Ep 44 - Yeo Sang

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Stumm folgten wir der Beschilderung zum Strand. Watschelten durch den regennassen Sand, bis wir schließlich den Steg erreichten. Am Ende dieses ließen wir uns nieder.
Unentwegt nestelte ich am Deckel des Pappbechers, blickte gen Himmel. Obwohl es den halben Tag bewölkt gewesen war und geregnet hatte, erstrahlte nun dieser unter Sternen.
Aus dem Augenwinkel musterte ich Jong Ho, der es mir gleichtat. Gedankenverloren schaute er hoch. Ab und zu seufzte er, als wollte er etwas loswerden. Sagte dennoch nichts.
Für eine Weile lauschte ich dem Meeresrauschen. Beobachtete die Schiffe, welche am Hafen anlegten oder sich bereit zum Hinausfahren machten. Alles überwacht vom Leuchtturm, dessen Licht Muster aufs Meer warf.
>> Es ist schön hier. <<
>> Ja <<, bestätigte ich, >> Einer meiner Lieblingsplätze. <<
Erneut brach Schweigen über uns hinein. Nicht die Sorte von unangenehmer Stille, trotzdem spürte ich, dass Unausgesprochenes zwischen uns hing.
Nervös spielte Jong Ho mit seinen Fingern. Wandte sich irgendwann mit dem Oberkörper mir zu. Am Holzpfeiler stützte er sich.
>> Hyung- Quinn- << Seine Finger knetete er, dass ich Angst hatte, er könnte sich diese brechen. >> Mir ist egal, was dieser Typ über dich gesagt hatte. Für mich bleibst du so in Erinnerung, wie ich dich kennengelernt hatte. <<
Zu einem Lächeln quälte ich mich. Schaute ihn aber nicht wirklich an.
>> Danke << Quer strich ich über den Plastikdeckel. >> Auch für eben, als du Ash- <<
>> Kein Problem <<, würgte Jong Ho mich ab. >> Ich konnte nur nicht ertragen, dass er dich- << Er brachte sich selbst zum Verstummen. Zerquetschte den Strohhalm seines Iced Americanos. >> Du hattest Geld für Sex- << Sofort schwieg er, als ich meinen Kopf in die entgegengesetzte Richtung streckte. >> Sorry, du musst nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst. <<
Tränen brannten unter meinen Lidern. Ich presste die Hand vor den Mund, sobald ich merkte, dass diese mir aus den Augen quollen. Versteckte anschließend mein Gesicht zwischen den Händen. Ein Tätscheln vernahm ich auf meiner Schulter.
>> Ich verurteile dich nicht <<, sagte Jong Ho. Kraulte meinen Nacken. >> Du hattest bestimmt deine Gründe. Aber ich würde mich freuen, wenn du es mir anvertraust. <<
Durch die Finger musterte ich ihn. Nahm diese nach einer Weile hinunter. Einen kleinen Schluck trank ich vom Tee.
>> Nachdem- <<, begann ich, aber mir versagte die Stimme. >> Nachdem- Nachdem mich Lucifers Leute mit 13 hatten gehen lassen, saß ich auf der Straße und brauchte dringend Geld. Drogen hatte ich selbst hergestellt, aber das hatte nicht gereicht, also- Mir ist bewusst, dass ich attraktiv bin, dann war das für mich- Für mich die schnellste Lösung. <<
Zittrig atmete ich aus und ließ Jong Ho gewähren, dass er mich an sich drückte.
>> Wieso hast du uns nichts erzählt? <<, fragte dieser. >> Wir hätten dir geholfen- <<
>> Was hätte ich sagen sollen? <<, erwiderte ich, >> Ich bin ein Hexenmeister aus einem Paralleluniversum und wurde von den Leuten eines verbannten Engels entführt, weil sie dachten, ich könnte- <<
Fest biss ich mir auf die Unterlippe, bis sie blutete. Vor Dummheit hätte ich mich Ohrfeigen können.
Zum Glück schien Jong Ho, meinem angebrochenen Satz nicht viel Aufmerksamkeit zu schenken.
>> Stimmt <<, sinnierte er, >> Wahrscheinlich hätten wir dich nicht ernst genommen. <<
Aus seiner Umarmung befreite ich mich. Stand auf und streckte ihm die Hand hin.
>> Wir sollten gehen <<, sagte ich, >> Es wird kalt. <<

Am Waschenbeckenrand stützte ich mich ab. Meine Zahnbürste zitterte unentwegt in der Hand. Zu den Tropfen, welcher der Zahnpastaschaum deswegen verlor, blickte ich hinunter. Einen Augenaufschlag später glänzten sie rot, rochen nach Blut. Genauso mein Handgelenk, an welchem eine blutige Wunde klaffte. Verursacht von Seilen.
Ich schrie auf, schmiss die Zahnbürste ins Waschbecken. Auf dem Boden krümmte ich mich zusammen. Weinte.
Die Tür wurde aufgedrückt und San und Min Gi stürmten hinein. Erster kniete sich neben mich.
>> Was ist los? <<, fragte Min Gi. Schaute sich um, als suchte er nach der Ursache.
>> Ich blute- <<
Meinen Arm hob ich an und blinzelte. Da, wo zuvor die klaffende Wunde geprangt hatte, endete der Ärmel meines Pyjamahemds. Mithilfe des Badewannenrands hievte ich mich auf die Füße und trat ans Waschbecken. Kein Blut. Lediglich die Zahnpastaschaumtropfen.
Vor Panik blieb mir die Luft weg. Automatisch fasste ich mir zur Brust. Versuchte, mich zu beruhigen. Warum sah ich Dinge, die nicht existierten?
>> Quinnie? <<, fragte San, welcher aufgestanden war, musterte mich bestürzt. Meinen irritierten Gesichtsausdruck missinterpretierte er. >> Jong Ho meinte, du willst lieber Quinn genannt werden. <<
>> Was war? <<, wiederholte Min Gi.
Mir war es unangenehm, dass ich mir die Wunde und das Blut eingebildet hatte, weshalb ich schwieg. Außerdem wollte ich ihnen keine Sorgen bereiten.
>> Quinn? <<, fragte San.
>> Nichts <<, würgte ich hervor.
Nur mäßig konnte ich sie überzeugen, dass mit mir alles in Ordnung war. Sobald sie das Bad verließen, zerrte ich den Ärmel hinauf. Untersuchte mein Handgelenk. Dünne Striemen zierten dieses, als hätte ein Seil sie stundenlang abgeschnürt. Über die Narben fuhr ich. Erinnerte mich, woher ich diese erhalten hatte. Bilder blitzten auf. Auf einem Bett saß ich. Um mein Handgelenk war ein strammes Seil gespannt, was mich ans Bett fesselte. Gegenüber saßen mir Zacharias und einer seiner Männer.
Mehrmals blinzelte ich, um die Sequenz zu verdrängen. Hatte mein Gedächtnis die schlimmsten Details ausgeblendet? An das Wichtigste erinnerte ich mich, aber bei Weitem nicht an alle Gräueltaten.
Mit rasendem Herzen kehrte ich ins Schlafzimmer zurück, ignorierte die Blicke der anderen. Legte mich stattdessen unter die Decke zu Jong Ho. Sofort schloss er den Arm um meine Taille. Streichelte mich am Rücken.
Jemand löschte das Licht. Von Yun Ho ertönte ein Gute Nacht.
>> Schlaf schön <<, murmelte Jong Ho.
Beinahe berührten seine Lippen meine. Bevor er mich küsste, streckte ich den Kopf weg. Auf die andere Seite wandte ich mich, um jeden weiteren Annäherungsversuch auszumerzen. Aber Jong Ho sagte nichts, unternahm nichts. Vermutlich war es aus Versehen passiert. Trotzdem behielt er seinen Arm um meine Taille. Streichelte meinen Bauch.
>> Gute Nacht, Sannie <<
Kuss.
>> Gute Nacht, Woo Youngie <<
Kuss.
Hinter mir ertönte ein genervtes Schnauben.
>> Könnt ihr <<, brummte Jong Ho, >> euch nicht einmal zurückhalten und das tun, wenn wir nicht anwesend sind? <<
Das Rauschen der Matratze ertönte.
>> Du bist nur eifersüchtig <<, ertönte Woo Youngs Stimme, >> dass Quinn deine Gefühle nicht- <<
>> Hör auf <<, unterbrach ich ihn, richtete mich auf. In der Dunkelheit erkannte ich nichts. >> Das hat nichts damit zu tun. <<
Mit pochendem Herzen legte ich mich zurück. Ignorierte ihre Diskussion. Irgendwann kehrte Ruhe ein, als Yun Ho meinte, wir müssten fürs morgige Schwerttraining fit sein.
Danach fiel ich in einen unruhigen Schlaf.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt