stunde später wurden Snacks und Getränke geliefert. Sie schafften es wirklich, eine gemütliche Atmosphäre zu gestalten. Mit Yeo Sang war ich schon bei vielen K-Idols Fanmeetings gewesen, aber dort war es nie so locker abgelaufen. Meine gesamte Aufmerksamkeit lag bei Joongie. Den ganzen Abend über. Er war unbegreiflich schön.
Gegen halb zwölf endete das Meet & Greet und ich beobachtete Joongie, der hinüber zu den Klassikern huschte. Unschlüssig stand ich mit San und Yun Ho zusammen.
>> Soll ich? <<, fragte ich bestimmt zum zehnten Mal. Dabei ließ ich Joongie keinen Moment aus den Augen. Bevor ich ein weiteres Mal fragen konnte, versetzte mir Yun Ho einen Stupser. Ungelenk stolperte ich zu einem Tisch, auf dem mehrere Bücher lagen. Es war klar, dass sie hinunterflogen. Damit gewann ich auch Joongies Aufmerksamkeit.
>> Als Tollpatsch hätte ich dich nicht eingeschätzt <<, kommentierte er und klaubte die Bücher vom Boden auf.
>> Was? <<, machte ich. Schnell rappelte ich mich auf und schaute ihm dabei zu, wie er die Bücher sortierte. Von Nahem war er noch schöner. Ich wollte ihn küssen.
Er schaute mir in die Augen. Es war vorbei. Nun stellte ich mir schon meine Zukunft mit ihm vor. Ein Kribbeln setzte in meiner Magengegend ein. Ich wollte ihn nicht nur küssen.
>> Dein Auftreten wirkt so clean <<, erläuterte er, >> So elegant. <<
Schlicht nickte ich. Konnte schlecht einschätzen, ob er mit mir flirtete oder das ausschließlich sein Eindruck von mir war.
Dann lächelte er.
>> Ich wünsche dir und deinen Freunden einen schönen Abend. << Er drehte sich hinter. >> Jay, kommst du? <<
>> Komme <<, rief es aus dem Nebenraum.
Sobald er zu Joongie aufschloss, verließen sie die Buchhandlung.
Enttäuscht kehrte ich zu meinen Freunden zurück.
>> Sei ehrlich <<, fing Yun Ho an, >> Was genau hattest du erwartet? Dass er dir um den Hals fällt und dich fragt, ob ihr heiratet? <<
Vor der Brust verschränkte ich beide Arme und musterte ihn traurig.
>> Sorry, Hyung <<
Mit einem Kopfschütteln tat ich seine Entschuldigung ab und steuerte den Ausgang an. Aus irgendeinem Grund hatte ich gedacht, Joongie und ich hätten eine Verbindung.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt