Ep 36 - Seong Hwa

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An Sans Hand klammerte ich mich. Keine Sekunde ließ er mich los, als wir zum Speisesaal zurückkehrten. Woo Youngs kritischer Blick entging mir nicht. Obwohl San ihm zuredete, dass er mir geholfen hatte, weil es mir nicht gut ging, sträubte Woo Young sich. Sogar Sans Umarmung schlug er aus. Neben Min Gi nahm San Platz, zog eine beleidigte Schnute. Vor der Brust verschränkte er seine Arme.
Gänsehaut und Übelkeit ergriffen mich erneut. Für meine Seele war dieser Ort nichts. Gefüllt mit widerlichen und grauenhaften Gedanken. Dringend musste ich weg.
Ehe ich meinen Freunden mitteilte, den Rest der Fahrtzeit im Transporter zu verbringen, nahm ich Schritte hinter mir wahr.
>> Raphael? <<
Ich wirbelte herum. Drei Männer hatten sich vor mir aufgebaut.
>> Wie schön, dass du zurück bist <<, fuhr er fort, >> Baut ihr eure Armee zusammen? << Mit den Augen verwies er hinter mich. Setzte die Hand zum Kichern vorm Mund an. >> Diesmal versucht ihr euer Glück mit Sterblichen? <<
Paar Schritte trat ich an ihn heran. Mit der Hand überm Schwertgriff. Sofort drehte sich mir der Magen um.
>> Noch ein Wort und du bist Staub. <<
Entschuldigend hob er die Hände.
>> Entspann dich, Engelchen, war doch nur eine normale Frage. <<
Zustimmendes Gemurmel und Nicken der zwei anderen Männern.
Gerade wandte ich mich ab, als er erneut den Mund öffnete.
>> Was? <<
>> Wir werden ja noch sehen, wer am Ende große Töne spuckt, wenn Lucifer erstmal den Krieg gewonnen hat. <<
Aus der Halterung zerrte ich mein Schwert, welches daraufhin ein blaues Licht umgab. Der Dämon zuckte zurück und wandte sich mit einem Kommt ab.
Auf dem Stuhl am Tischende ließ ich mich sinken. Im Augenwinkel musterte ich Quinn. Hatte er sich tatsächlich mit Lucifer verbrüdert? Ich dachte an die Rettungsmission. Die Nachricht, die er mir in seinem Handy hinterlassen hatte. Als er geheult hatte, nachdem Lucifers Leute ihm und Alec beim Portal aufgelauert war. Wenn ich ehrlich war, kannte ich ihn kaum. Konnte schlecht einschätzen, was für ein Typ Mensch er war. An meine Vision dachte ich zurück. Von einem Plan hatte er gesprochen. Definitiv war er gerissen, das stand außer Frage. Pläne konnte er auch schmieden, ohne mit Lucifer involviert zu sein. Wenn dies eintraf, wofür benötigte er einen Plan? Wozu brauchte er mich?
Zwischen den Fingern ließ ich den Schwertgriff kreiseln. Blickte gedankenverloren hinunter. Guckte dann nach draußen, ehe mein Blick Seths kreuzte.
>> Krieg? <<, schnappte dieser auf.
Ich haderte mit mir, ihnen zu erzählen, was Sunny erfahren hatte. Es war egal. Früher oder später würden sie es sowieso wissen müssen.
>> Lucifer hat den Krieg erklärt <<, erwiderte ich. Mit meinen Fingern spielte ich, drückte die Nagelhaut hinunter. Kein einziges Mal sah ich auf. >> Das erste Mal, als er einen Krieg ausgerufen hatte, war kurz nachdem er in Ungnade gefallen war. << Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter. >> Einfach grauenhaft. So viele Menschen sind ums Leben gekommen. Zwar hatten wir Erzengel eine Allianz gebildet, aber wir waren ihnen komplett ausgeliefert. Wir hatten keine Chance, es waren einfach zu viele. << Ich zuckte die Achseln. >> Dämonen heranzuzüchten, ist kein Akt. Du nimmst ein bisschen hiervon und davon << Mit den Händen mimte ich, als würde ich kochen. >> und schon hast du so einen Ekel. Engel hingegen, sie benötigen eine reine Seele, einen Körper, mit dem sie einen Pakt eingehen. Finde jemanden, der sein Leben opfert, um unendlich zu leben. <<
Unter meinen Lidern prickelten Tränen. Ich dachte an Jonah, den auch ich überleben werde. Wir würden nicht zusammen alt werden. Etwas krampfte sich in meinem Magen zusammen. Ich dachte an meine Zeit als Student Park Seong Hwa zurück. Mit Freunden. Freiheiten. Ohne den Auftrag, Leben zu retten.
Zum ersten Mal sah ich auf. Bemerkte Alecs mitleidigen Blick. Blinzelnd guckte ich zur Seite, verkrampfte meine Finger im Schoß. Strich mir mit Daumen und Zeigefinger über die Lider. Paar Tränen quetschte ich hinaus.
>> Jonah? <<, fragte Alec.
Ich nickte.
>> Damals hätte ich nicht erwartet, dass ich mal jemanden so sehr mögen könnte. << In eine Reihe an traurigen Gesichtern schaute ich. Eine Träne entwischte. Langsam rollte mir diese über die Wange, bis ich sie mithilfe meiner Hand wegwischte. >> Ich- << Zittrig atmete ich aus. Dass diese Fahrt zu einer Therapiesitzung wurde, hätte ich weniger vermutet. >> Zuerst hatte ich ihn kennengelernt, da war er tatsächlich auch ein Prinz. Prinz Kim Hong Joong. Irgendeiner in der Joseon-Dynastie. Sein Arzt war ich gewesen und unheimlich verliebt in ihn. << Mit den Händen rieb ich mir über die Beine. Tränen quollen aus meinen Augen. >> Und jetzt ist sein letztes Leben angebrochen. Danach werde ich ihn nie wieder sehen. Ich- Ich will nicht, dass er- Ich liebe- <<
Alles, was danach folgte, ging im Weinen unter. Schützend hielt ich mir die Hände vors Gesicht, wurde kurz darauf in eine Umarmung gezogen. An seinem Geruch erkannte ich San. Ständig tätschelte er meine Seite.

Im Transporter ließ ich mich auf der Fahrerseite nieder. Griff nach der goldenen Plakette, welcher mir der Fährmann vor Reiseantritt gegeben hatte. Den Wagen navigierte ich zum Ausgang. Im Schritttempo. Denn jeder versuchte, so schnell wie möglich, das Schiff zu verlassen.
Nachdem ich dem Fährmann die Plakette aushändigte, ließ er mich die Schranke passieren. Fuhr in einen Tunnel hinein, der fünf Minuten anhielt. Sobald wir auftauchten, fanden wir uns in Seoul wider. Auf die Hauptstraße bog ich ein und folgte der Route, welches mein Handy zeigte.
Im dichten Verkehr strandeten wir. Was Jays Glück war, denn er rief an. Am Touchscreen nahm ich seinen Anruf entgegen. Etwas Sorge ebbte ab.
>> Wo seid ihr? <<, hallte seine Stimme durchs gesamte Auto.
Die Sorge, die eben erst geschwunden war, türmte sich erneut in meinem Brustkorb auf. Mir schwante Böses.
>> Auf dem Weg- <<
>> Seid ihr in Seoul? <<, würgte Jay mich ab.
>> Ja- <<
Im Hintergrund ertönten Geräusche. Klang, als wäre jemand umgefallen.
>> Nein, nicht- << Jays heftiges Atmen drang durch die Lautsprecher. >> Beeilt euch. <<
Beinahe bedrohlich vernahm ich das Tuten.
Nervös fummelte ich am Blinker. Scherte links neben mir in die Lücke. Zumindest auf den ersten Blick wirkte es, als käme ich hier schneller durch. Dennoch benötigten wir fast eine halbe Stunde.
Sobald ich den Stadtausgang erreichte, beschleunigte ich. Blieb knapp oberhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung. Jeden überholte ich, wenn die Gegenfahrbahn frei schien. Fest klammerte ich mich ans Lenkrad, als würde mein Leben daran hängen.
Jonah. Meine Gedanken trifteten ununterbrochen zu ihm. An seine unnatürliche wächserne Haut dachte ich, die mir im Pub bereits aufgefallen war. Wie lange er wohl die Vision schon verdrängte?
Mich beschlich ein seltsames Gefühl, als wir auf eine Landstraße wechselten, die von Wald, Bäumen und Bergen gesäumt wurde. Übelkeit nistete sich in meiner Magengegend ein. Hier- Hier hatte- Mein Armreif hatte mich hier ausgespuckt.
Unter meinen Händen spürte ich den Schweiß am Lenkrad. Automatisch drosselte ich die Geschwindigkeit.
>> Bekommst du plötzlich Schuldgefühle, weil du eben gegen das Gesetz verstoßen hast? <<, triezte mich Seth. >> Hier stehen bestimmt keine Blitzer- <<
Warnblinker blendeten mich. Trotz der niedrigen Geschwindigkeit, bremste ich abrupt ab. So stark, dass ich hinter mir Woo Young und Min Gi nach Luft schnappen hörte.
Gelähmt starrte ich zur Unfallstelle. Der Verfolger war ihm frontal hineingefahren. Wer auch immer mich um Hilfe gebeten hatte, war tot. Mit Sicherheit. Unmöglich konnte die Person diesen Aufprall überlebt haben.
Meine Eingeweide brannten vor Schuldgefühlen. Innerlich zerfraß es mich. Ich war daran Schuld, dass der Hilfesuchende tot war. Allein meine.
Zur Brust fasste ich mir aus Reflex. Kaum bekam ich Luft.
Im Augenwinkel nahm ich schwarze Flügel wahr. Pechschwarze Haare kringelten sich in seinem Nacken, welcher von einem dunklen Gewand verhüllt wurde. An seiner Seite ragte ein schwarzes Schwert hervor.
Zu unserem Auto wirbelte er herum, grüßte, indem er kurz die Hand hob. Matt erwiderte ich dies.
Dass Azrael an einer Unfallstelle auftauchte, bedeutete alles, nur keine Aussicht auf Heilung. Dass ich somit jemanden auf dem Gewissen hatte, würde eine Weile dauern, bis ich dies verarbeitete.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt