Ep 7 - Seong Hwa

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Leer starrte ich mein Spiegelbild im dunklen Laptopbildschirm an. Ich log, wenn ich sagte, dass ich keine Angst hätte. Die verkleideten Männer, Yeo Sangs Traum, der Anime, der exakt diesen wiedergegeben hatte. Langsam konnte das kein Zufall mehr sein. Seong Hwa! Was für ein Quatsch. Der Webtoon war fiktiv-
Im oberen Augenwinkel bemerkte ich drei Männer, die mich erwartungsvoll musterten. Ich blickte auf und zuckte unwillkürlich zusammen. Seth, Joongie und ein dunkelhaariger Mann, den ich dank Pinterest als Alec identifizieren konnte. Ich schluckte. Ein Tennisball großer Kloß steckte in meinem Hals fest. Mir drehte sich fast der Magen um.
Ein Stück beugte sich Joongie hinunter, weshalb ich zurückzuckte. Vor paar Tagen hätte ich mich über diese Nähe gefreut; noch immer musste ich zugeben, dass er von der Entfernung umwerfend aussah. Dennoch jagte mir seine Präsenz überwiegend Angst ein. All meine idiotischen und irrationalen Schlüsse trieben mich dazu.
>> Können wir irgendwo ungestört reden? <<, flüsterte er.
Abermals schluckte ich. Trotz Angst schielte ich hinunter zu seinen Lippen, hoch zur Nase und dann guckte ich ihm in die Augen. Er war unbeschreiblich schön. Neben Yeo Sang einer der schönsten Männer, die ich je gesehen hatte. Für einen Moment blendete ich das Wesentliche aus und war abgelenkt von seiner Schönheit.
Eine Hand spürte ich auf meiner Schulter.
>> Hyung? <<
Beinahe hätte ich geschrien. So sehr war ich in Gedanken versunken, dass ich Yeo Sang nicht bemerkt hatte. Joongies und Alecs Gesichtsausdruck hatte sich schlagartig verändert. Ungläubig musterten sie meinen besten Freund. Ebenfalls Yeo Sang schaute nervös zwischen den beiden hin und her. Langsam rutschte seine Hand von meiner Schulter und er rannte in einem Affenzahn in die entgegengesetzte Richtung davon. Heftig schlackerte sein kleiner Teddy-Anhänger am Rucksack hin und her.
Für eine Weile guckte ich ihm verwirrt nach, dann klickte etwas in meinem Gedankengang und ich sprang auf.
Hastig packte ich meinen Laptop in den Rucksack und sprintete los. Hinter mir hörte ich Schritte. Einen Blick über die Schulter verriet mir, dass die drei jungen Männer mir folgten. Obwohl ich Yeo Sang nicht sah, konnte er nur einen Weg verfolgen, denn die Bibliothek hatte lediglich einen Eingang. Ständig polterte mir der Laptop in den Rücken, was auf Dauer unsagbar schmerzhaft war. Außerdem spürte ich an meinen wabbligen Beinen, dass ich heute noch nicht viel gegangen war. Kurz blieb ich stehen, um Luft zu schnappen.
Als ich die Bibliothek verließ, erhaschte ich ausschließlich Yeo Sangs Anhänger im Augenwinkel. Sofort sputete ich los. Bis dato war mir nicht bewusst gewesen, wie schnell er rennen konnte. Ich fragte mich, was in seinem Kopf vor sich ging. Hatte er Angst? Bezüglich des Traums? Wegen Alec? Ich drängte meinen Gedankengang beiseite, da ich dadurch langsamer wurde. Das konnte ich mir nicht erlauben. Schlussendlich lief ich bis zum Campuseingang. Wild blickte ich mich um... Aber Yeo Sang war verschwunden. Nirgends entdeckte ich ihn. Ich fragte mich durch, sah hinter Gebäuden und in kleinen Gängen nach. Mein bester Freund war wie vom Erdboden verschluckt.
Außer Atem kam ich vor Seth, Joongie und Alec zum Stehen. Ich hielt mir die Seite und atmete durch. Jeder Zug schmerzte.
Eines fiel mir noch ein; aus der Hosentasche fieselte ich mein Handy. Ich suchte nach Yeo Sangs Standort. Wtf. Wie konnte er bereits sechs Kilometer entfernt sein?! Dann fiel mir auf, wie schnell sich der Punkt bewegte. Mit Daumen und Zeigefinger vergrößerte ich die Karte. Sein Punkt hielt sich inmitten der Straße auf. Vermutlich musste er in einem Bus sein. Trotzdem fühlte ich innerlich Panik in mir aufkommen. Würde er freiwillig, in der jetzigen Situation mit den gewalttätigen Männern, den Campus ohne mich verlassen?
>> Was ist? <<, fragte Alec.
Anscheinend konnte mir man meinen Missmut ansehen. Ich hielt ihm das Handy unter die Nase. Tief schnaufte ich durch.
>> Ich glaube, er wurde entführt. <<
Aus großen Augen starrte mich Alec an. Ruckartig löste er sich aus der Gruppe, aber ich hielt ihn zurück. Auf eine merkwürdige Weise fühlte sich dies vertraut an.
>> Ja? <<
>> Wo willst du denn jetzt hinrennen? <<, fragte ich. Wild wischte ich übers Handy. >> Wir- Ich- Wie sollen wir ihn denn so verfolgen? <<
>> Was schlägst du vor? <<, fragte Seth. >> Warten, bis wir von Lucifer die Meldung kriegen, dass er tot ist? <<
>> Nein- << Ich hielt Inne und musterte ihn ungläubig. >> Was?! <<
Meine Frage ließ er unkommentiert und stierte stattdessen auf den Boden, kickte ein paar Kieselsteine von rechts nach links.
Mehrmals fuhr ich mir durch die Haare; spürte, wie ausgelaugt ich war. Mein Körper war müde und erschöpft. Bisher hatte ich kaum was gegessen. Irgendwie kam mein Hirn auch nicht mehr bei allem mit. Mir war schwindlig und Kopfschmerzen nisteten sich ein. Automatisch suchte ich nach der nächsten Bank, auf der ich mich niederließ. Die drei jungen Männer folgten mir; Joongie und Seth setzten sich rechts und links neben mich, Alec blieb vor mir stehen.
Erneut öffnete ich die Ortungsfunktion, nun wurde mir noch nicht mal mehr sein Standort angezeigt. Ich sperrte mein Handy und hielt schützend die Hände vors Gesicht. Sobald ich die Ellenbogen auf den Oberschenkeln stützte, begann ich zu weinen. Mir schwirrte der Kopf. Alles war verworren. Yeo Sang war verschwunden.
Jemand rieb mir über den Rücken. Ich tippte auf Seth.
Es war schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Unmöglich beruhte ein Fantasy-Manhwa auf wahren Tatsachen. Aber Vieles sprach dafür. Meine und deren Ähnlichkeit mit den Charakteren. Yeo Sangs Traum. Die Männer, die tagelang in der Straße unseres Apartments rumgelungert hatten. Dann die kleine Sequenz, die ich gesehen hatte, wobei ich den Armreif in den Händen hielt. Der Fakt, dass der Armreif überhaupt existierte. Yeo Sangs Verhalten eben. Nicht umsonst würde er davonlaufen. Andere Frage; was wusste Yeo Sang?
Mir war alles zu viel. Ich verstand nichts, konnte mir keinen Reim aus alldem machen.
>> Alles gut, Elo <<, vernahm ich Seths Stimme neben mir. Ich zuckte zusammen. Sachte tätschelte er meinen oberen Rücken. >> Alles wird- <<
Finster musterte ich ihn, weshalb er zurückschreckte.
>> Was soll denn bitte gut werden? <<, fragte ich rhetorisch. >> Yeo Sang- Quinn- Wie auch immer- ist weg. Verschwunden. Im schlimmsten Fall von diesen komischen Männern entführt. << Ein massiver Schmerz drängte sich hinter meine Stirn. >> Seine Eltern haben mir die Verantwortung gegeben und wo ist er jetzt? Weg. Warum? Weil ihr aufgetaucht seid. << Ich massierte mir die Schläfen. Gleich platzte mir der Schädel. >> Vor mir ist er nicht weggelaufen. <<
Stille.
Ich entsperrte mein Handy und rief die Standortortung auf. Nichts. Ich klickte alle IDs durch, nur Yeo Sang fand er nicht.
>> Du <<, dehnte Alec. Automatisch blickte ich zu ihm hoch. >> Erinnerst dich? <<
>> Woran? <<, fragte ich.
Er schwieg.
Konnte mir auch egal sein. Ich lehnte mich zurück und öffnete Instagram. Kaum bemerkte ich, welchen Beiträgen ich ein Herzchen gab. Meine Nerven lagen blank, plus die Kopfschmerzen waren unerträglich. So sehr, dass ich dachte, ich würde das Bewusstsein verlieren. Für paar Sekunden schloss ich die Augen, stöhnte auf.
>> Elo? <<, hörte ich Joongie neben mir. Sichtlich besorgt. Jemand umgriff meine Taille. >> Alles oke? <<
Schwach nickte ich, blinzelte mehrmals. Dennoch ließ er mich nicht los. An der Seite spürte ich seine Finger, die mich sachte streichelten. Einen Satz machte mein Herz.
Ich konzentrierte mich aufs Display, über welches erneut die Standortortung flimmerte. Routinemäßig überprüfte ich jede ID, wobei mir Yeo Sangs kaum auffiel, bis ich die 50 Kilometer Entfernungsspanne wahrnahm. Waaaaaaaas??!!
>> Er hat ihn gefunden! <<, kreischte ich auf.
Neben mir zuckte Seth zusammen. Alle drei beugten sich über mein Handy. Mithilfe von Daumen und Zeigefinger vergrößerte ich die Karte. Heftig schluckte ich. Er befand sich in einem Haus.
>> Was? <<, fragte Alec.
>> Ich weiß, wo er ist <<, erwiderte ich. Gespannt musterten sie mich. >> Dort befindet sich ein Portal, das zu eurer Welt führt. <<
Sie starrten mich an. Ich verstand auch nicht, woher ich das plötzlich wusste.

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