Ep 34 - Seong Hwa

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Statt etwas zu erwidern, schluckte ich. Schuldgefühle brannten in meinem Magen. Mir war übel.
Dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. In eine innige Umarmung zerrte mich Seth. Stützte den Kopf an meinem.
>> Danke <<, flüsterte dieser. An meinem Ohr hörte ich ihn nach Luft ringen. >> Wir dachten, Lucifer hätte sie zerstört, nachdem sie uns angegriffen hatten. <<
Ich tätschelte seinen Rücken, um ihm zu signalisieren, mich loszulassen. Beide wirkten erleichtert. War ich auch. Eigentlich hatte ich erwartet, sie würden mir eine Predigt halten, warum ich mich nicht früher gerührt hatte. Allerdings hätte dies nicht funktioniert, weil wir uns danach nie wieder gesehen hatten.
Automatisch fiel mein Blick auf Quinn. Sehr schlecht konnte ich seinen Gesichtsausdruck deuten. Panik?
Mithilfe von Alec und Seth räumte ich den Wagen aus, lüfteten ihn. Erst eine halbe Stunde später war es annähernd erträglich, sich hineinzusetzen.
Auf der Fahrerseite stieg ich ein, platzierte mein Handy in der Halterung überm Display. Dass sich beide Geräte verbunden hatten, blinkte paar Sekunden später eine Mitteilung auf.
Leichte Übelkeit nistete sich in meiner Magengegend ein. Dass wir in die Menschenwelt zurückkehrten, war nicht das Problem. Vielmehr das Wie. Meinen Freunden wollte ich das eigentlich ersparen.
Rückwärts parkte ich aus und steuerte den Ausgang an. Am Schalter drückte ich herum, bis er nach meiner ID verlangte. Presste diese gegen die Schaltfläche. Sobald die Schranken nach oben schnellten, fuhr ich an.
Die Straßen waren fast leer. Paar Autos, vereinzelte Fußgänger. Ich klickte mich durch die Radiosender, bis ich einen Nachrichtenkanal fand. Wenn es Neuigkeiten zu Lucifer gab, musste ich das wissen.
Durch den Rückspiegel schielte ich ins Innere des Autos. Kaum hatten wir die weiten Landstraßen erreicht, schliefen meine Freunde ein. Abgesehen von Seth und Alec, die beide mit mir im vorderen Teil des Autos saßen.
>> Willst du die Fähre benutzen? <<, flüsterte Zweiter.
Ich nickte.
Mit einem Seufzen kommentierte Seth meine Wahl.
>> Das ist saugefährlich. Insbesondere für uns. Da wimmelt es nur so von Dämonen und anderen zwielichtigen Gestalten. <<
Erneut nickte ich.
>> Also draufgehen, will ich auch nicht <<, pflichtete Alec ihm bei.
Ums Lenkrad versteiften sich meine Finger.
>> Meine Befürchtung <<, fing ich an. >> Dass sie, egal welche Möglichkeit wir benutzen, uns auflauern. Hat man bei Alec und Quinn gesehen. Und ich denke - und ja mir ist auch nicht wohl dabei - auf einer Fähre fallen wir weniger auf, als würden wir eines der Portale verwenden. <<
Schweigen, gefolgt von zustimmendem Gemurmel.
Vom eintönigen Geradeausfahren, verfiel ich in Gedanken. Nun hatten wir die Karte. Fehlten noch Cromer und das Schiff. Zweites wäre ersetzbar. Bildlich rief ich die Sanduhr vors Auge. Jahrelang hatte diese in Jonahs Zimmer gestanden. Niemanden hatte sie interessiert. Woher er die Sanduhr damals hatte, hatte ich nie hinterfragt. Im Nachhinein ein wenig leichtsinnig? Aber ich wollte ihn zur der Zeit die Sache allein regeln lassen. Er sollte Verantwortung für seine Taten lernen. Noch immer kam er mir wie der kleine Junge vor, der mich aus großen Augen angestarrt hatte. Unschlüssig, was er tun sollte. Zweifelnd an seinem eigenen Können. Und vor allem, überfordert mit der Situation seines Schicksals.
Ich blinkte. Fuhr ein wenig später von der Autobahn ab. Von der Ferne begrüßte uns bereits Sandstrand und Meer. Noch gut zwanzig Minuten, bis wir den Hafen erreichten, an dem die Fähre wartete.
In den Sitz lehnte ich mich zurück, sobald ich in den dichten Verkehr einscherte. Hielt das Lenkrad am unteren Drittel. Das ständige Anfahren und Bremsen strengte an. Einziger Vorteil, davon wurde der Großteil meiner Freunde wach. Abgesehen von Quinn, der sich an Sans Arm klammerte. Im Rückspiegel beobachtete ich ihn. Was verheimlichte er? Wie viel hatte er durchlebt? Viel wichtiger; was war es, dass er mir nicht anvertrauen konnte? Was befürchtete er?
Zu San und Woo Young huschten meine Augen. Wie waren sie in den Schleuserbunker gelangt? Zwar wusste ich, dass Azrael sie dort aufgegabelt hatte, aber, wie waren sie überhaupt dort hingekommen?
Hatten sie nach Quinn und mir gesucht? Normalerweise würde man die Polizei verständigen und eine Vermisstenmeldung aufgeben. Oder hatten sie auf eigener Faust nach uns gesucht? Aber sie waren verletzt gewesen. Hatten Lucifers Leute sie entführt? Was wollten die mit ein paar Sterblichen? Informationen aus ihnen pressen? Für was? Sicherlich hätten sie ihnen nichts Nützliches liefern können. Isaac wäre interessanter. Doch nicht Studenten, deren größte Sorge ekliges Mensaessen war.
Isaac, hallte es in meinem Kopf nach. Mir wurde heiß und kalt. Am Kragen meines Pullis nestelte ich. Mit einem Mal fühlte sich meine Kleidung unheimlich einengend an. Was hatten Quinn und er miteinander zu schaffen?
Nach der Ampel entzerrte sich der Verkehr und ich schlug den Weg zum Hafen ein. Zwischen mehreren Schiffen ragten die Türme der Fähre empor. Riesiges Teil. Genug Platz für ein Haufen Monster. Meine Angst konnte ich vor mir selbst nicht mehr verbergen. Hoffentlich würde mich niemand erkennen. Kurz streifte ich mein eigenes Abbild im Rückspiegel. Die blonden Haare waren unverkennbar.
Am Pier hielt ich. Um fünf Minuten verzögerte sich der Einlass, las ein Schild, welches zu einem umliegenden Pub gehörte. Mir war schlecht. Sekündlich wuchs ein riesiger Ball in meiner Brust heran, der meine Lungen zerquetschte. Luft. Ein Stück ließ ich das Fenster hinunter, eisige Kälte strömte hinein. Kalt genug, um mir klaren Verstand einzuhauchen. Mehrmals blinzelte ich.
>> Wir bleiben alle zusammen <<, sagte ich. Genau nahm ich Woo Young und San ins Visier. >> Niemand entfernt sich von der Gruppe. <<
Dem Fährmann drückte ich paar Scheine in die Hand. Haarklein zählte er diese, prüfend eine Augenbraue gehoben. Schließlich händigte er mir eine goldene Plakette aus. Beim Anfahren bemerkte ich im Seitenspiegel seinen kritischen Blick. Automatisch trieb es mir Schweiß auf die Stirn. Noch paar seltsame Blicke mehr und ich wurde paranoid.
Pfeilen folgte ich, parkte weit abseits. Meine Gedanken kreisten. Spielten verrückt. War es nicht auffälliger, wenn ich versuchte, jedem auszuweichen? Egal.
Aus dem Handschuhfach kramte ich eine schwarze Cap und versteckte, so gut es ging, all meine Haare darunter. Wenigstens eine minimale Tarnung. So hatte ich zumindest das Gefühl, man würde mich weniger erkennen. Konnte ich nur hoffen, dass es tatsächlich niemand tat.
Zeitgleich mit Seth und Alec verließ ich den Transporter. Steuerte den Kofferraum an, um meinen Rucksack zu holen. Mich interessierte brennend, was sich auf dem Laptop befand. Notizen und Excel-Listen, so viel gab mein Gedächtnis preis. Schließlich hatte ich alles zu meinen Schützlingen notiert. Alecs Forschungen zu Quinn. Bei seiner Suche hatte ich ihn tatkräftig unterstützt.
Zwischen mehreren Autos schlängelten wir uns hindurch, bis wir die Tür erreichten, die ins Innere führte. Kein Bisschen hatte sich die Fähre verändert. Diese sah noch genauso schaurig aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Das Radio, welches einen schrecklichen Klang abgab, als wäre dies der Soundtrack eines Horrorfilms. Verwahrloste Tischgarnituren. Ein Kiosk, dessen Lebensmittel weit hinterm Ablaufdatum lagen. Und jede Menge magische Wesen, die als der Abschaum dieser Welt galten. Aus meinem Blickwinkel. Für Lucifer waren diese Leute seine Rekruten für den kommenden Krieg.
Über meinen gesamten Körper legte sich eine Gänsehaut. Jegliche böse Aura nahm ich wahr. Jede gemeine Absicht spürte ich als wäre sie meine Eigene. Automatisch ließ ich den Kopf sinken. Mir war übel. Hoffentlich überstand ich die Reise.
Weit abseits des Getümmels ließen wir uns an einem Tisch nieder. Vergammelte Sandwiches verteilten sich auf der Platte, dazwischen ausgedrückte Zigarettenstummel. Mein Magen drehte sich augenblicklich um. Zwar war ich als Engel nicht auf Nahrung angewiesen, doch verlor ich den Appetit.
Am Handy spielte ich. Versuchte, alte Chats zu öffnen. Jedes Mittel war mir Recht, um mich von allen bösen Gedanken abzuschirmen. Vor Übelkeit krümmte ich mich, zerrte meine Beine an mich. Ständig strich ich mir über die Arme, um die Gänsehaut abzuschütteln, aber nichts half. An den Knien stützte ich meinen Kopf, schloss die Augen. Tief atmete ich ein und aus.
>> Elo? <<, riss mich Alec aus meiner Konzentration. >> Geht's dir gut? <<
Ich schwieg, rührte mich nicht. Bis ich spürte, dass mir die Übelkeit die Speiseröhre hochkroch. Aus Reflex presste ich meine Hand gegen den Mund und quetschte mich an Seth, Alec und Min Gi vorbei. Keine Ahnung, wo sich hier Toiletten befanden. Mit den Augen suchte alle Wände nach Symbolen ab. Beinahe wollte ich aufgeben, bis ich ein Männchen fand. Ehe ich nachdachte, rannte ich los. Hinter mir hörte ich Schritte, weshalb ich meine eigenen beschleunigte.
Zum Glück war keine Kabine besetzt. Ich verschwand in die Hinterste und übergab mich. Gerade rechtzeitig. Ich wusste nicht, wie lange ich vor der Schüssel kniete. Zitternd hielt ich meinen Oberkörper, mehrmals schüttelte es mich, bis mir jemand eine Hand auf die Schulter legte. Diese streichelte. Wärme und Fürsorge durchstrahlten meinen Körper. Mit Sicherheit kein Dämon.
Aus dem Augenwinkel erkannte ich San, der sich neben mich kniete. Mir die Cap abnahm. Behutsam mit einem Taschentuch über meine Lippen strich. Eigentlich sollte ich derjenige sein, der sich um ihn kümmerte. Nicht umgekehrt.
Ein schmales Lächeln umspielten seine Lippen.
>> Besser? <<
Ich zuckte die Achseln.
>> Brauchst du frische Luft? <<
Abermals zuckte ich die Achseln. Statt einer weiteren Frage packte er mich an der Taille und zerrte mich auf die Füße. Von der Seite musterte ich ihn. Ich konnte mir vorstellen, was Woo Young an ihm mochte. Seine ruhige, sensible Art.
Noch immer wacklig auf den Beinen hakte ich mich bei San unter. Zusammen schritten wir Richtung Deck. Vorne am Bug platzierten wir uns, blickten hinaus aufs weite Meer. Am Horizont lagen Berge. Sterne schimmerten am Himmel.
Gegen Sans Brust lehnte ich mich, was ihn dazu brachte, mich zu umarmen. Zwar sank die Übelkeit, aber nun erreichte mich etwas anderes. Panik. Das letzte Mal, als ich auf einem Schiff gewesen war, hatte ich Jonah sterben gesehen. Jegliche schlimmen Emotionen übermannten mich. So sehr, dass mir schwindlig wurde. An Sans Rücken krallte ich mich fest, da ich das Gefühl hatte, das Gleichgewicht zu verlieren. Meine Lider wurden schwer, üble Visionen prasselten auf mich ein.
>> Hyung? <<, hörte ich San fernab, >> Hyung? <<

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt