Sofort sprang Jong Ho auf und fiel Quinn um den Hals. Es wirkte, als wollte er verhindern, dass Quinn nochmal abhanden kam.
Meine Freunde musterten mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Erleichterung. Seit gut zwei Wochen waren Quinn und ich verschwunden. KakaoTalk konnte ich nicht mehr aufrufen; wer weiß, wie oft sie versucht hatten, uns zu erreichen.
Eng klammerte sich Woo Young an Sans Arm; er sah aus, als würde er jede Sekunde in Tränen ausbrechen. Genauso Min Gi, der sich hinter Yun Ho versteckte. Auch ihm stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Aber- Wie kamen sie hierher? Waren sie ebenfalls mit dem Portal gereist? Obwohl es auf mich nicht sonderlich den Eindruck machte, dass sie freiwillig hier saßen. Was hatten sie durchgemacht?
Was mich wunderte, war Joongies Verhalten. Schockiert starrte er meine Freunde an. Abgesehen von San und Yun Ho kannte er niemanden.
Ein wenig distanzierte er sich von mir; er machte einen verwirrten Eindruck.
>> Was macht ihr hier? <<, fragte er dann. Komplett aufgelöst. Mich beunruhigte es auch, aber Joongie, so hatte ich das Gefühl, füllte noch andere Gedanken.
Woo Young streckte den Finger aus und zeigte zwischen Joongie und mir. Dieser wandte sich um, was ich ihm gleich tat. Ein breitschultriger Mann, der in einem aufgeknöpftem Leinenhemd, Wildledermantel und Lederhose gehüllt war, trat durch den Türbogen. Um seinen Hals trug er mehrere unterschiedliche lange Goldketten. Seine Gesichtszüge glichen Joongies, nur älter und ein Stück maskuliner.
Hinter ihm bauten sich zwei Männer zur vollen Größe auf, welche in ähnlichen Klamotten gekleidet waren.
>> Onkel Jack, wieso bist du hier- Solltest du nicht- <<
>> So begrüßt du deinen Onkel, den du in 1 1/2 Jahren nicht gesehen hast? <<
Er nahm Joongie in den Arm, bis sie von Guss gestört wurden, der jedem einen Burger auf dem Tisch platzierte. Unterdessen setzte ich mich auf die Eckbank zu Yun Ho.
Neben mir ließ sich Joongie nieder. Je länger ich ihn beobachtete, desto blasser wirkte er. Sein Onkel und die zwei Männer nahmen am Tischende auf Stühlen Platz. Jong Ho zerrte Quinn mit auf die Bank. Neben Zweiten setzte sich Alec. Jay und Seth rutschten zu Joongie.
Still aß jeder seinen Burger. Keiner sagte einen Pieps. Im Gegensatz zu Joongie; ununterbrochen spielte er mit dem Ärmel seines Pullis, seine Finger zitterten und ich hatte das Gefühl, seine Gesichtsfarbe hatte ein unnatürliches Weiß angenommen. Sogar sein Onkel schien zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Bis jetzt konnte ich seine Art noch nicht einschätzen.
>> Alles okay? <<, fragte Jack nach einer Weile.
Joongie blickte nicht auf, sagte nichts. Stattdessen stierte er unter sich zu seinen Fingern. Ich war kurz davor, seine Hand zu nehmen. Mir gefiel nicht, wie er sich verhielt. Es bereitete mir Sorgen.
>> Warum sind sie schon da? <<, fragte Joongie nach einer Weile. Er griff nach der Pepsi Dose, die in seiner Hand erzitterte.
>> Azrael <<, erwiderte Jack.
Bilder überschwemmten meine Gedanken. Ein dunkelhaariger Mann in einem schwarzen Gewand, welcher mit mir auf einer Bank saß. Locker unterhielten wir uns; dennoch blickte er traurig. Er erzählte mir vom Leid der Toten und wie sehr er sich wünschte, ihnen noch mehr zu helfen. Ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. Viel Zeit hatten wir miteinander verbracht.
>> Warum? <<, fragte ich sofort. Jeder sah mich an. >> Was sollte er denn tun? <<
Finster musterte mich Jack. So düster, dass ich zurückschreckte. Jay und Seth sahen mich besorgt an.
>> Elo <<, sagte Jack. Seine Stimme klang weicher, als ich erwartet hatte. >> Es freut mich, dass du noch immer an das Positive glaubst, aber die Zeiten haben sich geändert. Du warst zu lange weg, um zu wissen, dass sich das Machtverhältnis verändert. Gute Leute sind zum Bösen übergegangen. Du- << Er stockte für einen Moment. Ich vernahm wieder den pochenden Kopfschmerz, der sich vor meinem Krankenhausaufenthalt bemerkbar gemacht hatte. Dazu verspürte ich ein beklemmendes Gefühl, das sich über meinen gesamten Brustkorb erstreckte. Im äußeren Augenwinkel bemerkte ich Yun Hos besorgten Blick. >> Du bist der einzige Engel, der noch auf unserer Seite steht. Und, nimm's mir nicht übel, in deinem jetzigen Zustand können wir mit dir nichts anfangen. Du bist zum Menschen geworden. <<
Außer Atem schaute ich ihn an. Irgendwas stimmte nicht und ich konnte nicht einordnen, was es war.
>> Lass mich raus <<, keuchte ich und richtete mich so schnell auf, dass mir schwindlig wurde. Für einen Moment schloss ich die Lider.
Ohne darauf zu warten, dass sie aufstanden, quetschte ich mich an ihnen vorbei. Einer streifte kurz meine Taille. Wie fremdgesteuert rannte ich die Wendeltreppe empor und fand mich in einem kleinen Raum wider. Es war Wohnzimmer, Küche und Bad in einem. Meine Brust schmerzte, es jagte mir Angst ein.
Wild wühlte ich im Schrank umher. Ich wusste nicht, was ich suchte. Nicht einmal registrierte ich tatsächlich, was ich tat. Es fühlte sich an, als würde jemand anderes handeln. Von Sekunde zu Sekunde bekam ich mehr Angst. Ich wünschte mir, dass es aufhörte.
Dann hielt ich eine schwarze Mappe in der Hand. Den Inhalt kannte ich nicht, aber ich wusste, dass ich es Jack geben sollte. Die Treppenstufen stürzte ich hinunter und streckte ihm die Mappe entgegen.
Keinen Finger rührte er, stattdessen guckte er mich an.
>> Sind deine Augen blau? <<, fragte Seth.
Nervös schaute ich zwischen Jack und Seth hin und her. Dann legte ich ihm die Mappe auf den Tisch, wandte mich ab und steuerte den Ausgang an.
Frische Luft. Tief atmete ich gleichmäßig ein und aus, bis sich der Druck auf meiner Brust leicht löste. Aus der Hosentasche fischte ich mein Handy und öffnete die Kamera. Beinahe hätte ich geschrien, die Iris meiner Augen waren blau. Mehr und mehr sah ich aus wie Elo im Webtoon.
Schweratmend steckte ich mein Handy weg und begann, auf und ab zu laufen. Im selben Moment traten Jay und Jack aus dem Pub, liefen geradewegs auf mich zu.
>> Ist das von Azrael? <<, fragte Jack. Ich zuckte die Achseln. >> Aber du hast es mir doch eben- <<
>> Ich weiß es nicht! <<, schrie ich. Paar Fußgänger drehten sich zu uns um und mieden prompt meinen Blick, sobald sich unsere Augen trafen. >> Ich- << Schnaufend hielt ich mir die Brust. Schwindel setzte ein. >> Ich- Ich- Ich erinnere mich nur bruchstückhaft. Ich weiß nicht mal, was ich eben getan hatte. M- M- M- << Von Atemzug zu Atemzug wurde es schlimmer. >> Mal erinnere ich mich l- l- lebhaft an alles und in der nächsten S- S- Sekunde ist alles weg. <<
Nach und nach verdunkelte sich meine Sicht. Mit der Hand suchte ich nach Jays. Unter Mühe zerrte er mich zurück in den Pub und rief Guss etwas zu. Irgendwas mit Wasser verstand ich. In meinen Ohren rauschte es unablässig.
Er drückte mich auf den Platz neben Seth, der mir den Arm um die Taille schloss, als ich gegen ihn rutschte. Es war anstrengend, mich selbst zu halten. Mehrmals blinzelte ich, in der Hoffnung die Schwärze würde verschwinden.
Zurückhaltend nippte ich am Wasser, welches Guss mir in die Hand drückte. Dennoch spürte ich, dass es mir langsam besser ging. Ich wurde schläfrig, die Anspannung hatte mich Kraft gekostet.
>> Ehrlich gesagt <<, fing Jack an, der sich wieder auf den Stuhl am Tischende gesetzt hatte, >> Weiß niemand so recht, was mit einem gefallenen Engel geschieht, der wieder zurückkehrt. Vermutlich wirst du immer in einem Mischzustand bleiben. <<
Ich hörte San aufseufzen. Automatisch guckte ich zu ihm.
>> Das hier ist tatsächlich real? <<, fragte er.
>> Ja <<, erwiderte Joongie. >> Und ich finde es schrecklich, dass ich euch dort hineinziehen muss. Das ist mein Kampf, nicht eurer. Ich will nicht, dass unschuldige Menschen ihr Leben für einen idiotischen Krieg verlieren. <<
Damit richtete er sich auf und nahm die Treppe nach oben.
Stille. Die sowieso schon angespannte Stimmung war nun zum Schneiden scharf. San, Woo Young, Min Gi, Yun Ho und Jong Ho sahen aus, als würden sie in den nächsten Sekunden in Tränen ausbrechen. Zum ersten Mal schien Jack nicht die passenden Worte zu finden.
Ich fühlte mich miserabel. Obwohl ich nicht wusste, warum, schob ich mir die Schuld zu. Quinns und meine Blicke kreuzten sich; ich war mir sicher, dass er sich dasselbe dachte.
>> Was ist mit Azrael? <<, fragte ich schließlich, als das Schweigen unerträglich wurde.
>> Wir hatten gerade in Green Harbour angelegt und unsere Waren ausgeladen <<, began Jack. >> Ich hatte mich umgeschaut und drei Stege weiter standen die fünf dort herum. Mir kam es komisch vor, da sie alle Sommerkleidung trugen. Ich dachte mir, frage ich mal nach; eigentlich nur, weil ich gedacht hatte, dass ich so ein bisschen Geld rausschlagen könnte. Dann hatte ich gesehen, dass sie verletzt waren und gefragt, wie sie hergekommen sind. San meinte, sie hätten sich in einem Bunker wiedergefunden, als sie aufgewacht waren. Min Gi hatte das bei sich. << Jack reichte mir einen Ring. Mehrmals wandte ich diesen zwischen den Fingern. Ein schwarzer Diamant war eingelassen. In der Innschrift las ich Azrael. >> Erinnert es dich an etwas? <<
Blank starrte ich ihn an. Für einen Moment schloss ich die Augen. Jeder Engel hatte seinen persönlichen Ring. Meiner war- Silber mit Lapislazuli. Ich blickte auf den hinab, den ich trug. Joongie musste meinen haben. Jeder, über den ich als Engel wachte, bekam seinen eigenen Ring.
>> Aber- << Den Ring legte ich vor Jack ab. >> Nur, weil Min Gi den Ring bei sich hatte, heißt es nicht, dass Azrael zu Zacharias übergegangen- <<
>> Warum verteidigst du ihn- <<
Ich beugte mich zu ihm vor.
>> Weil Azrael Menschen hilft, er begleitet sie in ihren schlimmsten Zeiten. So jemand, der tagtäglich das Leid anderer sieht, möchte nicht, dass Leute leiden. Denkst du, es ist einfach für ihn? Er hat sich das nicht selbst ausgesucht, seine Seele wurde dazu berufen. << Jack starrte mich unverwandt an. >> Ich denke eher, dass es ein Hinweis auf etwas sein soll. <<
Ein Lächeln umspielte Jacks Lippen.
>> Seit wann haben Engel Gefühle? <<
>> Haben sie <<, erwiderte ich. Ich dachte an Jonah, wie sehr ich ihn liebte. >> Nur unsere Persönlichen dürfen wir nicht zeigen. <<
Und mit einem Mal, bevor ich mich versah, kehrten meine Erinnerungen zurück. Das realisierte auch Jack, ich sah es in seinem Gesicht.
Dennoch spürte ich, dass ich nicht der alte Elo war. Nach wie vor war ich ein Mensch, denn ich verspürte Hunger.
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The Pirate's Prince
FanfictionDer 24-Jährige Park Seong Hwa lebt sein gewöhnliches Studentenleben, bis er auf einer abendlichen Lesung den bekannten Manhwa-Zeichner Kim Hong Joong kennenlernt. Sofort verspürt Seong Hwa eine magische Anziehungskraft zu ihm, als kennen sich beide...