Meine Freunde und ich saßen in der Mensa, warteten auf Jong Ho. Je länger die Untersuchung dauerte, desto weniger hatte ich das Gefühl, er wäre gesund. In Anführungszeichen. Definitiv war er nicht gesund. Dennoch hoffentlich nicht so krank, dass er lebensgefährdet war.
Den Inhalt der Flasche schüttete ich in ein halb volles Glas Wasser. Bis zum Rand sprudelte es auf. Paar Minuten wartete ich, bis es sich sich setzte. Schwenkte das Wasser ein bisschen. Auf Ex trank ich die Medizin, würgte vor Ekel. Obwohl es schier unmöglich schien, erwartete ich, dass mein Gedächtnis prompt zurückkehrte. Nichts fühlte ich. Keine Bilder, die auftauchten und plötzlich alle Rätsel lösten. Stattdessen rauschte ich in einen Nebel, als hätte ich zwei Bierchen zu viel getrunken. Müdigkeit setzte ein. So schlimm, dass ich den Kopf in den Händen stützen musste.
>> Hyung? <<, hörte ich vor mir, was allerdings in einem Kreischen von Sunny unterging.
Von hinten packte er Alec und Seth an den Schultern.
>> Woher wisst ihr, dass Elo verbannt wurde? <<
Beide drucksten herum. Murmelten Unverständliches. In Sunnys Augen las ich Genervtsein.
>> Isaac <<, stöhnte Seth, verzerrte vor Schmerzen das Gesicht.
Im selben Moment kreuzte ich Quinns Blick. Eine Mischung aus Panik und Sorge zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Sofort schnappte ich nach seiner Hand, denn ich bemerkte, dass er sich leicht erhoben hatte. Quinn schluckte.
Was war an Isaac, das ihm so viel Angst einjagte?
>> Denn Elo wurde gar nicht verbannt <<, lenkte Sunny meine Aufmerksamkeit von Quinn. Trotzdem hielt ich seine Hand. >> Wieso kommt Isaac dann auf die Idee, dass er verbannt wurde? <<
>> Was weiß ich <<, jauchzte Alec. Rieb sich die Schulter, als Sunny von ihnen ließ. Kopfschüttelnd nahm dieser neben mir Platz.
>> Ich Dummkopf hatte ihnen auch noch geglaubt. << Scharf sog er die Luft ein, hob vor Schreck die Hand vor seinen Mund. >> Dann wollte das Oberste Gericht dich gar nicht verhören. <<
An die hatte ich gar nicht mehr gedacht. Doch Sunnys Panik schwappte auf mich über. Kniff die Brauen zusammen. Mein Blick wanderte zu Quinn. Natürlich mussten sie bemerkt haben, dass ich mit ihm hier aufgetaucht war. Jemand, der ein bekanntes Elternteil hatte und seit Jahren gesucht wurde. Kein Wunder, dass sie interessiert waren, mit mir zu sprechen. In Sunnys Gesicht las ich, dass er denselben Gedanken hegte.
>> Nein <<, sagte ich. >> Lass ihn. << Dass Sunny nicht mit meiner Entscheidung einverstanden war, sah ich am Zucken in seinem Gesicht. Fest drückte ich Quinns Hand. >> Wer weiß, was er alles durchgemacht hat. <<
>> Aber- <<
>> Das Oberste Gericht wird sich schon nochmal melden, wenn sie unbedingt mit mir oder Quinn reden wollen. <<
Etwas regte sich in Sunnys Augen, aber er beließ es bei einem nervösen Ausatmen. Unwillkürlich musste ich an Quinn denken, der im Van gewartet hatte. Seinen Laptop versteckt hatte. Dafür gesorgt hatte, dass sie die falschen Ehepapiere bekommen hatten. Alles dafür gegeben hatte, dass ich nicht-
Etwas türmte sich in meiner Brust auf. Ein Schwall böser Vorahnung.
>> Sunny? <<
Mit hochgezogener Augenbraue bedachte er mich.
>> Elo? <<
Quinns Hand ließ ich los, richtete mich auf. Zu Sunnys Ohr beugte ich mich hinunter.
>> Können wir kurz ungestört reden? <<
Lediglich nickte er. Zusammen huschten wir durch die Flure, hinüber ins Büro, in welchem üblicherweise Übergabe gemacht wurde. Hinter sich schloss Sunny die Tür, musterte mich erwartungsvoll. Halb lehnte ich mich gegen den Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
>> Bereust du deine Entscheidung? <<, war Sunnys erste Frage.
Zögerlich folgte mein zustimmendes Nicken.
>> Irgendwas verheimlicht Quinn <<, sagte ich, >> Ich denke, er hat etwas mit Isaac zu tun- <<
Durch ein Achselzucken unterbrach mich Sunny.
>> Na ja, sie sind Cousins. <<
Dunkle Erinnerungen wurden wach. Damals war es ein Skandal gewesen, dass ein angesehener Hexenmeister, Quinns Onkel, sich mit einem Dämon in seiner menschlichen Form eingelassen hatte.
Langsam nickte ich. Ließ es mir nicht anmerken, dass ich davon bis eben nichts gewusst hatte.
>> Trotzdem << Interessiert musterte mich Sunny. >> Irgendwas ist da. Er hatte ihnen die Ehepapiere besorgt, um mich aus dem Krankenhaus zu schleusen. Quinn hatte bestimmt Angst, dass ich dem Obersten Gericht etwas über ihn erzählen könnte- <<
>> Und was- <<
>> Wir haben vier Jahre zusammengelebt. Bestimmt denkt er, ich könnte was wissen- <<
>> Was wissen? <<
>> Welche gemeinsame Sache er mit Isaac am Laufen hat? << Skepsis las ich in Sunnys Gesicht. >> Überleg mal, Isaac hatte ihnen erzählt, dass ich verbannt wurde. Vor vier Jahren bin ich verschwunden - nicht verbannt worden - und tauche bei Quinn auf? <<
>> Wo siehst du jetzt die Verbindung zwischen Isaac und Quinn? <<, fragte er. >> Abgesehen davon, dass sie verwandt sind. <<
Frustrierend. In meinem Kopf machte alles viel mehr Sinn als das Geschwafel, was ich von mir gab.
Mit einem Seufzen betrachtete mich Sunny. Er zuckte die Achseln.
>> Dein Gedächtnisverlust ist mies, das hätte dem Obersten Gericht auch nicht geholfen- << In seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass es in seinem Hirn ratterte. >> Zauber, Azrael meinte, dass er einen Zauber verdächtigt. << Die Hand schlug er vor den Mund. >> Quinn <<
Ich nickte.Beim Verlassen des Raums begegneten wir Niclas. In knappen Worten schilderte er, dass Jong Ho zur Beobachtung im Krankenhaus blieb. Meine Bitte, ihn zu besuchen, lehnte er mit einem Er bräuchte Ruhe ab. Innerlich zerfraßen mich Schuldgefühle, obwohl ich mir selbst sagte, dass ich alles in meiner Machtstehende getan hätte. Alles war mein Versagen, hallte durch meinen Kopf, bis wir die Mensa erreichten und Quinn mich ablenkte. Nagelkauend blickte er zu mir hoch. Etwas nagte an ihm, da war ich mir sicher. Höchste Zeit, dass mein Gedächtnis zurückkehrte. Bisher erreichten mich nur schemenhafte Bilder, die ich schwer zuordnen konnte. Vermutlich benötigte ich einen Vorfall, der meine Erinnerungen triggerte.
Ehe ich meine Freunde zum Gehen aufforderte, griff Sunny nach meinem Handgelenk.
>> Kommst du zurück? <<, fragte dieser, >> Wir brauchen jegliche Kräfte. Insbesondere, wenn Lucifer tatsächlich den Krieg erklärt hat. <<
Zwischen ihm und meinen Freunden sah ich hin und her. Ich wusste nicht, was mich erwartete. Keine falschen Versprechen wollte ich eingehen, dennoch nickte ich. Mit einer innigen Umarmung verabschiedeten wir uns.
>> Kommt <<, sagte ich.
Mir wurde schwer um die Brust, als ich meine Freunde hinunter in die Tiefgarage führte. Jong Ho zurückzulassen, behagte mir nicht. Außerdem wusste ich, was auf mich im Kofferraum des Autos wartete. Dass mir eine Konfrontation mit Seth und Alec blühte, wusste ich auch. Sie würden mir es nicht verzeihen.
Von Sekunde zu Sekunde verlangsamten sich meine Schritte. Am liebsten wäre ich stehengeblieben. Beinahe zitterte ich, als ich den Code eintippte. Das automatisierte Licht sprang an, sobald ich die Tiefgarage betrat. Aus der vorderen Tasche kramte ich den Autoschlüssel. Zuerst war es mir nicht aufgefallen, aber da ich nun Punkte verknüpfen konnte, stachen die roten Sprenkel auf dem Schlüsselbund umso größer heraus. Ich schluckte.
Nach einem großen, schwarzen Van hielt ich Ausschau. Versteckt hinter einer Kurve. Knapp vorm Auto kam ich zum Stehen, hantierte mit dem Schlüssel. Neben mir hörte ich Seth nach Luft schnappen. Erinnerte er sich?
In der Bewegung, die Klappe zu öffnen, verharrte ich. Überlegend, mir die Nase zuzuhalten. Seit vier Jahren verrottete das Zeug dort. Im Wagen musste eine widerliche Luft herrschen.
>> Ich- << Halb wandte ich mich meinen Freunden zu. >> Vielleicht solltet ihr einen Schritt zurückgehen. <<
Von der Seite musterten mich Alec und Seth. Zu Hundertprozent wussten sie, warum ich dies sagte.
Vor Mund und Nase presste ich meine Hand, öffnete den Kofferraum. Ein Duft der Verwesung drang aus diesem. Blutversehrte Schwerter stapelten sich übereinander, zerrissene Kleidungsstücke sammelten sich in erdenklichen Ecken. Darunter Jonahs Lederjacke.
In meinen Armen spürte ich erneut den leblosen Jonah, mit welchem ich unter Tränen in die Notaufnahme hechtete. Jegliche Emotionen überrumpelten mich, so dass es mir Tränen in die Augen trieb. Weitere Bilder tauchten auf, kitzelten mein Gedächtnis. Wie ein Film spielten sich mehrere Sequenzen ab.
Am Auto stützte ich mich, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Kniete mich hin. Hinter mir hörte ich ein Hyung. Schließlich musste ich mich setzen. Jemand zerrte an meinen Schultern.
>> Hyung? << Aus großen Augen guckte mich San an. >> Alles oke? <<
Schwach nickte ich. Versuchte, die Flut an Erinnerungen zu ignorieren. Quinn. Ihn sah ich in jedem Bild. Leider noch immer zu schwach. Zum Verrücktwerden.
An Sans Schultern hievte ich mich auf die Füße. Schlich hinüber zum Kofferraum, versuchte dem Drang zu widerstehen, mich zu übergeben.
Unter einer Lage an Kleidung wühlte ich mich durch, bis ich auf einen Metallkasten stieß. Der Safe.
Schweiß perlte von meiner Stirn. Nicht nur dem geschuldet, dass ich mich durch Seth und Alec beobachtet fühlte, sondern die Wirkung der Medizin strengte an.
Bis zum Ellbogen ließ ich meinen Rucksack runterrutschen und wühlte nach dem Brief. Das Passwort. Ich hatte ihn mir hinterlassen, um an den Inhalt im Safe zu gelangen. Im Nachhinein ziemlich fahrlässig. Jeder hätte in meinen Briefkasten reinschauen können. Sofort musste ich an den Dämon denken, der mich bis ins Hochhaus verfolgt hatte. Ein Schauer kroch mir über den Rücken, was in einem Schütteln endete.
Zahl für Zahl tippte ich am Safe ein. Dass Alec und Seth schwiegen, machte mich nervös. Nachdem ich die letzte Zahl drückte, schwang die Tür mit einem Piepsen auf. Im Inneren befand sich eine abgeschnürte Papierrolle. Diese streckte ich Alec entgegen. Von Beiden war er das kleinere Übel.
Seths Augen huschten über mein Gesicht. Verwirrung lag in diesen.
>> Du hattest die Karte die ganze Zeit über? <<
DU LIEST GERADE
The Pirate's Prince
FanfictionDer 24-Jährige Park Seong Hwa lebt sein gewöhnliches Studentenleben, bis er auf einer abendlichen Lesung den bekannten Manhwa-Zeichner Kim Hong Joong kennenlernt. Sofort verspürt Seong Hwa eine magische Anziehungskraft zu ihm, als kennen sich beide...