Ep 52 - Yeo Sang

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Zwischen Alec und San ließ ich mich an der Speisetafel nieder. Dass Erster Jong Ho musterte, als wäre dieser ein Schwerverbrecher, entging mir nicht. Deutlich gab Alec ihm zu verstehen, dass er ihn nicht mochte. Irgendwann erwiderte Jong Ho nicht mal mehr meine mitfühlenden Blicke.
Locker startete das Gespräch, als Dad von einem seiner Kunden erzählte, die heute Vormittag im Laden war. Alles stellte er lustig da. Ein paar Abzweigungen in andere Themenbereichen folgten, aber alles blieb witzig und unterhaltsam. Allerdings nahm das Essen rasch eine düstere Wendung, als meine Mum von der Not-OP sprach. Blutreserven hatten gefehlt, Infusionen wurden nicht vertragen und die Patientin hatte zuvor eine Verletzung erlitten, welche die OP massiv beeinträchtigt hatte.
Was danach folgte, war für mich mein persönlicher Tiefpunkt.
>> Wir finden Cromer nicht <<, sagte Alec.
Prompt ließ ich Gabel und Messer sinken. Mein Appetit war mir vergangen.
>> Egal, wo wir suchen <<, fuhr Jonah fort, >> Wir haben an Orten gesucht- <<
>> Kein Kompass, kein Fernglas und vor allem kein Schiff. <<
Alec sah ich nicht an, als dieser sprach. Stierte stattdessen zu meinen Fingern, die unaufhörlich in meinem Schoß zitterten. Zwar signalisierte mein Hals, er bräuchte dringend Wasser, da das Hähnchen scharf gewürzt war, aber ich traute mich nicht, mein Glas anzufassen.
Mir gegenüber ertönte ein Räuspern. Elo.
>> Vielleicht sollte ich etwas zugeben <<, sagte dieser. Meine Verwirrung blieb ihm nicht unbemerkt. Ob wir es auf dieselbe Weise deuteten, glaubte ich weniger. >> Als wir Quinnie aus Zacharias' Burg befreit hatten, war mir im Saal eine Sanduhr in einer Vitrine- <<
Herzrasen setzte ein, dass ich in den Ohren lediglich ein Rauschen wahrnahm. Egal, was Elo noch sagte, ging an mir vorbei. Mir wurde schwindlig, meine Atmung verschnellerte sich. Das Schlimme, jegliche körperlichen Reaktionen musste ich verbergen.
>> Die ist nicht echt <<, hörte ich Jonah fernab, >> Das ist eine Replik. <<
Nun blieb mir die Luft weg. Egal, welche Atemtechnik ich anwandte, nichts half. Übelkeit stieg in mir hoch, Schweiß perlte von meiner Stirn. Mit den Händen klammerte ich mich an meine Beine, um das Zittern zu bändigen, aber es machte die Sache bloß schlimmer.
Elo, der mir im oberen Augenwinkel auffiel, kniff die Augen zusammen. Musterte mich.
>> Quinn? <<
Zwar hörte ich ihn, aber ich reagierte nicht.
>> Quinn? <<, wiederholte dieser. >> Geht's dir gut? <<
Dann sah ich auf. Bemerkte Alecs beängstigten Blick. Mit demselben bedachte mich meine Mutter.
>> Ja <<, würgte ich hervor.
Obwohl keiner überzeugt schien, setzten sie ihr Gesprächsthema fort. Abgesehen von Jong Ho und Elo.

>> Sorry für die Unordnung <<, sagte ich zu meinen Freunden, als ich sie in mein Zimmer lotste. >> Gestern Abend hatte ich noch gelernt. <<
Auf meinem Bett nahm Jong Ho Platz. San, Min Gi und Woo Young hingegen auf dem Sofa. Nachdem ich beim Essen anscheinend einen schrecklichen Eindruck gemacht hatte, hatte meine Mum keinerlei Einwände gehabt, dass sie hier übernachten durften. Obwohl Alec Mum scharf kritisiert hatte, dass Jong Ho darunter war.
Im Nebenraum holte ich Bettwäsche und wollte gerade eintreten, als ich Woo Young flüstern hörte.
>> Aber bitte seid leise. Ihr seid nicht allein. <<
>> Was- <<
>> Willst du nicht mit ihm- <<
>> Nein- <<
>> Bei dem Schönling sagst du Nein- <<
Bevor sich Jong Ho um Kopf und Kragen redete, trat ich ins Schlafzimmer. Tat so, als hätte ich nichts gehört.
>> Eure Sachen << Aufs ausgezogene Schlafsofa schmiss ich die Decken und Kissen. >> Wollt ihr noch Klamotten von mir oder schläft ihr in Unterwäsche? <<
Ohne ihre Antworten abzuwarten, verschwand ich ins Bad. Musterte mich für eine Weile im Spiegel, ehe ich meinen Pony mithilfe eines Haarbands zurücksteckte.
Zuerst putzte ich Zähne und machte anschließend Skincare. Als ich Moisturiser verteilte, schlüpfte Jong Ho hinein. Zerknirscht guckte dieser drein.
>> Hast du uns reden gehört? <<
>> Ja <<
>> Sorry- <<
>> Für was? <<
Ich wandte mich ihm zu. Verdrießlich zuckte er die Achseln. Sah aus, als wäre ihm das Thema furchtbar unangenehm. Ununterbrochen nestelte er an der Schnur seines Hoodies.
>> Ich will nicht, dass du denkst, ich mag dich nur, weil du attraktiv bist- << Panisch zuckten seine Augen über mein Gesicht. >> Nicht, dass du jetzt denkst, dass du hässlich bist, weil das bist du allemal nicht- << Er schüttelte den Kopf. >> Ich will dich auch zu nichts zwingen, weil ich weiß, was du- <<
>> Stopp <<, sagte ich irgendwann. Verschränkte die Arme vor der Brust. Mit einem Lächeln bedachte ich ihn. >> Ich nimm's dir nicht übel. Alles gut. Ich weiß nicht, ob ich mit dir schlafen kann. Oder mehr als nur küssen. Ich werde meine Zeit brauchen, aber es ist nicht verwerflich, wenn du- <<
Seine Wangen färbten sich dunkelrosa, weshalb ich schwieg. Vorm Oberkörper verschränkte er die Arme, presste die Lippen aufeinander. Guckte mich nicht an.
>> Wir müssen das nicht tun <<, sagte Jong Ho plötzlich. Nach wie vor stierte er zu Boden. >> Küssen und kuscheln reicht mir vollkommen. Mich interessiert viel mehr, wenn wir Zeit miteinander verbringen. <<
Unwillkürlich musste ich lächeln. Viele Typen hatten das bisher nicht zu mir gesagt.
Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. Stützte den Kopf an seinem. Auf seine Wange hauchte ich einen Kuss. Spürte, dass er die Arme um meine Taille schlang.
>> Ich hab deinen Geruch vermisst <<, sagte ich.
>> Wirklich? <<
>> Ja <<, erwiderte ich. >> Irgendwie beruhigt dieser mich. <<
>> Oh <<, machte Jong Ho. In seiner Stimme hörte ich ein Lächeln. >> Danke <<
Abermals küsste ich seine Wange.

>> Was habt ihr da drinnen solange gemacht? <<, fragte Woo Young.
Auf dem Bett ließ ich mich nieder. Jong Ho setzte sich zu ihm.
>> Was tust du mit San Hyung? <<
Beide schauten sich gleichzeitig an, schwiegen. San nickte Jong Ho zu, als würde er ihm gratulieren. Ich wollte nicht wissen, was sie im Badezimmer trieben.
Während meine Freunde diskutieren, welchen Film wir schauten, wechselte ich meine Klamotten gegen meinen Pyjama. Kuschelte mich unter die Decke und wartete auf Jong Ho. Zehn Minuten zog sich ihr Disput, bis sich San mit Frozen durchsetzte.
Um Jong Hos Oberkörper klammerte ich mich und bettete den Kopf an seiner Schulter. Ständig fielen mir die Augen zu. Blieb nur wach, weil die anderen ab und zu mitsangen.
Noch während ich einschlief, spürte ich drohende Albträume.

Schweißüberströmt wachte ich auf. Vermischt mit Tränen. An Jong Hos Taille klammerte ich mich, als hinge mein Leben daran. Einen Kuss hauchte mir dieser auf die Stirn.
>> Schlecht geträumt? <<, fragte er.
Ich nickte lediglich. Zu mehr war ich nicht imstande.
Erneut brach ich in Tränen aus, weil mich die Bilder nach wie vor verstörten. Am gesamten Körper zitterte ich. Tief vergrub ich den Kopf an Jong Hos Schulter.
>> Ich bin bei dir <<, flüsterte er.
Allerdings änderte dies nichts an meinem Gewissen. Beinahe zersprang meine Brust vor Schuldgefühlen. Mir war übel. Schwindlig. Lange hielt mein Körper die Belastung nicht mehr aus.
Dann riss ich mich von ihm. Stemmte mich auf meine Unterarme und bemerkte dabei, wie schwach ich war.
Ohne auf Jong Hos fragenden Blick einzugehen, rutschte ich aus dem Bett. Kurz erfrischte ich mein Gesicht, um mir ein bisschen klaren Verstand einzuhauchen. Was sich allerdings schnell trübte, als ich durch die Flure schlich. Ständig musste ich stehenbleiben. Durchschnaufen.
An Alecs Zimmertür klopfte ich. Im Sekundentakt. Jedes Mal ein bisschen kräftiger. Irgendwann riss dieser die Tür auf. Mit der Hand stützte er sich im Türrahmen.
>> Quinn? << Seine Augen rieb er. Dann war er hellwach. >> Ist alles okay? Hat Jong Ho dich- <<
Durch ein Kopfschütteln unterbrach ich ihn.
>> Bring die anderen mit. <<
Auf dem Rückweg in mein Zimmer quälten mich die Worte vom Abendessen. Cromer nicht gefunden. Überall gesucht. Ihre Verzweiflung verstärkten meine Schuldgefühle. An allem war ich-
Ich strauchelte und fiel gegen die Wand. Da mir bereits schwindlig war, verlor ich das Gleichgewicht. Stürzte zu Boden.
>> Quinnie! <<, vernahm ich Alecs Stimme hinter mir. Spürte dann zwei kräftige Arme, welche sich um meine Taille schlangen und mich auf die Füße zogen. >> Du solltest dringend zum Arzt. Mum macht sich- <<
Ich ignorierte ihn. Entschuldigte mich lediglich.
Mithilfe der Wand legte ich den Rest Weges ins Schlafzimmer zurück. Stieß an der Tür mit Jong Ho zusammen.
>> Geht's dir gut? << Mit beiden Händen umfasste er mein Gesicht. >> Du bist sehr blass. <<
Obwohl ich nicht wollte, sank ich in seine Arme. Kaum konnte ich mich mehr halten. Der Fußmarsch zu Alecs Zimmer hatte mir alles abverlangt.
Jong Ho stützte mich und half mir, auf meinem Bett Platz zu nehmen.
Ich schielte hinüber zum Sofa. San, Woo Young und Min Gi saßen an der Kante, starrten zu uns. Vermutlich hatte der Lärm und meine Nachttischlampe sie geweckt.
Nach und nach tröpfelten Alec, Jonah und Elo ein. Letzterer setzte sich sofort zu mir aufs Bett. Befühlte meinen Puls.
>> Hast du irgendwas eingenommen? << Sorge schwang in seiner Stimme. Mithilfe seines Pyjamaärmels befreite er mich vom Schweiß im Gesicht. >> Willst du dich nicht lieber hinlegen? <<
Ich schüttelte den Kopf. Zwang mich aufzustehen, schlurfte hinüber zum Schrank. Mir blieb nur noch die Wahrheit über. Mein schlechtes Gewissen drückte mich nieder.
Als ich taumelte, sprang San auf. Genauso Min Gi. Keinen Millimeter wichen beide von mir, als ich am Schrank den Schlüssel umdrehte.
>> Ich- << Übelkeit stieg in mir hoch, die mich vom Reden stoppte. Mehrmals blinzelte ich, bevor ich schluckte. >> Ich- <<
Mehr Worte brachte ich nicht über die Lippen. Über meinen Brustkorb verteilte sich Anspannung, welche mir die Luft zum Sprechen nahm.
Auf den Boden kniete ich mich nieder und zerrte die linke Schranktür beiseite. Hievte die schwere Kiste aus dem Fach, setzte mich mit dieser in die Mitte des Raums.
In Jonahs Augen las ich Verwirrung; er wusste, was sich darin befand. Denselben Anblick bot Alec, der ein Geräusch des Unglaubens von sich gab.
An dem kleinen Metallschlüssel drehte ich, woraufhin sich die Kiste entfaltete. Die Sanduhr surrte, leuchtete auf. Beide Hälften schwirrten unaufhörlich, bis sich die schwarzen und weißen Kugeln verteilten.
Unsicher lachte Elo.
>> Wieso hast du Cromer? <<
Statt zu antworten, heulte ich laut auf.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt