Ep 48 - Yeo Sang

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Angespannt saß ich auf dem Sofa. Beobachtete den Sekundenzeiger der Uhren-App auf dem Homescreen. Jede Minute, die verstrich, steigerte meine Nervosität. Nach zwanzig Jahren traf ich auf meine Eltern. Kaum hatte ich sie in Erinnerung. Nur eine Sequenz wiederholte sich in Dauerschleife; meine Mutter, wie sie Zauberstab erhobend auf mich zu rannte, als einer von Lucifers Männern mich übern Boden zum Auto schleifte. Mit aller Mühe versuchte ich, das Bild zu verdrängen.
Jong Ho, der auf dem gegenüberliegenden Sofa saß, starrte mich an. Vielleicht täuschte ich mich, aber sein Blick wirkte traurig. Im Gegensatz zu Alec, dessen Lippen ein amüsiertes Lächeln umspielte. Währenddessen wechselten seine Augen zwischen Jong Ho und mir.
Als die Klingel der Haustür rang, schreckte ich auf.
Jack stieß sich von der Wand ab und verschwand im Flur.
Ununterbrochen knetete ich meine Finger. Vor deren Reaktion krauste es mir. Ich wollte sie nicht sehen.
Sofort erkannte ich die Stimme meiner Mutter, sobald diese durch den Hausflur dröhnte. Mir schlug mein Herz bis in den Hals, als deren Schritte sekündlich lauter wurden. Dann tauchten sie im Torbogen auf. Meine Mutter ähnelte sehr meiner Erinnerung, dennoch wirkten ihre Züge etwas gealtert. Hatte ihrer Schönheit allerdings nichts angetan.
Mit der Hand bedeckte sie ihren Mund, sobald sie mich sah. Tränen quollen aus ihren Augen.
>> Oh <<, machte sie. Rannte auf mich zu. >> Mein kleiner Quinnie. <<
In eine herzliche Umarmung nahm sie mich, nachdem ich ungelenk aufgestanden war. Drückte mir einen Kuss auf die Wange. Dank ihrer Absatzschuhe waren wir ungefähr auf gleicher Höhe.
Den Kopf stützte ich auf ihrer Schulter, beobachtete meinen Dad, der mit Jack sprach.
>> Wir fahren erstmal ins Krankenhaus, um dich durchzuckecken <<, sagte meine Mutter.
Aus der Umarmung löste sich diese, behielt aber ihre Hände an meiner Taille.
>> Nein <<, machte ich. Nicht sonderlich war ich scharf darauf, Elo zu begegnen. >> Mir geht's gut- <<
>> Schatz, deine Hand- <<
>> Die hat Elo genäht. Das wird schon. <<
Skeptisch, eine Braue angehoben, beobachtete sie mich. Dass das nicht die letzte Diskussion über dieses Thema wurde, leitete ihr Schnaufen ein. Gefolgt von einem Tätscheln auf meinem Rücken.
>> Mir geht's gut- <<
>> Quinn <<
Ihr Quinn war unheimlich, weshalb ich den Mund hielt. Dass ich sie nicht umstimmen konnte, wusste ich.
>> Lasst uns aufbrechen- <<
>> Ja <<, machte Jack, schüttelte den Kopf. >> Der Verkehr ist in letzter Zeit echt schrecklich. <<
>> Wem sagst du das. Wir standen eine halbe Stunde im Stau, um überhaupt in die Stadt zu kommen. <<
Jeder von Beiden schnappte nach einem meiner Koffer und rollte diesen durch den Flur.
An meiner Hand zerrte meine Mutter, um mir das Signal zum Gehen zu geben. Zusammen mit ihr verschwand ich im Flur. Die Schritte, welche hinter uns ertönten, verrieten mir, dass meine Freunde uns folgten.
Während Jack und Dad mit den Koffern kämpften, zwang mich San in eine Umarmung. Genauso der Rest, bis ich vor Jong Ho stand. Aus traurigen Augen guckte er mich an. Am liebsten wollte ich ihn zum Abschluss küssen, aber Alec sollte kein Grund haben, ihm noch eins reinzuwürgen. Vermutlich reichte dies schon, wenn ich ihn umarmte.
>> Pass auf dich auf <<, sagte er. Seine Hände spürte ich am Rücken. >> Schreib mir, wenn du zu Hause bist. <<
Ich nickte. Nahm nochmal einen tiefen Zug von seinem Geruch. Trotzdem konnte ich es mir nicht nehmen, ihn einen Kuss auf seinen Hals zu hauchen.
Erschrocken musterte mich Jong Ho, sobald ich mich von ihm löste.
Mit einer Geste deutete mir meine Mutter, dass ich das Abschiedsszenario beenden sollte. Beide Koffer waren verstaut und sie wollten losfahren.
Hinten auf der Rückbank nahm ich Platz. Verband sofort meine AirPods mit dem Handy. Als mein Dad wendete, winkte ich ihnen. Solange, bis wir die Einfahrt verließen.
Auf der Fahrt herrschte Stille. Lediglich das Radio dudelte im Hintergrund.
Als mein Dad auf der Autobahn die Geschwindigkeit reduzierte, blühte mir warum. Dort zweigte es zum Krankenhaus ab. Verübeln konnte ich es ihnen weniger. Hoffentlich hatte Elo keinen Dienst.

Natürlich hatte Elo Dienst. Anders hätte es nicht kommen können.
Zusammen mit dem Klemmbrett in den Händen saß ich im Wartezimmer und hoffte, bald aufgerufen zu werden. Außer, wenn mir als behandelnder Arzt Elo zugeteilt werden sollte.
Sobald sich die Tür öffnete und Elo zur Hälfte eintrat, ging ein Seufzen durch eine Reihe an Damen. Hinunter auf sein Klemmbrett blickte dieser.
>> Mr Barron <<
Vor Schreck zuckte ich zusammen. Es war seltsam, meinen Nachnamen aus seinem Mund zu hören.
Beinahe flutschte mir das Klemmbrett aus den Händen.
>> Wenn ich ehrlich bin <<, sagte Elo, als er mich zum Behandlungszimmer führte. >> hatte ich mir Sorgen gemacht, als ich deinen Namen auf der Anmeldeliste gesehen hatte. << Er öffnete die Tür und ließ mich vor. >> Und war ein wenig beruhigt, dass du zum normalen Check-Up willst. Vermutlich deine Eltern? << Mit der Hand zeigte er zur Liege. >> Setz dich. <<
Beim Hinsetzen nahm er mir das Klemmbrett ab. Deutete mir mithilfe einer Bewegung, mein Shirt auszuziehen. Ein wenig druckste ich herum, bis Elo mich böse anfunkelte. Zuerst horchte er Herz und Lunge ab, murmelte hört sich gut an, bis er die Narben an Rücken und Oberarmen genauer inspizierte. Automatisch zuckte ich zusammen, als er mit seiner Gummihandschuh-Hand darüber strich. Zur selben Zeit spürte ich, wie die Klinge sich tief in die Haut bohrte. Mir Schmerzen verursachte. Erinnerung und Realität vermischten sich miteinander. Wieder befand ich mich in diesem kargen Raum. Gefesselt am Stuhl. Zusammen mit dem Mann. Hinter mir ertönte Metallgeklimper. Gleich würde er sich bereit machen, mir neue Verletzungen hinzuzufügen.
Mit aller Kraft klammerte ich mich an die Liege. Nur durch ein Rauschen nahm ich Elos Frage wahr. Mir war schwindlig. Ich fühlte mich benebelt. Mein Herz raste, als hätte ich eine Stunde Cardio hinter mir.
>> Quinn? <<
An meinen Schultern rüttelte Elo. Mehrmals blinzelte ich, um ihn wahrzunehmen. Dann zerrte er mich in eine Umarmung.
>> Willst du mir noch immer nicht erzählen, was passiert ist? <<, fragte dieser. >> Jong Ho hatte mir anvertraut, was du getan hattest, um Geld zu verdienen. <<
Innerlich sackte ich zusammen, wandte mich aus seinen Armen. Aus mitleidigen Augen guckte er mich an.
>> Er macht sich Sorgen um dich <<, fuhr Elo fort. Verschränkte die Arme vor der Brust. >> Berechtigter Weise. << Für einen Moment schwieg er. >> Hör zu, ich will dich wirklich ungern verdächtigen, dass du mit Lucifer und Zacharias zusammenarbeitest, aber im Moment gibst du ein wirklich schlechtes Bild ab. <<
Ich starrte in seine hellblauen Augen und verlor mich für einen Moment in seinem hübschen Gesicht. So sehr, dass meine Wangen warm wurden.
>> Ich weiß <<, gab ich zu, >> A- Ab- Aber ich arbeite nicht mit ihnen zusammen. Es war vielmehr- << Für einen Moment stockte ich. Vor Herzrasen wurde mir schwindlig. >> ein Gefallen. Gefallen ist ein schlechtes Wort. Sie hatten mich bedroht, so dass ich für sie Dinge erledige. <<
>> Dinge erledigen? <<
Ich schwieg. Ich brachte es nicht über mich, ihm mehr Details zu verraten. Betreten guckte ich zu meinen Fingern. Spielte mit diesen.
Elo schien zu merken, dass er fürs Erste nicht weiterkam, denn er fuhr in seinem professionellen Arztton fort.
>> Ich werde dir noch Blut abnehmen, um deine Werte zu überprüfen. <<
Fünf Plastikröhrchen an Blut zapfte er mir ab. Was er damit alles testete, sagte er nicht. Ehrlicherweise war ich zu erschöpft, um nachzufragen.
Am Schreibtisch ließ er sich nieder und tippte. Irgendwann sah er auf. Mit der Bitte, im Wartezimmer Platz zu nehmen, bis die Ergebnisse vorliegen, kehrte ich zurück.
Rund eine Stunde wartete ich, bis eine Krankenschwester mir den Arztbrief brachte. Beim Verlassen der Klinik las ich diesen quer. Eine Menge an Vitaminmangeln hatte ich. Dazu verwies er auf psychische Störungen, für die ein Überweisungsschein zu einem Therapeuten beilag. Wenn ich dies meinen Eltern gab, musste ich mich erklären. Irgendwie graute es mir davor.
Sofort verlangte meine Mum nach der Auswertung, als ich ins Auto kletterte. Zuerst tat ich so, als hätte ich sie nicht richtig verstanden und ignorierte sie, bis sie ihre Frage wiederholte.
Widerwillig streckte ich ihr das Kuvert entgegen. Zwar las sie den Brief, aber sprach mich nicht darauf an.

The Pirate's PrinceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt