Ep 45 - Yeo Sang

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18 Jahre zuvor.
Vom Gang wehten schwere Schritte hinüber. Sofort versteckte ich mich unterhalb der Decke, als sich die Türklinke nach unten drückte. Viel würde es nicht bringen, da er mir eh die Decke vom Kopf riss. Durch den gesamten Körper pulsierte mein Herzschlag. Versuchte, flach zu atmen.
Erneut ertönten Schritte. Diesmal viel lauter. Mit Sicherheit befand er sich im Raum. Ans Bettlacken klammerte ich mich und bereitete mich darauf vor, ihm wieder gegenübertreten zu müssen.
>> Quinn <<, vernahm ich Zacharias' Stimme. >> Warum verkriechst du dich unter der Decke? Du kannst nicht abhauen; wir wissen, dass du hier bist. <<
Dennoch rührte ich mich keinen Millimeter. Sobald sich die Decke hob und ich seine behandschuhten Finger im Nacken verspürte, kreischte ich auf. Jede Faser in meinem Körper schmerzte. Mithilfe meines Tanktops zerrte er mich in eine gerade Position, dass ich wieder saß.
Sein Gefolgsmann rückte zwei Stühle vorm Bett zurecht, woraufhin beide zeitgleich Platz nahmen.
>> Quinn <<, setzte er an. Ich hasste es, wie er meinen Namen aussprach. >> Wo ist Cromer? <<
Ich zuckte die Achseln. Nicht annähernd wusste ich, wovon er seit zwei Jahren sprach.
Block und Stift entnahm er seiner Mantelinnentasche. Zeichnete. Dann streckte er mir den Block entgegen.
>> Diese Sanduhr, erkennst du sie? <<, fragte er. >> Wo hat deine Mutter sie versteckt? <<
Erneut zuckte ich die Achseln, obwohl ich nun zwei Punkte miteinander verbinden konnte. Öfter hatte ich Mum dabei beobachtet, wie sie die Sanduhr hinter einer Vitrine poliert hatte.
Auch Zacharias schien meinen Gedankenprozess nicht zu entgehen, denn auf seinem Gesicht blitzte ein bösartiges Lächeln auf.
>> Weißt du plötzlich, wovon ich spreche? <<
Langsam schüttelte ich den Kopf.
>> Schade <<, machte Zacharias. Zog eine beleidigte Schnute. Seinen Partner stupste er an. >> Hilf ihm, sich zu erinnern. <<
Am Handgelenk schleifte mich der Mann aus dem Bett und Zimmer. Zwei Türen weiter schubste er mich in ein anderen Raum, in welchem lediglich ein Stuhl stand. Auf diesem sammelten sich mehrere Seile.
Einen kräftigen Stoß in den Rücken verpasste mir der Mann, so dass ich paar Schritte nach vorne stolperte.
>> Setz dich <<
Unter Tränen gehorchte ich und johlte auf, als er meine Arme nach hinten riss, um sie mit dem Seil fest zu surren. Hinter mir ertönte Geklimper. Klang, als würde Metall aufeinander prassen. Zur Hälfte umrundete er den Stuhl, erstreckte sich in voller Größe vor mir. In der Hand trug er ein Schwert, welches er auf mich richtete. Bohrte dieses tief in die Haut meines Armes. Laut schrie ich um Hilfe, bis mir einfiel, dass sie mir Elos Ring abgenommen hatten.
Kichernd tauchte Zacharias im Türrahmen auf.
>> Dein Schutzengel wird dir nicht helfen, Quinnie << Neben mich kniete er sich in die Hocke. >> Und, kommen Erinnerungen hoch? <<
Bis in den Hals schlug mir mein Herz. Mein Körper brannte vor Schmerzen, dass ich nicht mal ein Wort sagen konnte.
>> Nein? << Spielerisch schüttelte Zacharias den Kopf. >> Ein Jammer <<
Mit einer Fingerbewegung deutete dieser, dass der Mann fortfahren sollte. Ein weiteres Mal hinterließ er einen Striemen auf meinem Oberarm. Blut quoll an jeglichen Stellen hervor, floss meinen Arm hinunter.
Mittlerweile schwirrte mir der Kopf. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Mir war es kaum möglich, geradeaus zu sehen. Irgendwann ließ ich den Kopf hängen.
>> Sir? <<, vernahm ich die Stimme des Mannes, >> Ich glaube, er ist bewusstlos. <<
>> Egal <<, erwiderte Zacharias, >> Folter ihn weiter, wenn er wach wird. Er weiß, wo Cromer ist. <<

Gegenwart.
Als ich aus dem Schlaf schreckte, umklammerten mich zwei Arme. Jong Ho. Ich erkannte ihn an seinem Geruch.
Träge schwammen meine Augen von links nach rechts, merkte dabei, dass das Licht brannte und Elo am Bettende saß und mich besorgt musterte.
An Jong Hos Bauch drückte ich mich hoch, der sich zur selben Zeit aufrichtete und mich keine Sekunde losließ. Auf dem Boden hockten San und Woo Young, hinter ihnen standen Yun Ho und Min Gi. Im Türrahmen lehnten Alec und Jonah.
>> Hast du schlecht geträumt? <<, fragte Elo.
Lediglich nickte ich. Mich interessierte etwas anderes. Beide Ärmel meines Pyjamas krempelte ich hoch, bis sie meine Oberarme entblößten. Beide waren mit hellen Narben versehen. In meiner Brust wummerte mein Herz.
>> Quinn? <<, hörte ich Elo weit fernab der Realität.
Also war mein Traum real. Für eine Sekunde schloss ich die Lider, knickte mit dem Handgelenk um.
>> Quinnie! <<
Gerade rechtzeitig fingen mich Jong Hos starken Arme auf. Mir war schwindlig. In meinem Magen türmte sich ein Ball an Übelkeit auf, der sekündlich Richtung Speiseröhre wanderte.
Vorsichtig krabbelte ich durchs Bett, bis ich das Ende erreichte und ausrutschte. Noch gerade so fing mich Elo an der Schulter ab.
>> Schlecht <<, presste ich hervor, >> Mir ist schlecht. <<
Woo Young war der Einzige, der mein Gebrabbel verstand und mir eine Plastiktüte hinhielt. Es war so entwürdigend, aber ich übergab mich vor allen. Dann plumpste ich vom Bett. Dank San landete ich einigermaßen weich.
>> Willst du meinen Hoodie? <<, fragte Jong Ho.
An meiner Brust tastete ich entlang, bis mir auffiel, dass mein Schlafhemd vor Schweiß triefte.
Schwerfällig nickte ich und versuchte, mir dieses auszuziehen, aber meine Arme gehorchten mir kaum. San musste mir helfen.
>> Quinn <<, hörte ich Elo geschockt hinter mir aufatmen. Mit den Fingern fuhr er über mein Schulterblatt. >> Wo hast du all die Narben- <<
Bevor er aussprach, sackte ich zur Seite weg. Gerade so fing ich mich auf. Mir war so schwindlig, dass ich kaum mehr Woo Young vor mir erkannte. Bilder schwemmten mein Gedächtnis.
Erneut heulte ich auf, als ich das scharfe Schwert in meinem Rücken spürte. Vor Schmerzen schrie ich, dass ich nicht wusste, wo sich Cromer befand, aber Zacharias ignorierte mein Gejammer.
>> Lügner <<, erwiderte dieser. >> Wo versteckt deine Mum ihn? <<
Dann ließ ich alles über mich ergehen.
An den Schultern spürte ich ein Ziehen; Elo versuchte, mich in eine gerade Position zu rücken.
>> Wo hast du die her? <<, fragte dieser.
Kurz war ich davor, mit den Schultern zu zucken. Allerdings fühlte ich mich zu schwach, um zu lügen. Alle Versteckspielchen war ich satt. Bald kam ich nicht mehr drumherum, ihnen die Wahrheit vorzuenthalten.
>> Zacharias <<, presste ich hervor.
Ich war mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt verstanden. In meinem Ohr hörte ich nur noch unverständliches Gebrabbel. Ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen nicht.
>> Wir sollten ihn schlafen lassen <<, sagte Alec, >> Ich glaube, er ist nicht klar im Kopf. Er kann kaum sprechen. <<
Damit hatte ich meine Bestätigung. Ich wollte aufstehen, aber mich riss es sofort wieder auf die Knie. Vor Schmerz jaulte ich auf. Erneut verschmolzen Erinnerung und Realität miteinander.
Einer von Zacharias' Leuten schmiss mich auf einer der Hauptstraßen Seouls. Ich war knapp dreizehn Jahre alt.
>> So eine Zeitverschwendung <<, schimpfte Zacharias, >> Ich kann nicht glauben, dass mein kleiner Bruder der letzte weiße Magier sein soll. << Dann fiel sein Blick auf mich. >> Besorg uns Cromer. Egal, wie du es anstellst. Wenn nicht, bring ich jeden aus deiner Familie um. << Vor mir kniete er sich in die Hocke, tätschelte meine Wange. >> Hast du mich verstanden, kleiner Hexenmeister? <<
Ich nickte.
>> Braver Junge <<
Damit richtete er sich auf und verschwand.
Den Plastikbeutel zog ich unter mich und übergab mich ein zweites Mal. In meinem Kopf schwirrte es. Kaum konnte ich einen klaren Gedanken fassen. Zwar wusste ich, was in meiner Vergangenheit geschehen war, allerdings schleppte ich jegliche Geheimnisse seit Jahren allein mit mir herum. Langsam ertrug mein Körper keine Lügen mehr. Sie fraßen mich innerlich auf. Wie jetzt.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt