Absichtlich ignorierte ich den Garten, als mein Vater die Einfahrt zum Herrenhaus hinauffuhr. Dennoch übermannten mich Bilder, die ich sehr schwer abschütteln konnte. Dies entging meiner Mum nicht, die mich an der Hand packte, als wir ausstiegen.
>> Quinn- <<
Ein leises Meow unterbrach sie. Ich guckte unter mich und entdeckte Alecs Kater, der sich an meine Beine schmiegte.
>> Einstein <<, sagte ich. Lächelte.
Ich kniete mich hinunter und streichelte ihn ausgiebig. Sobald ich von dem alten Kater ließ, miaute er traurig. Noch nie hatte ich eine Katze kennengelernt, die Menschen so sehr vermisste. Nicht mal Sans.
Allein bugsierte mein Vater die Koffer in den zweiten Stock. Dort befand sich mein Zimmer, welches meine Mutter neu eingerichtet hatte. Modern. Mit Fernseher, PC, Konsolen. Sogar ein Sofa stand drinnen. Worüber ich mich freute, war das eigene Bad.
>> Ich hoffe, es gefällt dir <<, sagte sie.
Ich nickte und ließ mich aufs Bett sinken, sobald beide verschwunden waren. Guckte mich um. Das Zimmer war riesig. Bestimmt maß es die Größe Elos und meinem Apartment in Seoul.
Dann machte ich mich daran, meine Sachen auszuräumen. Klamotten und anderen Kram verteilte ich in den Schränken, Skincare und Duschzeug verstaute ich in der Ablage der Duschkabine.
Ehe ich Jong Ho schrieb, klopfte es an der Tür. Meine Mum.
>> Kommst du? <<, fragte sie. >> Es gibt Essen. <<
Kritisch musterte sie mich, weshalb ich das Handy auf dem Nachttisch ablegte und ihr hinunter ins Esszimmer folgte. Eine richtige Erinnerung ans Haus hatte ich nicht. Doch beim Umschauen wirkte die Umgebung vertraut, obwohl es an manchen Stellen offensichtlich Renovierungsarbeiten gegeben hatte. Im Großen und Ganzen war alles beim Alten geblieben.
An der langen Speisetafel nahm ich neben meiner Mutter Platz. Wünschte mir sofort das koreanische Essen zurück, als ich auf den Teller blickte. Fisch mit Kartoffeln und gegartem Gemüse.
Meinem Dad war ich dankbar, dass er den Plattenspieler einschaltete. Zwischen uns hing nämlich eiskaltes Schweigen. Wenn gesprochen wurde, dann ausschließlich übers Essen. Zutiefst hoffte ich, dass sich dies im Laufe der Zeit normalisierte.
>> Quinnie <<, sagte meine Mum plötzlich.
Zu plötzlich für meinen Geschmack, so dass ich mich an der Kartoffel verschluckte und erstmal gut fünf Minuten hustete, ehe sie weitersprechen konnte.
>> Ich hab den Arztbrief gelesen und mache mir Sorgen. <<
Oh, das hatte ich schon befürchtet. Fest umklammerte ich mein Messer, um es vom Rutschen zu hindern.
>> Ich kann mir gut vorstellen, dass du vieles Traumatisches erlebt hast <<, fuhr sie fort, >> und nicht mit uns darüber sprechen willst. << Eine Strähne strich sie mir hinters Ohr. Worauf sie anspielte, wurde mir sekündlich klarer. >> Wir würden es gut finden, wenn du zur Therapie gehst, wie es Dr Park verschrieben hatte. <<
Elos bürgerlichen Namen in diesem Kontext zu hören, war gewöhnungsbedürftig. Trotzdem nickte ich, obwohl ich nicht wollte.
>> Und die Liste an Mangeln machen mir auch Sorgen, Quinnie, ich werde mal gucken, was ich dir an Präparaten herstellen kann. <<
Abermals nickte ich. Zerschnitt die größte Kartoffel in vier Stücke.
>> Außerdem <<, setzte mein Dad an. >> wollen wir gerne, dass du an die Uni gehst. Wir wissen nicht, was du bisher gelernt hast, aber jemand aus unserer Familie- << Er schaute zu Mum, die ihn aus verengten Augen musterte. >> Wir wollen nur vermeiden, dass du in deinem späteren Leben Defizite hast und schließlich soll einer von euch meine Apotheke übernehmen. <<
Und wieder nickte ich ein weiteres Mal. Eine Diskussion machte nicht viel Sinn. Außerdem fühlte ich mich zu ausgelaugt dafür.Als ich mit duschen fertig war, ging ich hinunter ins Wohnzimmer und suchte meine Mutter. Eben hatte sie gemeint, sie wollte meinen Verband erneuern. Im Salon traf ich auf sie. Vitrinen verhang sie mit Gardinenstoffen.
>> Ich komm gleich, Quinnie Darling, setz dich schon mal ins Wohnzimmer. <<
Mich umdrehend verließ ich den Salon, allerdings wartete meine Mum, sich zu bewegen, bis ich die Tür schloss. Plötzlich legte sich eine Gänsehaut über meine Arme. Fühlte sich fast so an, als hätte ich solch eine Situation schon mal erlebt.
Auf der großen Ledercouch ließ ich mich nieder. Starrte den Fernseher an, der so groß war, als könnte er in einem Indie-Kino als Leinwand durchgehen.
Zehn Minuten verstrichen. Noch immer bog meine Mutter nicht um die Ecke. Gut redete ich mir zu, doch ich verfiel in Angst. Weitere fünfzehn Minuten bangte ich. Mein Puls beschleunigte sich. Schritte bildete ich mir ein, die durchs Treppenhaus hallten.
>> Mum?! <<, rief ich. Hievte mich auf die Füße. Tränen brannten unter meinen Lidern. >> Mum?! <<
Keine Reaktion. Ich kehrte zum Salon zurück und riss die Tür auf. Dort, wo sie zuvor gewartet hatte, stand sie nicht mehr. Zwei Schritte trat ich näher hinein. Ein runder, dunkelgrüner Teppich war zurückgeschlagen, der eine hölzerne Bodentür verbarg. Ich rang mit mir, ob ich dieser in die Tiefe folgen sollte, denn die Steintreppen wurden von der Dunkelheit verschluckt.
Aus der Hosentasche kramte ich mein Handy und leuchtete den Weg hinunter. Allen Mut fasste ich zusammen, um hinabzusteigen. Eigentlich nur wegen meiner Mum. Ich hatte Angst um sie.
Vorsichtig setzte ich einen Fuß nach dem anderen; meine Schlappen waren zu groß und ich rutschte jede Sekunde nach vorne.
Der unterirdische Gang war stuckdüster. Dank meiner Taschenlampe erkannte ich drei Türen, die links, rechts und geradeaus abzweigten. Zuerst öffnete ich die Rechte, hinter welcher sich eine Rumpelkammer befand. Um nichts machte ich mir Sorgen, wie es schien. In den zwei anderen Zimmern würde ich nichts anderes finden. Trotzdem zitterte meine Hand, als ich die Klinke der linken Tür hinunterdrückte.
Blaues Licht strahlte mir entgegen. Wie unterm Pub schien es sich auch hier um ein Portal zu handeln.
Langsamer als zuvor wandte ich mich der letzten Tür zu. Diese drückte ich ein und erkannte meine Mum, wie sie in der hintersten Ecke in einem Schrank wühlte.
Mit jeglicher Kraft klammerte ich mich an die Klinke. Der Raum... ich kannte ihn. Als kleines Kind hatte ich, sowie jetzt, nach meiner Mutter gesucht und war ihr nachgelaufen. Hatte gesehen, wie sie Cromer in eine der Vitrinen gereinigt hatte.
>> Quinn? <<
Erschrocken fuhr ich herum. Mit einer Taschenlampe leuchtete sie mir entgegen. Panisch sah sie sich um.
>> Was machst du hier? <<
Wie damals schlüpfte ich zwischen der Tür hindurch und rannte den Gang zurück. Außer Atem hechtete ich die Steinstufen hoch. Knickte auf der Letzten um. Unglücklicherweise stützte ich mich mit meiner verletzten Hand auf, was zu fürchterlichen Schmerzen führte. Obwohl ich vermutlich nicht sollte, sank ich zu Boden. Keine zehn Sekunden später hallten Schritte durch den Flur. Meine Mum schaute mich besorgt an.
>> Hast du dich verletzt? <<, fragte sie.
Auf der obersten Stufe nahm sie neben mir Platz und wickelte den Verband von meiner Hand.
>> Ist nicht aufgeplatzt <<, resümierte sie. >> Braucht nur Ruhe. <<
Ihr Blick wirkte ernst, doch in den Augen erkannte ich ihre sanfte Art.
>> Du hattest Cromer hier unten versteckt? <<, fragte ich.
Sie nickte.
>> Nachdem letzten Krieg gegen Lucifer, als die weißen Magier gegen ihn gesiegt hatten, hatten sie beschlossen, einem Hexenmeister ihn anzuvertrauen. Schließlich kann dieser ihn mit Magie versiegeln und unbrauchbar für jeden machen. Damals war die Wahl auf meine Familie gefallen, da wir noch andere magische Artefakte aufheben. Als Jonah alt genug war, hatte ich Cromer seiner beziehungsweise eurer Granny gegeben. <<
Manchmal vergaß ich, dass wir Cousins waren.
>> Hatten sie dich deswegen entführt? <<
Ich nickte.
>> Ich glaube, ich hatte damals im Kindergarten von einer großen Sanduhr gesprochen. Isaac musste das- <<
>> Isaac? <<
Bald kam ich mit der Wahrheit nicht mehr drumherum. Dennoch schwieg ich und log, dass es mir entfallen war. Mit Sicherheit kaufte mir meine Mutter das nicht ab. Aber sie bohrte nicht nach. Sondern half mir beim Aufstehen.Im Halbschlaf wälzte ich mich im Bett, als das Handyklingeln mich aus diesem riss. Blind tastete ich nach ihm. Blinzelte dem grellen Bildschirm entgegen. Als ich Jong Hos Namen entzifferte, schreckte ich auf.
>> Geht's dir gut? <<, fragte dieser, als ich abhob. >> Du hattest dich nicht mehr- <<
>> Sorry <<, fiel ich ihm ins Wort, >> der Tag war lang. <<
>> Solange es dir gut geht, bin ich beruhigt. <<
Ich nickte, auch wenn er es nicht sah. Ein Tuten am Ohr verriet mir, dass er mich zu einem FaceTime-Anruf einlud. Keine Sekunde später flimmerte Jong Hos Gesicht übers Display. In seinen Ohren steckten Kopfhörer.
>> Bist du allein? <<, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
>> Sind alle hier <<, erwiderte dieser. >> Woo Young Hyung meinte, ich soll dich anrufen, wenn ich dich so sehr vermisse. Ich wurde genötigt; sie hatten mich angestarrt, bis ich dich angerufen hatte. <<
Wie er dies im genervt-trockenen Ton erzählte, brachte mich zum Schmunzeln. Lange guckte ich in seine Augen, dass ich mich in diesen verlor. Ich vermisste ihn unheimlich.
Mit einem Ruck setzte Jong Ho sich auf. Nun blitzte ein Teil seiner Schultern hervor.
>> Wie geht's dir? <<, fragte er.
>> Geht schon <<, erwiderte ich, >> Ich war im Krankenhaus- <<
Im Detail schilderte ich ihm, was vorgefallen war. Abgesehen den Part mit Mum und Cromer ließ ich aus. Bis obenhin erstickte ich fast in Übelkeit. Deutlich signalisierte mein Körper, dass er nicht mehr konnte. Nicht mehr wollte. Mit allen Mitteln zwang er mich zum Handeln. Allerdings stellte sich mein Kopf quer.
Video-Jong Ho zog die Brauen zusammen, öffnete minimal die Lippen.
>> Alles oke? <<
In mir schrie es Nein, dennoch nickte ich. Über meine Sturheit und Angst ärgerte ich mich.
Paar Strähnen tat ich mir aus der Stirn, was Jong Ho offensichtlich ablenkte. Etwas Verträumtes lag in seinem Blick.
>> Du bist süß. <<
Ich kicherte, wie Woo Young es tat, wenn San ihn in Verlegenheit brachte.
Mit viel Müh lenkte ich ihn ab. Dass ich mit etlichen Männern Sex gehabt hatte, kam mir hierfür erstmals zu Gute. Trotzdem wusste ich, dass ich nicht ewig so weitermachen konnte. Sonst würde ich allem im Weg stehen.
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The Pirate's Prince
FanfictionDer 24-Jährige Park Seong Hwa lebt sein gewöhnliches Studentenleben, bis er auf einer abendlichen Lesung den bekannten Manhwa-Zeichner Kim Hong Joong kennenlernt. Sofort verspürt Seong Hwa eine magische Anziehungskraft zu ihm, als kennen sich beide...