Ep 38 - Seong Hwa

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Als ich aufwachte, war Jonahs Seite leer. Sein Kissen erkaltet. Wieso fühlte ich mich, als hätten wir einen One Night Stand gehabt und er hätte sich aus dem Staub gemacht?
Übers Gesicht fuhr ich mir, durch die Haare. Innerlich stellte ich meine To-Do Liste zusammen. Meine Schicht im Krankenhaus würde wieder anfangen, mit Isaacs Vater musste ich sprechen. Unbedingt wollte ich erfahren, wie meine Freunde nach Gamma gelangt waren. Azraels schwarze Mappe, die ihm Isaac gegeben hatte.
Ich wälzte mich auf die linke Seite und hievte mich hoch. 09:47, verriet mir die Uhr auf dem Nachttisch. Auf dem Weg zum Bad begegnete ich glücklicherweise niemanden. Kurz erfrischte ich mein Gesicht mit kühlem Wasser, erhaschte mein Anblick im Spiegel. Meine Haut wirkte fahl, dunkle Schatten umringten meine Augen. Ich sah aus, als hätte ich nächtelang durchgefeiert.
Schnell wandte ich den Blick ab und folgte dem frischen Geruch nach Frühstück in die Küche. Ganz lovey-dovey kuschelten San und Woo Young am Herd. Dass Zweiter nebenbei Pancakes brutzelte schien nebensächlich.
Am Barhocker neben Yun Ho ließ ich mich nieder, beobachtete beide. Ständig strich San ihm eine Strähne hinters Ohr. Schielte hinunter zu seinen Lippen. Von drei auf null zählte ich hinunter, bis San ihn küsste. Zum Glück war es nur ein kleiner Kuss auf die Wange. Dennoch seine Hände um Woo Youngs Taille erzählten seine Absicht.
Kopfschüttelnd riss ich mich von deren Anblick los und schenkte mir stattdessen Wasser ein. Zum selben Zeitpunkt ließ sich Min Gi zu meiner Linken sinken. Nahm mir die Glaskaraffe ab.
>> Geht's dir besser? <<, fragte dieser.
Ich nickte. Eigentlich nicht, aber ich wollte niemandem Sorgen bereiten. Ich fühlte mich erschöpft und ausgelaugt.
Am Bein vernahm ich die Vibration meines Handys. Flink zerrte ich dieses hervor, aktivierte das Display. Sunny hatte mir einen Screenshot vom Dienstpan für die nächsten vier Wochen geschickt. Durchweg hatte ich Nachtschicht. Das würde anstrengend werden.
Bevor ich Danke tippte, schaltete sich der Bildschirm zu einem Anruf um. Zwar war mir die Nummer unbekannt, aber die Vorwahl verriet sie.
>> Hallo? <<, meldete ich mich. Eine Portion Selbstsicherheit legte ich hinein, um nicht gar zu unsicher zu klingen. Kläglich scheiterte ich daran.
>> Sind Sie Raphael? <<, fragte der Anrufer. Partout erkannte ich seine Stimme. Isaacs Vater. >> Ich hab die Mobilnummer von meinem Bruder. <<
Vom Barhocker rutschte ich hinunter, entfernte mich ein Stück.
>> Ja, das bin ich <<, erwiderte ich. Stille. Mir war übel. >> Ich- Wenn Sie über- Ich bin ab Mittag im Land. Dann können wir uns gerne treffen. <<
Eine Weile herrschte unerträgliche Stille, bis er mit einem murmelnden Ja zustimmte. Noch vor mir legte er auf. Fahrig stopfte ich mein Handy zurück in die Hosentasche. Zuerst verfehlte ich diese. Immerhin fiel es nicht zu Boden.
Aus großen Augen guckte San mich an, als ich wieder auf dem Hocker Platz nahm.
>> Du- Du verlässt uns? <<
Wie oft ich solche Gespräche geführt hatte. Nie würde ich lernen, keine emotionale Bindung zu meinen Schützlingen aufzubauen.
>> Ich muss <<, erwiderte ich. Nach Sans Hand schnappte ich, da sein Blick etwas Tieftrauriges annahm. Streichelte mit dem Daumen seinen Handrücken. >> Aber ich versuche, euch so oft wie möglich zu besuchen. <<
Zwar nickte San, aber seine Hand entzog er meiner. In meinem Brustkorb wuchs ein Ball heran. Gefüllt mit Schuld. Je länger ich seine Miene musterte, desto schlimmer wurde es. Irgendwann musste ich mich dazu zwingen, ihn nicht mehr anzusehen. Stattdessen stierte ich auf meine Pancakes, die in einem riesigen Klecks Ahornsirup aufweichten.
Beim Essen hörte man lediglich Kaugeräusche. Stetig wurde es lauter in meinen Ohren, dass ich bereits überlegte, mich wegzusetzen. Doch eine Mission hatte ich noch.
Ich räusperte mich. Jeder sah auf, vermutlich dankbar, dass jemand etwas zur nicht existenten Konversation beigetragen wollte.
>> Azrael meinte, er hätte euch im Schleuserbunker gefunden <<, begann ich, >> Wie seid ihr- Ich meine, ihr wisst nicht, wo die Portale- Seid ihr entführt worden? <<
Gleichzeitig guckten sie sich der Reihe nach an, bis sie bei Woo Young verharrten. Dieser zerteilte seinen Pancake mehrfach. Aß zwei Stücke davon. Doch er schaute noch immer nicht auf. Irgendwann bohrte San ihm den Ellbogen in die Rippen.
>> Okaaay <<, machte Woo Young, vor seinem Oberkörper pochte er beide Zeigefinger aneinander. >> Möglicherweise ist es meine Schuld. <<
Verwirrt musterte ich ihn.
>> Wie? << Ich sah meine Freunde an, suchte nach Erklärungen in ihren Gesichtern. Fand nichts. >> Wie ist es deine Schuld? <<
Sichtlich unangenehm schien ihm die Thematik zu sein, denn er sah unter sich. Pulte an der abstehenden Haut seines Daumens. Erst, als San seine Hände nahm, richtete Woo Young die Augen auf mich. Nervös zuckten diese von links nach rechts. Seltsame Vibes empfing ich.
>> Ich war, wie immer, im Restaurant <<, fing er an, >> Hatte Gemüse geschnippelt, alles Mögliche vorbereitet << San umfasste seine Taille, streichelte Woo Youngs Seite. >> Dann hatte ich ein seltsames Klopfen an der Hintertür gehört. Ich dachte zuerst, es wäre der Lieferant. Ich hatte die Tür geöffnet und vor mir schwebte ein blauer Schmetterling. << Mir fiel sofort meine Vision ein, als mir Quinn eine Nachricht durch einen Schmetterling zugestellt hatte. Innerlich seufzte ich. >> Ich hatte ihn ignoriert, aber es wurden Tag für Tag mehr. Wie in Harry Potter, als immer mehr Briefe ins Haus stürmten. So war es mit den Schmetterlingen auch. Zig solcher flatterten vor der Tür, bis ich einen gepackt hatte. Er hatte sich aufgelöst und zurück blieb ein Zettel. <<
Aus der Hosentasche kramte er ein gerolltes Papierchen, welches er vor meinem Teller platzierte. Erst auf sein zustimmendes Nicken hin griff ich nach diesem.
Findet euch in der Mall ein. Zieht schwarze Sachen an, sodass ich euch finde. -Q
Von der Nachricht blickte ich auf, musterte jeden einzelnen. Mehrmals wandte ich das Papier.
>> Und ihr- <<
>> Ich war dagegen <<, vernahm ich Yun Ho neben mir.
>> Deswegen ist es meine Schuld <<, erwiderte Woo Young. Knetete seine Finger, die er San entrissen hatte. >> Ich hatte sie überredet. Außerdem- << Zum ersten Mal schaute er mich an. >> Das ist Yeo Sangies Handschrift. Seit Langem hatten wir einen Hinweis, da die Polizei eh nichts unternommen hatte. <<
Er fühlte sich schlecht, das las ich in seinen Augen. Ich nickte. Rollte das Papierchen zusammen, schob es ihm zwischen die Finger.
>> Und dann? <<
Ständig fielen San, Woo Young und Yun Ho sich ins Wort, während sie erklärten, dass ein blonder junger Mann - ich tippte auf Isaac - sie mitgenommen hatte. In einem Transporter. Wie sie überfallen wurden. Woo Young schwärmte, dass San ihn vor einem Typen beschützt hatte. Rosarot verfärbten sich seine Wangen, als hätte er Blush aufgetragen.
>> Und dann <<, sagte Min Gi, was jeden zum Verstummen brachte. An sein Glas klammerte sich dieser, dass seine Knöchel weiß hervortraten. >> Hatten sie uns zusammengeschlagen. Uns irgendwas eingeflößt, weil ich konnte mich nicht mehr bewegen. Dann sind wir erst wieder zu uns gekommen, als Az- <<
>> Azrael <<, verhalf ich ihm auf seinen verwirrten Blick hin.
>> Genau <<, machte dieser, >> Er hatte uns geweckt und zum Hafen gebracht. Dort standen wir Stunden herum, bis Jack uns gefunden hatte. <<
Nun hatte ich meinen Beweis. Quinn und Isaac verfolgten einen gemeinsamen Plan. Wenn sie doch zusammengearbeitet hatten, wieso hegte er eine solche Angst gegenüber ihm?

All meine Sachen packte ich zusammen, wobei mich San und Jonah beobachteten. Erster sah aus, als würde er gleich weinen. Im Gegensatz zu Jonah. Nervös nestelte dieser an einer Papiertüte.
Als ich meinen Rucksack sattelte, stand er auf. Mehrmals strich er seine Haare nach hinten, ehe er die Arme für eine Umarmung ausbreitete. Ich küsste seine Wange, während er fest die Arme um meine Taille schloss.
>> Musst du gehen? <<, sagte San.
Sofort umarmte er mich, als Jonah von mir ließ. An seinem Gesichtsausdruck ahnte ich bereits, dass es ihm missfiel.
>> Reicht <<, sagte dieser und zerrte San von mir. Beleidigt verzog dieser die Lippen, verschränkte die Arme vor der Brust.
Bis vor die Haustür begleiteten mich beide. Dann drückte mir Jonah die Papiertüte in die Hand. Rosa Färbung durchzogen seine Wangen.
>> Nicht <<, machte er, als ich am Klebeband pulte, >> Nicht hier öffnen. <<
Nun leuchteten sogar seine Ohren rot. Ich stopfte die Tüte in den Rucksack, nahm noch Jonahs Hand. Lange musterte ich ihn, bis ich mich von ihm abwandte.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt