Ep 25 - Hong Joong

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Stumm liefen wir nebeneinanderher. An der Tür erhaschte ich nur kurz den Namen des Restaurants. Woo's Ramen Palace.
Abseits in einer Ecke ließen wir uns nieder. Bevor Jay sich der Speisekarte widmete, legte er sein Handy mit der Displayseite auf den Tisch. Die Vibration des Handys spürte ich hinüber bis zu mir. Sofort tauschte er Speisekarte gegen Handy, tippte ein bisschen rum und legte es beiseite. Bestimmt Alec. Vorhin hatte er auf eine Nachricht von ihm gewartet.
Der Kellner trat an unseren Tisch, stellte zwei Gläser und eine Kanne Wasser ab. Zuerst blickte er von mir zu Jay. Einen Moment schwieg er.
>> Wisst ihr schon, was ihr wollt? <<, fragte er auf Englisch.
>> Wir warten noch auf einen Freund <<, erwiderte Jay in Koreanisch.
Leichte Röte zierten die Wangen des Kellners. Er zwang sich zu einem Lächeln und Nicken, verschwand anschließend. Statt mir zu erläutern, auf wen wir warteten, tippte er an seinem Handy herum. Aber die Erklärung folgte prompt. Zwischen den Tischen schob sich ein Trolley und im selben Augenblick erspähte ich Alec. So schön, wie ich ihn Erinnerung hatte.
Er beugte sich zu mir hinunter, strich mir liebevoll über den Rücken und drückte einen Kuss auf meine Schläfe. Dasselbe tat er bei Jay. Nun fühlte ich mich noch schlechter.
Seine Miene verdüsterte sich abrupt, sobald er saß. Eine Weile blätterte er durch die Karte, bis er aufsah.
>> Ich hab ihn nicht gefunden <<, sagte er. >> Ich werde ihn nicht mehr suchen, vermutlich ist er tot. <<
Mir wurde heiß und kalt; meine eigens auferlegte Deadline war eingetreten. Alec hatte die Suche nach seinem Bruder endgültig aufgegeben. Angst kribbelte in meinen Armen, so dass sie taub wurden.
Sachte tätschelte Jay Alecs Schulter.
>> Seid ihr- <<
Egal, was seine Frage war, aber ich freute mich, dass der Kellner Alec unterbrach. Inständig hoffte ich, dass er vergaß, was er fragen wollte, sobald wir bestellt hatten.
Kaum blickte ich dem Kellner in die Augen, als ich meine Bestellung runterratterte. Für heute hatte ich genug von fremden Menschen.
Tatsächlich fragte Alec nicht mehr nach. Vielmehr, da Jay ihn vollschwafelte. Lediglich mit halbem Ohr hörte ich zu. Ich wollte nach Hause und mich unter meine Bettdecke verkriechen. Paar Stunden benötigte ich für mich allein, bevor wir die Mission, Cromer an seinen Ursprungsplatz zu befördern, wieder auf die Tagesordnung setzten. Ein bisschen meiner Heilen-Welt-Bubble wollte ich noch auskosten. Sowieso würde ich es nicht genießen können, da ich wusste, was mir blühte.
Stumm schlürfte ich meine Ramen hinunter und blendete das Gespräch zwischen Alec und Jay so gut es ging aus. Danach exte ich mein Wasser. Im Restaurant guckte ich mich um und hielt nach Zeichen für Toiletten Ausschau, die im hinteren Teil hervorlugten.
Nachdem ich mich kurz entschuldigt hatte, stand ich auf. Geradewegs steuerte ich die Tür mit dem WC-Symbol an, als ich von rechts ein Japsen hörte.
Sechs junge Männer teilten sich einen Tisch, die ich als Elos Freunde identifizierte. Inklusive ihm. Neben ihm jemand, dessen Ähnlichkeit mit Alec unverkennbar war. Quinn? Was wäre das für ein komischer Zufall, dass er in dem Moment auftauchte, als Alec ihn aufgab? Noch seltsamer war, wenn Alecs Look-A-Like tatsächlich Quinn war, dass er beisammen mit Elo war. Elo wurde verbannt und traf in Korea auf Quinn. Vorausgesetzt er war Quinn. Aber die Ähnlichkeit war zu groß, dass ich es nicht ausschließen konnte. Etwas in mir sagte, dass ich sofort zu Alec rennen sollte, aber meine Füßen waren wie angewurzelt. Ihre Blicke nagelten mich fest. Allesamt starrten sie mich an. Besonders schmerzhaft war Elos Anblick, der mich nichts-wissend ansah.
>> Du bist Kim Hong Joong? <<, fragte einer.
Auf dem Tisch entdeckte ich einen Stapel Bücher. Das Cover zierte den Hauptprotagonisten meines Manhwas.
Lediglich nickte ich. Leugnen machte keinen Sinn.
>> Könnte ich ein Auto- << Währenddessen streckte er mir einen Stift und eines der Bücher entgegen. Beides nahm ich an mich. >> Danke <<
>> Für wen? <<, fragte ich.
>> Yun Ho <<
Den Stift setzte ich aufs erste Blatt an und schrieb in Druckbuchstaben "To" und setzte den Namen dahinter. Darunter krakelte ich Joongie.
Aufgeregt musterte mich der junge Mann neben ihn, schien sich aber nicht zu trauen, zu fragen. Stattdessen griff ich mir eines der Bücher und wiederholte meine Frage von vorhin.
>> San <<
Breit lächelte er mich an. Jede meiner Bewegungen musterte er, was mich dazu brachte, „Joongie" mit nur einem O zu schreiben. Ich quetschte es irgendwo dazwischen und schob den Manhwa San zu.
Einen letzten Blick warf ich Elo zu, der mich emotionslos anguckte. Nicht mal ein Lächeln hatte er für mich übrig. Innerlich zerbrach etwas in mir. Ich wusste, warum ich ihn nicht angesprochen hatte. Geschweige von meiner Social Anxiety. Dieser Elo liebte mich nicht. Er wusste nicht, wer ich war.
San stupste sein Handy gegen meinen Unterarm. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich Elo anstarrte und San seit Sekunden mit mir sprach. Hitze stieg mir in die Wangen. Fuck. Das war furchtbar unangenehm. Am liebsten wollte ich mich sofort aus der Situation winden.
>> Wir wissen, er ist attraktiv <<, kicherte San, der meinen Blick wohl verfolgt hatte. Keinerlei Reaktion zeigte ich darauf.
>> Können wir noch ein Bild machen? <<, fragte Yun Ho.
Ich zwang mich zum Nicken. Nicht, dass sie dachten, ich wäre unhöflich. Gleichzeitig standen sie auf und positionierten sich so, dass ich in der Mitte stand. San hielt das Handy hoch und versuchte, den besten Winkel zu erwischen. Mit den Fingern formte ich ein Peace-Zeichen. Lächelte leicht. Dieses verging mir schnell, als ich im Augenwinkel zwei Männer ausmachte. San bemerkte meinen Stimmungswechsel, denn ich sah seinen verwirrten Blick auf dem Handydisplay. Bis in den Hals schlug mein Herz, während ich versuchte, mein Gesichtsausdruck zu korrigieren. Mir gelang es nicht. Der Schock war zu tief. Dass San nicht abdrückte, sondern abwartete, machte mich kirre. Irgendwo musste ich mich verstecken, wenn ich ein Aufeinandertreffen verhindern wollte. Allerdings waren sie fix und schlängelten sich geschwind zwischen den anderen Gäste hindurch. Natürlich entdeckten sie mich. Wie konnte es auch anders kommen. Vor mir standen mein ehemaliger Privatlehrer und der Ekel aus dem Club, den Seth damals fast tot geprügelt hatte. Zu meiner Überraschung entdeckte ich Isaac hinter ihnen hervorlugen. Ihn hatten wir auf Lucifer und Zacharias angesetzt, um Insiderinfos zu erhalten. Hieß das, dass beide mit Lucifer und Zacharias zusammenarbeiten?
Automatisch trat ich einen Schritt zurück und rammte dadurch Yun Ho, der meine Taille umfasste, sodass ich nicht fiel.
>> Wow <<, machte mein ehemaliger Privatlehrer. >> Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich je wieder sehe. << Von oben bis unten wanderten seine Augen. Verschmitzt grinste er und streckte die Hand nach mir aus. >> Du warst damals schon süß, aber jetzt bist du- <<
Abrupt verstummte er, denn Jay packte ihn an seinen Unterarm. Alec stand dicht hinter diesem.
>> Wenn du ihn anfasst, bist du Hackfleisch <<, murmelte Jay.
Unwirsch wandte er sich aus dem Handgriff und trat auf diesen zu, der ihn nur herausfordernd musterte. Die Hemdärmel hatte er hochgewickelt, Venen durchzogen seine kräftigen Unterarme. Mit ihm wollte man es sich nicht verscherzen. Das dachte sich wohl mein ehemaliger Privatlehrer auch, denn plötzlich nahm er Abstand.
>> Wir sehen uns ein zweites Mal <<, raunte er im Vorbeigehen. >> Macht euch gefasst. <<
Das Ekel folgte ihm. Im Gegensatz zu Isaac, welcher wartete, bis beide das Restaurant verließen, bevor er sich zu Jay vorlehnte. Sein Flüstern war zu leise, um etwas zu erahnen. Andauernd nickte Jay. Dann verschwand auch Isaac. Nur kurz nickte er mir zu.
Vor Schwindel ließ ich mich auf der Eckbank nieder. Zwar war es mir unangenehm, in der Nähe von Fremden zu sein, aber meine Beine hätten mich keine Sekunde länger tragen können. Sobald ich saß, war ich in einem monotonen Tunnel gefangen, wodurch ich alles um mich herum ausblendete. Meine Gedanken rasten. Unkontrolliert. Wild pochte mein Herz. So sehr, dass es in meinen Ohren rauschte.
Einen Blick riskierte ich und guckte zu Elo. Ununterbrochen musterte er mich. Ganz genau konnte ich seinen Ausdruck nicht deuten. Außerdem lenkte mich Quinn ab, der seine Hand auf Elos Unterarm legte. Noch was anderes beschäftigte mich mehr als das Chaos um mich herum. An Quinns Daumen funkelte ein Ring. Solch einer, den mir Elo einst geschenkt hatte. Plötzlich verspürte ich den Druck gegen meine Brust stärker als sonst.
Wahrlich hingen meine Augen an Alecs Look-A-Like. Niemals konnte das ein Zufall sein. Er musste Quinn sein.
Ein leichtes Streicheln bemerkte ich auf meiner Schulter. Neben mir stand San. Meine Augen glitten von ihm zu Jay, der an Alecs Arm zerrte. Was-
>> Quinn?! <<, rief dieser.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt