Ep 15 - Hong Joong

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20 Jahre zuvor

Fest hielt ich die Hand meiner Mutter. Ich war aufgeregt gewesen, wie ein Vierjähriger sich eben auf einen Jahrmarkt mit Fahrgeschäften und Buden freute. Eilig zerrte ich sie von Attraktion zu Attraktion. Alles blinkte, leuchtete und machte Musik. Für einen kleinen Jungen sehr faszinierend.
>> Haydn! <<, rief sie scharf und riss mich zu sich. >> Benimm dich bitte für zwei Sekunden. Die Leute gucken schon. <<
Ich erinnerte mich, wie schnell meine Freude erlosch und ich nach Hause wollte, obwohl es dort nicht viel besser war. Hier konnte ich wenigstens rumlaufen und war nicht an meinen Schreibtisch gefesselt, um mir von meinem Privatlehrer anhören zu müssen, was für ein dummes Kind ich war.
Zwar war ich betrübt, dennoch konnte ich meine Faszination nicht unterdrücken. Die vielen magischen Wesen, die ihre Kräfte demonstrierten. Bei den Magiern blieb ich stehen. Bunte Kugeln blubberten aus ihren Handinnenflächen. Der junge Mann ging in die Hocke, so dass er mit mir auf einer Augenhöhe war.
>> Na Kleiner <<, sagte dieser. >> Streck deine Hand- <<
Dazu kam es nicht, denn meine Mutter zerrte mich an den Schultern zurück.
>> Ich hab dir doch gesagt, du sollst nichts anfassen. <<
Erneut griff ich nach ihrer Hand und ließ den Kopf hängen. Ich war traurig. Nie durfte ich etwas machen, was mir Spaß bereitete. Das Einzige, was ich durfte, war gehorchen, was meine Eltern sagten. Ich guckte nicht mehr hoch, wenn sie etwas sagte. Mir war alles egal. Nur anhand des Bodens erkannte ich, dass wir einen anderen Teil des Jahrmarktes erreichten. Ein kleines rot-samtiges Zelt erstreckte sich vor uns, vor welchem ein Plakat hing. Auf diesem war eine Glaskugel abgebildet, die auf einem Kissen lag.
Mehrmals blickte sich meine Mutter um, dann schob sie mich durch den Eingang. Vor lauter Dampf und Nebel war kaum etwas zu erkennen. Sandelholzgeruch erfüllte den gesamten Raum.
Inmitten saß eine grauhaarige Frau auf vielen bunten Teppichen, die ein noch viel bunteres Kleid trug. Als sie uns sah, nickte sie und deutete mit der Hand auf Sitzkissen. Sobald wir saßen, bewegte sie ihren Zeigefinger und das Zelt schloss sich. Es klang wie bei einem Reißverschluss. Auf beiden meiner Schultern platzierte meine Mutter ihre Hände.
Lange musterte mich die schrullige Frau mich, bis diese zu meiner Mutter blickte.
>> Ihren Mann haben Sie nicht mitgenommen? <<, stellte sie fest. Ihre Stimme war tief, dennoch sanft und beruhigend. >> Er weiß nicht, dass Sie eine weiße Magierin sind. <<
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Meine Mutter schwieg. Nervös strich sie mir paar Strähnen aus der Stirn. Schließlich nickte sie.
>> Vor kurzem wurde die Prophezeiung bekannt und nun- meine Sorge ist, dass mein Haydn- << Sachte streichelte sie mir über den Rücken. >> Sie wissen schon. Dass die Prophezeiung ihn meint. <<
Aus großen Augen schaute ich zu meiner Mutter hoch, ihre Augen nass vor Tränen.
Die grauhaarige Frau lächelte ein großmütterliches Lächeln. Dann beäugte sie mich kritisch, als würde sie tief in meine Seele blicken. Sie nahm meine Hand und schloss die Augen. Paar wirre Worte murmelte sie. Danach begann der Spuk. Um uns herum flogen Kissen und Kräuter in die Höhe, alles drehte sich. Zwei Sekunden später war es vorbei. Weit riss sie die Augen auf, die nun ihre Farbe gewechselt hatten. Aus Angst schreckte ich zurück.
>> Du wirst große Taten verbringen <<, begann sie. >> Mithilfe 13 Freunden. Darunter ein Bekannter, fünf Freunde und die Liebe, die dich zu den restlichen Fünf führt. Auf Beistand von Engeln und Hexenmeistern kannst du hoffen. Engste Familie wird dich verraten, für das, was in dir schlummert. Dein letztes Leben hat begonnen, wenn du aus dem Tod erwachst. <<
Ihre Augenlider flatterten zu und sämtliche Kissen kamen zum Erliegen. Eilig zerrte meine Mutter an meinem Arm, sodass ich auf die Füße stolperte und sie rannte mit mir aus dem Zelt. Sie kniete sich hin und umfasste mit beiden Händen mein Gesicht.
>> Kein Wort zu Dad. <<
Verwirrt nickte ich. Fest drückte sie mich an sich, ich hörte sie weinen.

Mehrmals drückte meine Mutter die Klingel. Bei meiner Großmutter dauerte es immer ein Weilchen, da sie schwerhörig und der Fernseher viel zu laut eingestellt war. Als sie die Tür öffnete, quetschte sich meine Mutter an ihr vorbei ins Haus.
>> Warst du bei ihr? <<, fragte meine Großmutter, als wir im Wohnzimmer saßen. Meine Mutter nickte. >> Ist er es? <<
Abermals nickte meine Mutter. Zwischen beiden guckte ich sie abwechselnd an.
>> Können wir nicht irgendwas tun? <<, fragte meine Mutter. >> Jonathan wird ihn- Ich hab Angst, wie er reagiert. Du weißt, wie er- <<
>> Lillian <<, unterbrach meine Großmutter sie. >> Du wirst das Schicksal nicht ändern können. Du hättest Jonathan von Anfang sagen müssen, woher du abstammst. Ich weiß, dass er eine gute Partie ist, aber du hättest ehrlich sein müssen. << Freundlich lächelte sie mich an und wuschelte durch meine Haare. >> Ich hätte dir auch ohne der Seherin sagen können, dass er der letzte weiße Magier ist. Seit Jahren liegt es in unserer Familie. <<
Tief atmete meine Mutter.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich bei meiner Großmutter. Gerne war ich bei ihr. Hier durfte ich Fernseh schauen, Schokolade essen und herumalbern. Sie spielte immer mit mir. Aber heute war es anders. Zwar lief der Fernseher, aber sie war still und schrieb. Sie kochte Essen, aber keines, welches ich mochte. Trotzdem las sie mir am Abend eine Geschichte vor, aber sie wirkte nervös und nicht bei der Sache. Früh scheuchte sie mich ins Bett. Ich war nicht müde. Deswegen lauschte ich mit einem Becher an der Tür. Es klingelte an der Haustür, die dumpfen Schritte meiner Großmutter polterten über die Dielen.
>> Raphael <<, stieß diese aus. >> Danke, dass du gekommen bist. <<
>> Kein Problem <<, sagte eine Männerstimme. >> Ist der Junge da? Könnte ich mit ihm reden? <<
Etwas Unverständliches murmelte meine Großmutter, aber ich hörte, dass die Tür zufiel. Schritte kamen näher. Prompt rannte ich aufs Bett zu, aber ich war zu langsam. Als meine Großmutter die Tür aufriss, stand ich inmitten des Raums, das Glas in der Hand. Hinter ihr lugte ein blonder junger Mann hervor, der in ein weißes Gewand gehüllt war.
Langsam trat er hinein, als er sich die Erlaubnis meiner Großmutter mit einem Blick eingeholt hatte. Um seine Taille trug er einen Gürtel, in der ein silbernes Schwert klemmte.
Vor mir kniete er sich in die Hocke und lächelte mich freundlich an.
>> Ich bin Raphael, aber nenn mich Elo <<, stellte er sich vor. >> Ich bin ab heute dein Schutzengel. << Von seinem Finger löste er einen Ring, den er mir in meine Hand drückte. Silber, mit blauen Steinen versehen. Exakt den gleichen trug er an der anderen Hand. >> Wenn du Hilfe brauchst oder in Not bist, drück ihn fest an dich und denk an mich. << Er schnipste mit den Fingern. >> In Nullkommanichts bin ich bei dir. <<
Heftig nickte ich und starrte ihn an. Solch einen hübschen Menschen hatte ich noch nie gesehen. Er strahlte Eleganz und Reinheit aus.
Zur Verabschiedung winkte er und verließ mit meiner Großmutter das Gästezimmer.
Ich lag im Bett, starrte gen Decke. An meiner Kette befestigte ich den Ring.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt